Berlin - Wegen hoher Miet- und Nebenkosten leben in Mecklenburg-Vorpommern einer Studie zufolge mehr Menschen in Armut als bisher angenommen.
Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und anderem bleibt vielen nur noch ein verfügbares Einkommen im Armutsbereich, wie aus Berechnungen der Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands hervorgeht. Grundlage waren Daten des Statistischen Bundesamts.
Während die Armutsquote im Nordosten nach konventioneller Berechnung mit rund 256.000 Betroffenen bei 15,9 Prozent liege, steige diese bei Berücksichtigung der Wohnkosten auf 21,7 Prozent und 345.000 von Armut betroffene Menschen.
Mecklenburg-Vorpommern bei "Wohnarmut" im Länder-Mittelfeld
Lässt man die Wohnkosten außer Acht, liegt Mecklenburg-Vorpommern im Länder-Armutsquoten-Ranking nach konventioneller Berechnung mit einer Quote von 15,9 Prozent auf Platz vier hinter Sachsen-Anhalt, Bremen und Nordrhein-Westfalen.
Da in anderen Bundesländern die Berücksichtigung der Wohnkosten stärker ins Gewicht fällt, rückt der Nordosten bei einer "Wohnarmutsquote" von 21,7 Prozent ins Mittelfeld und belegt Platz sieben unter den Bundesländern. An der Spitze sind Bremen (29,3 Prozent), Sachsen-Anhalt (28,6) und Hamburg (26,8).
Die geringste "Wohnarmutsquoten" gibt es – wie auch nach konventioneller Berechnung – in Bayern (16,3), Baden-Württemberg (18,5) und Rheinland-Pfalz (19,3).
5,4 Millionen Menschen zusätzlich von "Wohnarmut" betroffen
Als arm gelten Menschen, die monatlich weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung haben. Das Medianeinkommen ist das Einkommen, bei dem genau die Hälfte der Bevölkerung ein höheres und die andere Hälfte ein niedrigeres Einkommen hat. Der Schwellenwert liegt nach diesen Berechnungen für einen Ein-Personen-Haushalt in Deutschland bei 1.016 Euro frei verfügbarem Einkommen pro Monat.
Bei der üblichen Armutsstatistik blieben Millionen Menschen unsichtbar, weil ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt würden, kritisiert der Verband. "Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland", heißt es in der Auswertung.
Tatsächlich leben in Deutschland demnach 5,4 Millionen mehr Menschen unter der Armutsgrenze als bislang angenommen. Um die Wohnkosten bereinigt gelte mehr als ein Fünftel der Bevölkerung als arm.
Gleiches Einkommen heißt nicht gleiche Finanzlage
Beispielhaft nennt die Forschungsgruppe eine Rentnerin mit einer Standardrente von 1.770 Euro. Mit langjährigem Mietvertrag und 450 Euro Miete gilt sie nicht als arm. Muss sie aber umziehen, etwa in eine barrierefreie Wohnung, und plötzlich 900 Euro Miete zahlen, rückt die Frau unter die Armutsgrenze.
"Über den Lebensstandard entscheidet nicht mehr nur die Höhe des Einkommens, immer wichtiger werden die Fragen, wie viel Geld eine Person fürs Wohnen ausgeben muss und wie viel Geld darüber hinaus noch übrigbleibt", heißt es in der Studie. Gleiches Einkommen suggeriere zwar einen ähnlichen Lebensstandard, tatsächlich sei die finanzielle Situation der Betroffenen möglicherweise aber sehr unterschiedlich.
Wer besonders von "Wohnarmut" betroffen ist
Stark betroffen von sogenannter Wohnarmut sind der Auswertung zufolge junge Erwachsene unter 25 – darunter viele Studentinnen und Studenten – sowie Ältere über 65 Jahre. Alleinlebende trifft es eher als Paare, weil sie in der Regel höhere Wohnkosten pro Person haben. Am schlimmsten sei die Situation für alleinstehende Menschen im Rentenalter.
Der Paritätische Gesamtverband ruft die künftige Bundesregierung auf, neue und dauerhaft sozial gebundene Wohnungen zu schaffen. "Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland braucht gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält", sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Rock. © Deutsche Presse-Agentur
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