Parteitag in Wiesbaden: Nach drei missglückten Landtagswahlen versucht sich die gebeutelte Bundespartei in Selbstmotivierung. Der ehemalige hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir konstatiert "Aufbruchstimmung".

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Geschlossen, entschlossen und optimistisch haben sich die Grünen bei ihrer Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende in Wiesbaden gezeigt. Die 96,5 Prozent Zustimmung, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Sonntag bei seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten erhielt, sind Beleg für die demonstrative Einigkeit und Zuversicht der Partei, die bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar noch besser abschneiden will als bei der Wahl im September 2021.

Damals hatten die Grünen mit 14,8 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis auf Bundesebene erreicht. In aktuellen Umfragen liegen sie bei elf bis zwölf Prozent. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Mathias Wagner, fasste die Stimmung der rund 800 Delegierten im Wiesbadener Rhein-Main-Congresscenter mit den Worten "Wir sind alle im Team Robert" zusammen. Der Landtagsabgeordnete und frühere hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, der im Februar für den Bundestag kandidieren will, konstatierte "Aufbruchstimmung" in einer zuletzt verunsicherten Partei. "Wir gehen selbstbewusst, aber nicht überheblich in den Wahlkampf." Der Parteitag in Wiesbaden sei von einem Gefühl der Befreiung geprägt gewesen, die hohe Zustimmung der Delegierten für Kanzlerkandidat Habeck komme von Herzen.

Als gutes Vorzeichen mit Blick auf die Bundestagswahl wertet der Bundesvorstand der Partei die zuletzt deutlich gestiegene Mitgliederzahl. Seit dem Bruch der Ampelkoalition in Berlin seien nicht nur mehr als 700.000 Euro an Spenden eingegangen, sondern auch rund 11.000 Parteieintritte gezählt worden, allein während des Parteitages am Wochenende seien es etwa 2000 gewesen. Damit ist die Mitgliederzahl der Grünen in Deutschland nach deren Angaben auf rund 142.000 gestiegen.

Aller Abschied ist schwer

Am Samstag wählte der Parteitag mit Franziska Brantner und Felix Banaszak ein neues Führungsduo. Zur neuen Schatzmeisterin wurde Manuela Rottmann (78,38 Prozent) gewählt. Die Zweiundfünfzigjährige war in Frankfurt von 2006 bis 2012 Stadträtin für Umwelt, Gesundheit und Frauen. Bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl im März 2023 trat sie als Kandidatin der Grünen an, scheiterte aber im ersten Wahlgang.

Die bisherigen Bundesvorsitzenden, die Baden-Württembergerin Ricarda Lang und der Frankfurter Omid Nouripour, hatten nach Stimmenverlusten der Partei bei drei Landtagswahlen Ende September ihren Rücktritt und den des gesamten Parteivorstands angekündigt. Vor der Wahl der neuen Vorsitzenden verabschiedete sich Nouripour am Freitag mit einer Rede als Vorsitzender. Dabei rief er die Partei auf, ihren voraussichtlichen Kanzlerkandidaten Habeck zu unterstützen. Außenministerin Annalena Baerbock und Habeck seien "seit Jahren das Gesicht dieser Partei", so Nouripour. "Die tragen den gesamten Laden auf ihrem Rücken, und passt mir auf die beiden auf."

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Mehrere Redner stellten sich in Wiesbaden hinter den Verteidigungskampf der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Sehr wenig Anklang fand eine Delegierte, die sagte, sie fühle sich nicht von Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder von China bedroht, sondern "von permanenter Kriegshetze im eigenen Land".  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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