Simone Baum aus Engelskirchen-Loope hat im November 2023 am geheimen Potsdamer Treffen teilgenommen, das vom Medienhaus Correctiv aufgedeckt wurde und bundesweit für Empörung und Demonstrationen gegen Rechtsextreme sorgte.

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Ein Jahr später hat Baum ihre Erlebnisse rund um das Treffen in einem Buch veröffentlicht. Andreas Arnold sprach mit ihr.

Frau Baum, mit dem Wissen von heute: Würden Sie noch einmal an dem Treffen in Potsdam teilnehmen?

Simone Baum: Definitiv nicht.

Warum nicht?

Weniger wegen der Inhalte des Treffens, sondern wegen der einseitigen Berichterstattung dazu und des daraus resultierenden Umgangs mit mir. Unmittelbar nach der Berichterstattung von Correctiv begann sofort eine Berichterstattung unter Namensnennung der Teilnehmer, ohne dass die Geschichte von den Medien kritisch hinterfragt wurde. Das hatte die Folge, dass die Stadt Köln meinen Arbeitsplatz völlig überstürzt kündigte. Die Kündigung wurde ja dann durch das Arbeitsgericht Köln als unzulässig aufgehoben. Gleichwohl sind durch die Berichterstattung natürlich bleibende negative Folgen im privaten und beruflichen Bereich geblieben.

Was waren Ihre Beweggründe, Ihr Buch zu schreiben?

Ich fühlte mich ungerecht behandelt. Das wurde durch ein Urteil des Arbeitsgerichts mit Blick auf meine Kündigung durch die Stadt Köln bestätigt. Ich wollte ein Urteil, und habe mich nicht auf einen Vergleich eingelassen. Ausschlaggebend aber war, wie meine Gewerkschaft reagiert hat, die mir den Rechtsschutz verwehrt hat. Da habe ich mir gesagt, das kannst du nicht auf dir sitzen lassen.

Warum sind Sie eigentlich zu diesem Treffen gefahren?

Ein Freund, der eine Einladung hatte, hat mich gefragt, ob ich kommen will. Ich habe das dann mit einem Besuch bei Freunden verbunden, und von dort aus bin ich dann in das Hotel nach Potsdam.

Gleichwohl sind durch die Berichterstattung natürlich bleibende negative Folgen im privaten und beruflichen Bereich geblieben.

Simone Baum, Teilnehmerin Geheimtreffen in Potsdam

Zum Treffen in Potsdam gehörte auch der österreichische rechtsextreme Aktivist und Autor Martin Sellner. Wussten Sie, dass er dort sein wird?

Nach meiner Kenntnis wusste kaum jemand, dass er kommt. Ich wusste, dass eine prominente Persönlichkeit kommt, aber nicht, dass es Sellner ist.

Finden Sie nicht auch, dass das etwas merkwürdig klingt, man will doch wissen, mit wem man sich an einen Tisch setzt?

Ich finde das ganz und gar nicht merkwürdig. Und es würde mich wundern, wenn Sie noch nie spontan einer Einladung gefolgt wären, sich einem geselligen Treffen anzuschließen, bei dem sie nicht genau wissen, wer alles vor Ort ist. Oder durchleuchten Sie jede Gästeliste, bevor Sie an einem Treffen, an einer Konferenz oder einer Party teilnehmen? Das fände ich merkwürdig.

Wussten Sie, wofür Martin Sellner steht?

Der Name Martin Sellner war mir ein Begriff, da ich den Namen bereits gehört hatte. Aber nicht tiefgründig. Ich habe mich nie mit ihm beschäftigt. Ich wusste daher nicht, für welche politischen Aussagen und Forderungen er steht. Genauso wenig, wie ich mich mit der Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer beschäftige.

Den Vergleich finden Sie passend?

