Kulturinstitution in Gefahr: Prädikat "wertvoll": Die Zukunft der Deutschen Film- und Medienbewertung in Wiesbaden ist nach mehr als 70 Jahren ungewiss. Das liegt am geplanten Filmförderungsgesetz und daran, dass ihr das Geld ausgeht.
Wenn es kommt, dann aber richtig. Mit diesem Sprichwort lässt sich die aktuelle Situation der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) in Wiesbaden zusammenfassen. Nicht nur wird wohl im novellierten Filmförderungsgesetz (FFG), das Ende dieser Woche im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden soll, eine zentrale Aufgabe der Bewertungsstelle gestrichen. Die Zukunft der Behörde in Wiesbaden insgesamt steht auf dem Spiel.
Die Filmbewertung, im Schloss Biebrich ansässig, ist seit mehr als 70 Jahren zentrale Bewertungsstelle für Filme. Sie soll damit einen Beitrag zum Kulturauftrag der Länder leisten. Unabhängige Gutachter bewerten mit dem Anspruch demokratischer und transparenter Verfahren neue Produktionen, vom Blockbuster bis zum Arthouse-Film.
FBW-Direktorin: "Einfach unverständlich"
Überzeugen die Filme nach Stoff, Form und der Filmgestalt im Ganzen, können sie die Prädikate "wertvoll" oder "sehr wertvoll" erhalten. Diese schaffen nicht nur Orientierung für die Zuschauer. Für die Filmemacher bringen die Siegel zudem Sichtbarkeit und ermöglichen ihnen finanzielle Förderung: Sie können von der sogenannten Referenzfilmförderung des aktuellen FFGs profitieren, die besonders Debütfilmemachern hilft und damit die Vielfalt des deutschen Films fördern soll.
Die Direktorin der FBW, Bettina Buchler, staunte angesichts dieses Beitrags der Bewertungsstelle nicht schlecht, dass die Gütesiegel der FBW im aktuellen Entwurf des neuen FFG nicht mehr enthalten sind. "Am Anfang dieser Novellierungsprozedur hat die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien in ihrem Acht-Punkte-Papier ausgerufen, dass die Sichtbarkeit für deutsche Filme wichtig ist. Genau da sind wir ein wichtiger Kommunikator. Für uns ist das deshalb einfach unverständlich", sagt sie.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Novellierungsentwurf im Juli noch gefordert, die "Berücksichtigung der Prädikate ‚besonders wertvoll‘ und ‚wertvoll‘ (...) im Rahmen des Referenzpunktesystems" sei "notwendig". Denn diese seien seit Beginn der Filmförderungsanstalt (FFA), die die Filmförderung auf Bundesebene koordiniert, "als kulturelle Förderkriterien im FFG verankert und als verlässliche Gütesiegel neben Besucherzahlen, Festivals und Preisen ein zusätzliches Qualitätskriterium innerhalb des Referenzpunktesystems".
Finanzielle Probleme kommen hinzu
Die Bundesregierung war anderer Meinung. Für sie steht der Gesetzesentwurf der "Berücksichtigung des Prädikats der Deutschen Film- und Medienbewertung nicht entgegen, sondern ermöglicht sie weiterhin", hieß es in einer Gegenäußerung.
Im Grunde gehe es im Entwurf des FFG darum, die Selbstverwaltung der nationalen Filmförderungsanstalt zu stärken. Damit könnte es zwar weiter die Qualitätssiegel geben, allerdings werden diese damit zu "einer Sache, die nicht gesichert ist", sagt Buchler. Außerdem würden die Befugnisse der FFA erweitert, wodurch der Ländercharakter der Bewertungsstelle verloren ginge.
Gleichwohl, so sagt Buchler, sorgte die Gesetzesreform allein, wenn sie beschlossen würde, nicht für ein Ende der FBW. "Die Filmförderung im FFG ist nicht unsere zentrale Aufgabe." Die Auszeichnung relevanter Filme und die Orientierungshilfe für potentielle Zuschauer, auch und besonders für Kinder und Jugendliche, stehe im Fokus der FBW. "Unsere Siegel sind eine Qualitätsbescheinigung."
