Massive Veränderungen brachte die Kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen insbesondere für den heutigen Westen des Oberbergischen Kreises.
Dazu muss man bedenken: Die Neugliederung war kein politisches Projekt, sondern ging von den Verwaltungsfachleuten aus. Es ging darum, die im Grundgesetz geforderte "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" zu gewährleisten. Das konnten die Verwaltungen in den kleinen Kommunen nicht leisten, größere Verwaltungseinheiten sollten geschaffen werden.
Mit dem Köln-Gesetz von 1975 fand die Reform formal ihren Abschluss. Der Oberbergische Kreis wurde erheblich vergrößert. Aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis kamen Engelskirchen, Lindlar und Wipperfürth dazu. Der damalige Innenminister Willi Weyer stellte die Neuordnung am 1. März 1974 in einer Pressekonferenz in Köln vor.
Fusion von Engelskirchen, Lindlar und Ründeroth?
Auch eine Gemeindefusion von Engelskirchen und Lindlar stand vor der Gebietsreform 1975 zur Debatte. Über die Meinungen dazu berichtet die Bergische Landeszeitung im März 1973: "Ein Zusammenschluss der Gemeinde Lindlar mit Engelskirchen und Ründeroth wird in Lindlar derzeit als nicht wünschenswert angesehen, so sehr man auch die interkommunale Zusammenarbeit fördern will." In SPD- und FDP-Kreisen werte man das Engelskirchener Angebot als ersten Versuch, in diesen drei Gemeinden auch auf Dauer eine CDU-Mehrheit zu sichern, schrieb die Zeitung. "Man geht davon aus, dass in einer neuen Gemeinde Engelskirchen/Ründeroth die SPD die Mehrheit erlangen wird."
Aber auch der übrige Rat der Gemeinde Lindlar und mit ihm auch die Verwaltung waren überzeugt, dass eine Fusion der drei Gemeinden weder zulässig noch sinnvoll sei. Die dafür erforderliche Ausstattung sei mit bereits vorhandenen Einrichtungen höherer Art (zum Beispiel 200-Betten-Krankenhaus, 100-Betten-Altenheim, Realschule, Sonderschule, Hallenbad) überschritten.
Der Vorschlag zur Zusammenlegung von Lindlar, Engelskirchen und Ründeroth kam tatsächlich aus der Engelskirchener CDU-Fraktion, fand aber auch in Lindlar Zustimmung, wie die BLZ im Februar 1973 schrieb: "Die Junge Union betont in einer Presseerklärung, dass der Vorschlag der CDU-Fraktion Engelskirchen zur Bildung einer Großgemeinde Ründeroth-Engelskirchen-Lindlar in Lindlar eine starke Resonanz fand." Die JU lud deshalb sogar den Initiator des Planes, den CDU-Fraktionsvorsitzenden Arthur Anders, zu ihrem politischen Frühschoppen nach Frielingsdorf ein, um interessierte Bürger über Vor- und Nachteile einer solchen Fusion zu informieren. Anders ging in seinem Referat auf die Vorteile einer Großgemeinde mit 30 000 Einwohnern ein, die ein Gegengewicht zu bereits bestehenden Großgemeinden bilden würde. Auch sei eine Fusion für Lindlar der einzige Weg, Förderungsmittel im Sinne des Landesentwicklungsplans zu bekommen. Auch werde wirtschaftliches Wachstum und verkehrsmäßige Erschließung gefördert. "In der Diskussion wurde die Skepsis mancher Lindlarer deutlich, obwohl der CDU-Fraktionsvorsitzende aus Engelskirchen versicherte, dass seine Pläne ,keinen Haken' hätten."
Lindlar gewinnt dazu, fremdelt aber bis heute
Mit der Neuordnung wurde Hohkeppel auf die Gemeinden Overath, Engelskirchen und Lindlar verteilt. Ein Umstand, der in Hohkeppel nicht nur auf Zustimmung stieß. Im Karneval wurde ein sarkastischer Nachruf auf die "altehrwürdige Gemeinde" verfasst. Zu Lindlar kamen darüber hinaus Teile der Gemeinden Engelskirchen, Gimborn, Olpe und Overath. Das durch seine Industrie wirtschaftlich wichtige Leppetal gehörte künftig ebenfalls zu Lindlar.