Ich habe nicht Martin Sellner und Luisa Neubauer als Personen verglichen, sondern ich habe einen Vergleich zu der Situation gezogen, dass ich mich mit den Positionen beider noch nicht tiefgehend beschäftigt habe. Insoweit ist der Vergleich sehr passend.

Mal angenommen, Sie hätten im Vorfeld mehr über das Treffen und die Besetzung gewusst: Wären Sie dann trotzdem nach Potsdam gefahren?

Das ist wirklich eine schwierige Frage. Die kann ich Ihnen so nicht beantworten. Grundsätzlich mache ich mir ja selber ein Bild von den Leuten. Ich kenne auch keine Brandmauern oder eine Kontaktschuld. Rechtlich zulässige Positionen, wie die, die in Potsdam besprochen wurden, muss man frei diskutieren können. Doch im Nachhinein weiß ich es nicht. Wegen der unausgewogenen Berichterstattung und deren Folgen würde ich mal eher nein sagen.

In Ihrem Buch heißt es, dass Sie die 5000 Euro, die andere Teilnehmer für den Eintritt zu dem Geheimtreffen hingeblättert haben, nicht bezahlt hätten. Wenn man das Geld von Ihnen verlangt hätte, wäre Ihnen das die Teilnahme wert gewesen?

Auf keinen Fall, dafür habe ich gar nicht die finanziellen Möglichkeiten.

Der Begriff der Remigration soll in Potsdam gefallen sein und sorgte für viel Aufregung. Ist der Begriff gefallen, wenn ja, in welchem Kontext und was halten Sie davon?

Das alles ist schon ein Jahr her. Und Remigration gehörte nicht zu meinem gängigen Sprachgebrauch. Herr Sellner hat den Begriff Remigration genannt und erklärt, dass es dabei um eine freiwillige Rückkehr geht. Das betraf straffällig gewordene Ausländer und Ausländer, die nicht integrierbar sind, weil sie sich nicht integrieren wollen. Solchen integrationsunwilligen Ausländern sollten Anreize geboten werden, freiwillig auszureisen. Es ging – anders als vielfach behauptet – nicht um Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Die immer wieder kolportierte absurde Behauptung, in Potsdam sei es darum gegangen, den gut integrierten Pizzabäcker mit Migrationshintergrund von nebenan zwangsweise abzuschieben, ist falsch. Das, was Sellner dort vorgestellt hat, verstieß somit nicht gegen Recht und Gesetz.

Wie haben Sie die Zeit nach dem Treffen in Potsdam erlebt?

Ich habe die Situation als eine Art Hexenjagd erlebt. Ganz schlimm war, als der Bürgerverein Loope bei meinem Rauswurf auch meine komplette Adresse veröffentlichte. Dagegen habe ich mich zwar gewehrt, doch es gab kurz danach einen Farbangriff auf mein Haus, und das war nun wirklich nicht lustig.

Nach dem Geheimtreffen in Potsdam und Ihrer Teilnahme hat sich auch die CDU in Position gebracht, ein Parteiausschlussverfahren wurde auf den Weg gebracht, doch bevor es einen Beschluss gab, sind Sie gegangen. Haben Sie von Ihren alten Parteifreunden noch was gehört?

Der oberbergische Vorsitzende Carsten Brodesser und ich haben vereinbart, dass wir darüber öffentlich nicht mehr sprechen. Und damit ist es gut.

Nach der Gründung der Werteunion als Partei konnte man davon ausgehen, dass Sie dort nach dem CDU-Austritt Mitglied werden. Was ist damit geworden?

Ich bin dort nicht eingetreten, aber in eine andere Partei.

Und in welche?

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Bündnis Deutschland. Die ticken ja ähnlich wie die "Werteunion". Bündnis Deutschland wollte mit der Werteunion fusionieren, was aus den verschiedensten Gründen nicht geklappt hat. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich konservative Kleinstparteien zusammenschließen sollten, weil sie sonst keine Chance haben.  © Kölner Stadt-Anzeiger