Wenn in den USA mit Thanksgiving die sogenannte "Holiday Season" beginnt, die US-Amerikaner Truthahn servieren und ihre Häuser weihnachtlich beleuchten, klingeln traditionell auch bei Händlern die Kassen.
Denn am Tag nach Thanksgiving, also am letzten Freitag im November, starten die Menschen auf der anderen Seite des Atlantiks ihre Weihnachtseinkäufe, manch einer steht sogar nachts auf, um am "Black Friday" garantiert als erster im Laden zu sein – und boxt sich zur Not auch mit Gewalt den Weg zu den Schnäppchen frei.
Weihnachtseinkäufe zum Schnäppchenpreis
Rangeleien um Schnäppchen gibt es hierzulande eher weniger, dennoch ist der Shopping-Aktionstag längst in Deutschland angekommen. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" war auf der Schildergasse unterwegs und hat zahlreiche Leute getroffen, die an diesem Freitag mit ihren Weihnachtseinkäufen loslegen wollen und auf hohe Rabatte hoffen. So wie
Auch Studentin Martine (25) hofft auf Angebote: "Bei Weihnachtsgeschenken warte ich gerne auf den Black Friday. Vergangenes Jahr habe ich meinem Papa einen Grill geschenkt. Ich plane, etwa 100 Euro am Black Friday auszugeben – vielleicht für Weihnachtsgeschenke auch etwas mehr." Dima (16), der in Köln zur Schule geht, würde gerne sein Guthaben auf der Spielekonsole günstig aufladen: "Dafür will ich etwa 50 bis 100 Euro ausgeben", sagt er.
Gelegenheiten zum Kauf gibt es einige, denn der komplette November ist Rabattmonat. Am 11.11. begeht der Handel den "Singles' Day", der aus China kommt und inzwischen der umsatzstärkste Onlineshopping-Tag der Welt ist. Vor dem Black Friday feiern viele Geschäfte die ganze Woche "Black Week" und am "Cyber Monday" – der Montag nach Thanksgiving, in diesem Jahr am 2. Dezember – geht es online weiter mit der Rabattschlacht.
HDE rechnet mit Umsätzen von 5,9 Milliarden Euro
Der Handelsverband Deutschland (HDE) rechnet damit, dass die Deutschen an den Aktionstagen rund um den Black Friday insgesamt 5,9 Milliarden Euro ausgeben – das wären etwa 70 Euro pro Kopf. "Auch rund um die Aktionstage ist die allgemeine Kaufzurückhaltung zu spüren", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. In den vergangenen Jahren seien die Ausgaben im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr noch um 20 Prozent und mehr gestiegen. Allerdings sei das Plus 2023 mit sechs Prozent schon deutlich geringer ausgefallen. "Der jahrelange Aufwärtstrend der Umsätze zu Black Friday und Cyber Monday hat sich deutlich abgeschwächt und kommt in diesem Jahr auf hohem Niveau zum Stillstand", sagt Tromp.
Auch in diesem Jahr planen viele Kunden, die Aktionstage für Einkäufe zu nutzen, zeigt eine vom HDE beauftragte Umfrage. Zum Black Friday wollen 46 Prozent der Befragten auf Schnäppchenjagd gehen, zum Cyber Monday gut ein Drittel. "Trotz schwacher Konsumstimmung stoßen die Sonderangebote rund um Black Friday und Cyber Monday weiterhin auf großes Interesse", so Tromp. In diesem Jahr entfallen laut HDE rund 1,6 Milliarden Euro der Ausgaben auf Weihnachtseinkäufe.
Marina Cairney (50) aus Newcastle in England ist zu Besuch in Köln und wird am Freitag ordentlich zuschlagen: "Ich nutze immer die Black-Friday-Angebote für meine Weihnachtseinkäufe. Ich weiß noch nicht, was genau ich dieses Jahr kaufen werde, aber ich warte auf die Aktionen. Ich werde Geschenke für meine Eltern, meine Kinder und Enkelkinder kaufen. In der Regel gebe ich rund 1000 Euro am Black Friday aus."