Vor größere Probleme stellen die Bewertungsstelle allerdings zunehmend finanzielle Engpässe. Die Verwaltungsvereinbarung sieht zwar vor, dass das Land Hessen gemäß dem Beschluss der Finanzministerkonferenz vom Dezember 2007 bei Unterdeckung des Haushalts der FBW Geld zuschießt.
Weil sich aber die Filmwirtschaft und die Medienwelt seitdem "erheblich verändert" hätten, wie die FBW in ihrer "Zukunftsagenda 2025+" schreibt, habe sich das Land nur noch dann für finanzielles Engagement bereiterklärt, wenn sich alle weiteren Länder "in absehbarer Zeit gemeinsam auf eine Modernisierung des Arbeitsauftrages" der FBW verständigten und sich gleichermaßen "an den Kosten beteiligen". Der Entwurf einer neuen Verwaltungsvereinbarung, die eben die finanzielle Beteiligung der Länder festgeschrieben hätte, war von den Ländern bei der Kulturministerkonferenz im Herbst allerdings abgelehnt worden, wie das Kunstministerium auf Anfrage mitteilt.
Jury befürchtet Ende der Bewertungsstelle
"Jetzt liegt der Ball beim Land Hessen", sagt Buchler. Was hier anklingt und sich im offenen Brief der 85 FBW-Jurymitglieder klarer zeigt, ist die Angst um die Zukunft der Filmbewertung insgesamt. "Gerade jetzt steht der Erhalt dieser unabhängigen Kulturinstitution auf dem Spiel", heißt es da.
Die "jahrzehntelange Expertise der FBW-Jurys" solle auch "für jede weitere im Raum stehende Überlegung" in Bezug auf die Bewertung künstlerisch ambitionierter Filme genutzt werden. "Warum neue Strukturen aufbauen, wenn diese doch bereits bestehen und bestens funktionieren?" Der bisherige Status der FBW-Prädikate im FFG müsse "mindestens in seiner jetzigen Form" bestehen bleiben, "um die Kraft des Gütesiegels in vollem Umfang nutzen zu können".
Zahlreiche Vertreter der Branche, aus Hessen und auch bundesweit, haben sich bereits für den Erhalt der FBW ausgesprochen. So unter anderem Isabel Gathof, deren erster abendfüllender Dokumentarfilm nach dem Abschluss der Filmhochschule, "Moritz Daniel Oppenheim", von der Jury als "besonders wertvoll" eingestuft worden war. Das Prädikat sei "nicht nur eine große Anerkennung für die Arbeit an dem Film und all derer, die daran beteiligt waren, sondern hat dem Projekt zu einer besonderen Sichtbarkeit verholfen, die meine filmische Karriere beflügelt hat", sagt sie.
Immer weniger Filme eingereicht
Auch für die Filmkultur in Deutschland sei die Stelle zentral, weil sie Diskursräume öffne und damit einen gesellschaftlichen Beitrag auch mit Blick auf die Jugend leiste, sagt Julie Kania vom Vorstand der Stiftung Kuratorium junger deutscher Film. "Besonders mit ihren Angeboten für Kinder und Jugendliche schafft sie bundesweit einzigartige Angebote, die Filmkultur und Filmwirtschaft stärken."
Aus dem Kunstministerium heißt es, wegen der abgelehnten Finanzierungsreform würden "über die Zukunft der FBW Gespräche geführt". Dies bestätigt auch Buchler. Die Aussage des Ministeriums aber, dass unabhängig von der aktuellen Debatte zu konstatieren sei, "dass die Anzahl der Einreichungen von Filmen zur Bewertung bei der FBW rückläufig ist", möchte sie nicht so stehen lassen.
Dies liege insbesondere daran, dass immer mehr Produzenten und Verleiher angesichts geringerer Herstellungs- und Auswertungsbudgets das Risiko einer Bewertung scheuten. Die Gebühren, die dafür zu entrichten seien, könnten sich gerade kleinere Unternehmen oder Debütanten nicht leisten, schreibt die FBW selbst in ihrer Zukunftsagenda.
Um die Zukunft der Bewertungsstelle sieht es daher schlecht aus. Die Einsparungen, die die Länder bei der Filmförderung insgesamt vornehmen, beginnen sich in Institutionen wie auch der FBW niederzuschlagen. Im Appell für deren Erhalt steht, worum es laut den Unterzeichnern geht: "Die Zukunft der Filmkultur entscheidet sich jetzt." © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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