Mit dem neuen Wechsel verzeichnete Lindlar seit dem Jahr 1816 die Zugehörigkeit zu drei Kreisen: von 1816 bis 1932 zum Kreis Wipperfürth, von 1932 bis 1974 zum Rheinisch-Bergischen Kreis und seit 1975 zum Oberbergischen Kreis. Insbesondere die älteren Lindlarer fühlen sich auch heute noch eher dem Rheinisch-Bergischen Kreis und auch Köln verbunden und fahren eher nach Bergisch Gladbach als in die Kreisstadt Gummersbach.
Nicht nur, wenn bei den Haushaltsberatungen in der Gemeinde das Thema Kreisumlage ansteht, wird deutlich, dass die Eingliederung von manchen immer noch nicht wirklich akzeptiert wird. Der Wechsel des Kreises hatte auch auf den Verkehr Auswirkungen, so fährt in Lindlar nicht mehr die Wupsi (KWS Kraftverkehr Wupper-Sieg AG), sondern die Oberbergische Verkehrsgesellschaft (Ovag).
Gleich drei Kreise buhlen um die Stadt Wipperfürth
Auch für Wipperfürth bedeuten die vorgestellten Pläne eine große Änderung. Die Gemeinden Klüppelberg und Wipperfeld werden zu Wipperfürther Stadtteilen. Bis 1932 gab es den Kreis Wipperfürth, dessen Auflösung und die Eingliederung in den Rheinisch-Bergischen Kreis schon für reichlich Unmut gesorgt hatten. Nun also wieder eine Neuerung.
Um Wipperfürth, die sich stolz älteste Stadt im Bergischen nennt, beginnt ein Tauziehen. 1973 wollen drei Landkreise die Stadt in ihr Gebiet holen. Die Bergische Landeszeitung berichtet am 31. Januar: "Der Rheinisch-Bergische Kreis wahrt seinen Anspruch auf den Raum Wipperfürth und möchte ihn um Hückeswagen erweitern. Der Oberbergische Kreis hatte in seinen Vorstellungen Ansprüche auf Wipperfürth/Hückeswagen angemeldet, auch der Rhein-Wupper-Kreis fordert ein Hückeswagen/Wipperfürth im erhofften künftigen Bestand seines Kreisgebietes. Der Raum Wipperfürth spielt also die wenig beneidenswerte Rolle eines Knochens mitten in einer Hundemeute."
Dabei unterscheiden sich die Vorstellungen der CDU und der SPD in der Frage der Kreiszugehörigkeit. Während sich die CDU klar für eine Ausrichtung auf das Oberzentrum Köln und eine Zugehörigkeit zum Rheinisch-Bergischen Kreis ausspricht, tendiert die SPD-Fraktion mehr zum Oberbergischen.
Auch 50 Jahre nach der Neugliederung ist der Oberbergische Kreis mit seinen 13 Kommunen kein homogenes Gebilde mit eigenem Selbstverständnis. Das empfinden vor allem ältere Einwohner in den nördlichen Kommunen so.
Selbst Altlandrat Hans-Leo Kausemann, der auch Bürgermeister in Wipperfürth war, ist der Ansicht, dass der Oberbergische Kreis bis heute nicht zusammengewachsen ist. "Mein Eindruck ist, dass sich Bergisch Gladbach damals nicht ausreichend um einen Verbleib Wipperfürths im Rheinisch-Bergischen Kreis bemüht hat. Die Kommunale Neugliederung ist auch nach 50 Jahren noch nicht von allen Wipperfürthern begriffen worden. Aber es ist gut, dass sie so gekommen ist, und sie hat auch eine gute Entwicklung genommen", ist der Wipperfürther Ehrenbürger überzeugt. © Kölner Stadt-Anzeiger
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