Schwarz Pelze in Frankfurt: Er darf in Paris ausstellen und ist als Kürschner legendär. Jetzt schließt Hans Schwarz sein Pelzgeschäft. Damit endet nach mehr als sieben Jahrzehnten die Ära der Frankfurter Kürschnerfamilie.

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Haare sind sein Metier. Wenn Hans Schwarz mit seinen Händen durch ein weiches Lammfell streicht, ist seine Begeisterung für das Material zu spüren. Er selbst hat das Glück, mit 63 Jahren noch einen vollen Schopf zu haben, weshalb man ihm sein Alter nicht ansieht.

Im Gegenteil, wenn sich Schwarz auf seinen robusten Werktisch im Ladengeschäft schwingt und mit baumelnden Beinen aus seinem Leben erzählt, könnte man ihn für viele Jahre jünger halten. Als jung gebliebener Langzeitstudent wurde er mal treffend in einem Artikel beschrieben.

Die Parker aus jener Zeit – seinen ersten hat er sich im Alter von 14 Jahren auf dem Flohmarkt gekauft – stellt er bis heute in Maßkonfektion her. Es gibt zwei Linien, gefüttert mit den Fellen, die sich die Kunden wünschen: Bisam, Kanin oder Lamm. Dabei treibt es der Kürschner bisweilen ganz schön bunt, lässt Felle quietschrosa und hellblau einfärben.

Im Regal liegen Lammfellmützen mit eingefärbtem Skibrillenmuster. Für solche Extravaganzen ist der Frankfurter, der seit 2016 jedes Jahr eine kleine Kollektion auf der Fashion Week in Paris ausstellt, bekannt. Schon sein Vater habe so gearbeitet, sagt er.

Schwarz ist an der Berger Straße aufgewachsen, ein waschechter Frankfurter Bub, der hessisch babbelt und seine Hausaufgaben früher in der Pelzwerkstatt neben den Nähmaschinen erledigte. Sein Großvater, dessen Mutter schon als Pelznäherin arbeitete, hatte das Unternehmen 1947 gegründet und drei Jahre später an der unteren Berger Straße ein Pelzgeschäft eröffnet – an der Stelle ist heute ein Spielsalon.

Der Enkel hatte ursprünglich andere Pläne. Er wollte Tierarzt werden. Auf einem Gartengrundstück der Familie in Seckbach gab es Esel, Ziegen, Schafe. Doch dann hat es beim Besuch einer Pelzmodenschau doch klick gemacht, erzählt er, und der Entschluss stand fest: "Ich werde Kürschner."

Ohne Wissen der Eltern bewarb sich Schwarz um einen Ausbildungsplatz bei Gerson, zu der Zeit das größte Pelzgeschäft im Frankfurter Bahnhofsviertel. Dort spielte die Musik. Zwischen Elbe-, Düsseldorfer, Kaiser- und Mainzer Landstraße hatten die Großhändler ihr Quartier. Frankfurt war die deutsche Pelzstadt, auch Messestadt der Branche und das Zentrum des internationalen Pelzhandels. Pelzateliers fanden sich über die ganze Stadt verstreut.

Schwarz war bei Gerson ausschließlich für die Modellentwicklung zuständig und reüssierte schnell, er gewann zahlreiche Titel – war erst Kammer-, dann Landes-, dann Bundessieger – und konnte seine Lehrzeit verkürzen. Nach der Meisterprüfung 1986 hätte er direkt bei Dior in Paris anfangen können. Doch es zog ihn in die Welt.

Dreieinhalb Jahre tingelte er durch Asien und Europa, baute zunächst in Sri Lanka ein Unternehmen auf, das Bisampelze verarbeitete. Es folgten die Anstellung in einem Pelzauktionshaus in Oslo, später Stationen in der Ukraine, in Italien und in der Türkei.

Doch dann, nach einem Autounfall, bei dem die Mutter schwer verletzt wurde, brauchten ihn seine Eltern. Der Vater hatte nur noch wenig Zeit für das Geschäft. Sein Bruder, Ernst Schwarz, der mit seiner Frau Anita heute das Geschäft Pelze am Dornbusch betreibt, führte zunächst das Sockengeschäft weiter, das die Brüder zusammen eröffnet hatten. Hans Schwarz kümmerte sich um die Pelze. Bereut habe er den Schritt nie, wie er sagt. Damals kannte er auch schon seine heutige Frau, mit der er auf dem Land in der Nähe von Gießen lebt und einen Sohn hat.

"Salon der schönen Dinge" hat Schwarz sein kleines Ladengeschäft getauft. Es befindet sich dort, wo die Familie zu den Hochzeiten eine Pelzreinigung betrieb. Die Werkstatt liegt in der Etage darüber. Hier saß bis vor Kurzem die langjährige und inzwischen einzige fest angestellte Mitarbeiterin, "unsere Barbara", die mit 16 bei der Familie in die Lehre kam, blieb, und sich nun mit 64 Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat.

Eine Bildergalerie an der Wand erinnert an die Höhepunkte des Familienbetriebs und Schwarz’ Berufsschaffen. Schwarz-Weiß-Bilder aus der ersten Werkstatt sind dabei. Bilder mit der längst verstorbenen Frankfurter Schauspielerin Liesel Christ, die seine Eltern gut kannten.

Aber auch Kurioses hängt an der Wand, etwa Bilder von dem Abend im Jahr 2007, als der Frankfurter Zoo Schwarz untersagte, bei der Show des "Frankfurter Modekreises", den es damals noch gab, im Gesellschaftshaus seine Pelzmäntel über den Laufsteg zu schicken. Kurzerhand ließ er T-Shirts mit den Entwürfen für die Models drucken.

Schwarz hat eine klare Meinung zum Thema Tierschutz: "Es ist noch kein Lamm für einen Pelzmantel gestorben", sagt er. Mindestens 90 Prozent seiner verarbeiteten Fälle seien Schlachtabfälle. Felle würden bei ihm nur in Europa gegerbt, Nerze beziehe er nur von zertifizierten Zuchtfarmen in Dänemark und Amerika. Ein Kürschner brauche gute Haarqualität. "Und die stimmt nur, wenn die Tiere gut gehalten werden."

Schwarz bedauert, dass niemand mehr das Handwerk erlernen will – "eine traurige Entwicklung". Dass er sein Geschäft jetzt aufgibt, hat auch mit dem Nachwuchsmangel zu tun. Er selbst ist noch mit viel guter Laune dabei, steht tagsüber im Laden, nimmt Aufträge für Anfertigungen und Umänderungen an und verschwindet nach Geschäftsschluss in die Werkstatt, um bis spät in die Nacht Teile zuzuschneiden.

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Das Nähen und andere Feinarbeiten erledigen freie Mitarbeiter. Als Arbeit habe er seinen Beruf nie angesehen. "Das war immer mein Hobby." Und so möchte er auf kleiner Flamme weitermachen. Aufträge nimmt er noch bis Ende des Monats an. Vorträge in Museen und Werkstattkurse in Schulen könnte er sich vorstellen. So schnell lässt ihn das haarige Metier wohl nicht los.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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