Dresden - Mit Blick auf die Finanzlage stehen Sachsen nach Ansicht von Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) schwere Zeiten bevor.
"Es wird Abstriche geben müssen", sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur. Nach Lage der Dinge werde der Doppelhaushalt erst Mitte 2025 stehen. Bis dahin gilt eine vorläufige Haushaltsführung - Ausgaben darf es in dieser Zeit nur nach den engen Spielregeln der sächsischen Verfassung geben.
Alles, was Geld kostet, steht unter Vorbehalt
Im Koalitionsvertrag der geplanten Minderheitsregierung von CDU und SPD stehe alles unter Vorbehalt, was Geld koste, stellte Vorjohann klar. Wenn Sachsen bei den Ausgaben den aktuellen Status quo behalte, würden pro Jahr rund zwei Milliarden Euro fehlen. Darüberhinausgehende Wünsche seien gar nicht eingerechnet. Auch bei der schwierigen Finanzlage der Kommunen könne das Land angesichts eigener Probleme nicht wirklich helfen.
"Die eigentliche Ursache der finanziellen Probleme auf kommunaler Ebene haben nicht wir in Gang gesetzt, sondern der Bundesgesetzgeber mit immer besseren Standards in der Sozialpolitik", betonte der Minister. Wenn es gleichzeitig in der Wirtschaft eine Konjunkturdelle gebe, lasse sich das nicht mehr auskömmlich finanzieren. "Meine große Sorge ist, dass in den Kommunen nicht mehr viel investiert werden kann."
Minister: Politik darf nicht immer neue Dinge ins Schaufenster stellen
"Es kommt darauf an, dass die Politik nicht immer neue Dinge ins Schaufenster stellt", sagte Vorjohann und warb für eine Konsolidierung des bisherigen Leistungsangebotes. Er könne etwa den Unmut der Kommunen über das geplante kostenlose Vorschuljahr in Sachsen verstehen. Hierzulande seien ohnehin schon gut 95 Prozent der Kinder in einer Kindertagesstätte. Da brauche man nicht noch ein zusätzliches Angebot.
Der Minister plädiert für eine andere Prioritätensetzung: zuerst Investitionen in die Infrastruktur, dann ein weiterer Ausbau des Sozialstaates. "In Ostdeutschland ist die Infrastruktur noch halbwegs in Ordnung. Hier floss in den vergangenen drei Jahrzehnten viel Geld in die Sanierung. Das Problem existiert eher in Westdeutschland."
Schuldenbremse sollte eher noch verstärkt werden
Vorjohann zufolge hängt das nicht mit der Schuldenbremse und zusammen. "Nach Ende des Kalten Krieges kam es zu einer 'Friedensdividende'. Das Geld floss vor allem in die Sozialpolitik und hätte stärker in die Infrastruktur gehen müssen. Wir brauchen keine Aufweichung der Schuldenbremse, sondern müssen sie eigentlich sogar verstärken und uns verpflichten, ein Mindestmaß an Mitteln in die Infrastruktur zu stecken."
Vorjohann sieht vier wesentliche Quellen, wie Sachsen die bestehenden Haushaltsdefizite ausgleichen kann. Perspektivisch werde man um einen Personalabbau nicht herumkommen. Das sei auch mit Blick auf den Bedarf der freien Wirtschaft nötig. Angesichts des Fachkräftemangels müsse auch der Staat seinen Anteil am Arbeitskräftevolumen senken. Es gehe darum, die Wirtschaft zu schützen und sich nicht in gegenseitige Konkurrenz zu begeben.
Minister nennt mögliche Finanzierungsquellen für Deckungslücken
Ein weiterer Punkt sei der Generationenfonds, mit dem Sachsen für künftige Pensionsansprüche von Beamten vorsorgt. Statt rund 1,1 Milliarden Euro sollen nun jährlich 270 Millionen Euro weniger überwiesen werden, sagte Vorjohann. Zudem lasse sich die Tilgung verbliebener Kredite aus der Corona-Pandemie in nahezu gleiche Jahresscheiben aufteilen. Anstatt 460 Millionen Euro in den kommenden Jahren wären dann nur 330 Millionen Euro fällig.
Eine Absenkung der sogenannten Haushaltsausgleichsrücklage sieht Vorjohann kritisch. Momentan seien darin noch rund 1,2 Milliarden Euro enthalten. "Man darf bei der Haushaltsausgleichsrücklage nie ganz blank sein. Es kann immer passieren, dass man aufgrund bestimmter Entwicklungen im laufenden Haushalt Zusatzausgaben hat." Wenn sich gar nichts mehr in der Rücklage befinde, seien harte Einschnitte wie eine Haushaltssperre unausweichlich.
Vorjohann: Wir haben schon bisher über unsere Verhältnisse gelebt
Schon bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2023 und 2024 habe sich Sachsen aus Rücklagen bedient, sagte der Minister. Im diesjährigen Haushalt stamme eine Milliarde Euro aus Rücklagen. "Das heißt: Wir haben schon bisher eine Milliarde Euro über unsere Verhältnisse gelebt. Irgendwann sind alle Rücklagen aufgebraucht. Dann hat man keinen Puffer mehr." Wenn noch eine Konjunkturschwäche dazukomme, sei die Lage dramatisch.
Forderungen nach einer Schuldenaufnahme wies Vorjohann zurück. "Schulden lässt unsere Verfassung nicht zu. Die Früchte hängen hoch für all jene, die das ändern wollen", sagte er mit Blick auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Er halte die hohen Hürden zur Änderung der Verfassung für weise. "Schuldenmachen ist immer nur ein kurzfristiger Ausweg. Man kauft sich damit nur Zeit. Unangenehme Entscheidungen werden nur verschoben."
Die im Koalitionsvertrag enthaltenen Pläne für ein Sondervermögen ändern laut Vorjohann nichts an den Tatsachen. "Auch dafür können wir keine neuen Schulden aufnehmen. Das Sondervermögen kann sich nur aus Geldern speisen, die übrig sind. Weil nichts übrig sein wird, kann in den nächsten zwei Jahren auch nichts eingezahlt werden. Bislang steht das Sondervermögen nur auf dem Papier. Bei den vorhandenen Löchern sehe ich dafür derzeit keinen Spielraum." © Deutsche Presse-Agentur
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