Dämpfer für die Spitzenkandidatin: Die hessischen Liberalen zieht mit ihrer Vorsitzenden Stark-Watzinger an der Spitze in den Bundestagswahlkampf. Aber das Auftreten der Liberalen in Berlin schwächt ihren Rückhalt.
Die hessische FDP zieht mit ihrer Landesvorsitzenden Bettina Stark-Watzinger an der Spitze in den Bundestagswahlkampf. Bei einem Delegiertentreffen der Liberalen in Wetzlar bekam die Bundestagsabgeordnete und frühere Bildungsministerin 82,8 Prozent der Stimmen. Vor der Wahl im Jahr 2021 war sie mit 94,8 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählt worden.
Die 56 Jahre alte Volkswirtin aus dem Main-Taunus-Kreis stimmte die Delegierten auf eine Kampagne ein, in der die Wirtschaftspolitik als "Schlüsselfrage des Landes" thematisiert werden soll.
Der Ausstieg der FDP aus der Bundesregierung stieß bei den rund 300 Delegierten überwiegend auf Zuspruch. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass der Schritt sich in den Umfragen nicht positiv bemerkbar mache. Die Partei werde trotz der von der Konkurrenz in die Welt gesetzten "Dolchstoßlegende" Kurs halten, versprach Stark-Watzinger. "Wir haften mit unserer politischen Existenz für unsere Überzeugungen." Der Lähmung des Landes müsse man eine mutige Wirtschaftspolitik entgegensetzen: "Wir sind die Einzigen, die für eine Richtungswahl in Deutschland stehen."
"Unser Koalitionspartner ist die Mitte der Gesellschaft"
Donalds Trumps Wahl zum amerikanischen Präsidenten habe die Bedeutung der Wirtschaft für die Wahlentscheidung der Menschen wieder einmal deutlich gemacht. "Wenn die Menschen Angst vor der eigenen Zukunft haben, sind sie bereit, über vieles hinwegzusehen." Darum sei eine starke Wirtschaft "das beste Demokratiefördergesetz".
Die FDP stehe ohne Wenn und Aber zur Schuldenbremse. Die aktuellen "Lockerungsübungen" der Union zeigten, dass die CDU immer die Macht wähle, wenn sie sich zwischen Kanzleramt und Marktwirtschaft entscheiden müsse. Die Frage, mit wem die Partei die FDP ein Bündnis eingehen könne, beantworte Stark-Watzinger mit dem Satz: "Unser Koalitionspartner ist die Mitte der Gesellschaft."
Stefan Naas, der Vorsitzende der Landtagsfraktion, warnte im Hinblick auf die parteipolitische Landschaft vor dem "Irrglauben, dass wir da draußen Freunde hätten". SPD und Grüne lebten in einem anderen Land. "Wir sind aber auch nicht die Reservegeliebte der Union." Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) habe jetzt wieder viel Zeit, weil er nicht mehr den ganzen Tag über die Ampel schimpfen könne, meinte Naas. Er forderte den "lieben Boris" auf, die Zeit zu nutzen, um seine Hausaufgaben zu machen.
Mansoori erweise sich als schwacher Minister
Die Staatsquote sei zu hoch, der planwirtschaftliche Hessenfonds Gift. "Wir brauchen keine Subventionen für wenige, sondern eine Entlastung für alle." Die SPD werfe der FDP immer vor, Rezepte aus den Neunzigerjahren vorzutragen. "Das war aber keine schlechte Zeit." Es gehe um den Wohlstand der Menschen. "Da kann die FDP nicht radikal genug sein."
Als die Landtagsabgeordneten in Wiesbaden in der vergangenen Woche über die Krise des Volkswagen-Konzerns und die möglichen Auswirkungen auf den nordhessischen Standort Baunatal debattiert hätten, habe der sozialdemokratische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über Berufsorientierung für junge Leute und Schnupperkurse gesprochen. "Das ist doch keine Industriepolitik." Mansoori erweise sich mehr und mehr als schwacher Minister. Angesichts der existenziellen Herausforderungen des Landes, sei es das Beste, wenn er abgelöst werde.
Einstimmig wählten die Delegierten ihren langjährigen Partei- und Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn zum Ehrenvorsitzenden. Stark-Watzinger erinnerte daran, dass er im Jahr 2008 in Wiesbaden die Bildung einer Ampel unter der Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti verhindert habe. Wenig später hätten die Liberalen bei der Landtagswahl das sagenhafte Ergebnis von 16,2 Prozent erzielt.
Optimistischer Blick auf die Bundestagswahl
Die Liberalen zeigten sich überzeugt, dass sie bei der Bundestagswahl im Februar 2025 die Fünf-Prozent-Hürde überwinden würden. Sollten sie knapp darüber liegen, könnten wohl drei bis vier hessische Parteifreunde ins Parlament einziehen. Gegenwärtig stellt der Landesverband sieben Bundestagsabgeordnete.
Den zweiten Rang der Kandidatenliste belegt – wie bisher – der Frankfurter Parteichef Thorsten Lieb. Er bekam 73,5 Prozent der Delegiertenstimmen. Das sind knapp 13 Punkte weniger, als er bei seiner Nominierung im Jahr 2021 hatte verbuchen können.
Alexander Müller aus Niedernhausen, verteidigungspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, verzeichnete mit 85,2 Prozent einen Verlust von fünf Punkten. Auf dem vierten Platz der Liste kandidieren die Parteichefs aus den Landkreisen Offenbach und Waldeck-Frankenberg, Ernestos Varvaroussis und Jochen Rube. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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