Hohe Rabatte schmälern Rendite
Kunden haben gelernt, dass sie rund um den Black Friday Geld sparen können und verschieben Einkäufe auf die Rabattschlachten. Das stellt den deutschen Einzelhandel vor eine Herausforderung, denn laut einer Studie der Unternehmensberatung Kearney sinkt die Nachfrage drei Wochen vor und bis zu zwei Wochen nach dem Einkaufstag signifikant. "Von den massiven positiven Ausschlägen um teilweise 150 bis 200 Prozent an Nachfrage und Umsatz bleiben in Wahrheit nur rund sieben Prozent Mehr-Umsatz", erklärt Partner Moritz Tybus.
Kearney kommt in seiner Hochrechnung auf einen Gesamtumsatz von 6,4 Milliarden Euro in Deutschland, also etwa eine halbe Million Euro mehr, als der HDE annimmt. Allerdings "verliere" der Einzelhandel dabei laut der Studie rund 300 Millionen Euro Profit durch ungeschickte und veraltete Preissetzung. Dabei seien margenschwache Einzelhändler auf die Umsätze an diesem Tag angewiesen, sagt Tybus. "Die Mehrheit erwartet Rabatte von mindestens 30 bis 50 Prozent gegenüber dem UVP. Für viele Händler ist der Black Friday daher eine Gratwanderung zwischen Profit und Kundenerwartung", sagt Tybus.
Elisabeth (70) und Heinz Mugrauer (70) aus Köln-Sülz brauchen eigentlich nichts, kaufen aber trotzdem, wenn die Angebote entsprechend gut sind: "Unsere Schränke sind eigentlich voll und auch zu Hause sind wir komplett eingerichtet. Vielleicht schauen wir nach Weihnachtsgeschenken und für meinen Mann kaufen wir vielleicht etwas. Vergangenes Jahr haben wir eine Jeans gekauft, die 30 Prozent günstiger war. Wenn wir shoppen, gehen wir eher in die Stadt, online bestellen wollen wir nicht, da sind wir sehr vorsichtig."
Viele Leute interessieren die Angebote gar nicht
Paula (24), technische Systemplanerin aus Leverkusen, schaut nicht auf die Aktionstage: "Ich warte weder auf den Black Friday, noch shoppe ich gerade, weil das Geld momentan etwas knapp ist. Online lohnt sich das jetzt auch nicht mehr so, Rabatte gibt es ja mittlerweile fast das ganze Jahr über."
Was Paula auf der Kölner Schildergasse berichtet, bestätigen auch die Daten. Mehr als 40 Prozent der Deutschen brauchen die Rabattaktionen laut einer Umfrage des Preisvergleichsportals Idealo nicht, weil asiatische Anbieter wie Temu und Shein das ganze Jahr über mit Angeboten locken. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Umfrage des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH: Unter Personen, die sich für den Black Friday interessieren, gibt demnach fast jeder Vierte an, die Aktionen diesmal seltener nutzen zu wollen – wegen der asiatischen Portale.
"Wenn andere Plattformen ganzjährig Dauerniedrigpreise bieten, wird die Bedeutung von Superrabatttagen wie dem Black Friday für die Konsumenten geringer. Wieso auf Ende November warten, wenn man bei Temu und Co jederzeit günstig shoppen kann?", sagt IFH-Geschäftsführer und Handelsexperte Kai Hudetz. Der Preisdruck nehme deutlich zu, für andere Händler werde es immer schwerer mitzuhalten. Besonders herausfordernd sei es für Branchen wie Mode, Accessoires und Einrichtung. Die Zahlen des IFH zeigen aber auch: Die Deutschen sind kaufwillig, trotz Konsumflaute und konjunktureller Schwäche. Es dürfte am Wochenende also voll werden auf den Kölner Einkaufsstraßen – noch voller als ohnehin schon. © Kölner Stadt-Anzeiger
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