Mainz/Koblenz - Norbert Schön muss kurz überlegen, wie es damals war. "Am Anfang schon dramatisch", sagt der Besitzer des Clubs "schon schön" in Mainz.

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Er meint den Beginn des ersten Corona-Lockdowns, mit dem der von ihm über Jahre aufgebaute Club seine Pforten schließen musste. Fast zwei Jahre blieb das so. Die Gesellschaft habe sie damals abgeschrieben, für nicht systemrelevant befunden. "Das macht schon was mit einem."

Fünf Jahre nach dem ersten Lockdown wird im "schon schön" längst wieder getanzt und gefeiert. Trotz aller anfänglichen Probleme damals blicken Schön und andere Clubbetreiber in Rheinland-Pfalz nicht mit Groll zurück – im Gegenteil: Sie loben Hilfen, die geflossen sind. Einig sind sie sich darin, dass Corona das Ausgehverhalten verändert hat.

"Man muss sich heute eine Menge einfallen lassen"

"Es ist massiv anders geworden", sagt Ralf Prestenbach vom Circus Maximus in Koblenz. Eine ganze Generation habe nicht das Lebensgefühl, flügge zu werden und dabei clubben zu gehen. Es fehlten vielleicht 20 Prozent der Gäste von früher. Und Besucher, die kommen, "glühen" ihm zufolge häufig zuhause vor, starten den Abend also in den eigenen vier Wänden und kommen erst später.

Gleichzeitig seien die Kosten für Mitarbeiter, Security, Energie und vieles mehr nach oben gegangen, sagt Prestenbach. "Wir überleben nur, weil wir uns breiter aufgestellt haben. Man muss sich heute eine Menge einfallen lassen." Er bietet inzwischen auch Escape Games im Keller, Kleidertausch-Partys oder Stadtrallys mit Schnäpsen an. Kneipen hätten Clubs ein Stück weit den Rang abgelaufen, böten auch laute Musik, verlangten aber oft keinen Eintritt.

Wie war das in der Pandemie?

Rückblick: Ab dem 17. März 2020 galten in Rheinland-Pfalz massive Einschränkungen für das öffentliche Leben, Bars, Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen mussten dicht machen. Am 21. März 2020 folgte die nächste Verschärfung, alle Gaststätten mussten schließen, Versammlungen von mehr als fünf Menschen wurden per Verfügung der Landesregierung untersagt.

Auch Prestenbach plagten im Lockdown Existenzängste. Gleichzeitig sei er aber mit den Schutzmaßnahmen gegen das Virus einverstanden gewesen, erinnert er sich und betont: Die Unterstützung von staatlicher Seite sei damals mehr als gut gewesen. Wer vorher vernünftig gewirtschaftet habe, habe eine realistische Chance gehabt, durch die schwierige Zeit zu kommen.

Clubbesitzer: Hilfsgelder wurden unbürokratisch ausgezahlt

"Ich habe es relativ rational gesehen", sagt Fabian Heubel vom Alten Postlager in Mainz mit Blick auf damals. Ihm sei bereits im Januar 2020 klar gewesen, dass es auf einen Lockdown hinauslaufe. Er habe damals ein Videospiel gespielt, bei dem es um die Folgen eines die Atemwege befallenden Virus gegangen sei, das Szenario sei Realität geworden. Als sein Club dicht gewesen sei, habe er es sogar aufgrund der zuvor extremen Arbeitsbelastung ein bisschen als Erleichterung empfunden.

Nach Heubels Erfahrung wurden Hilfsgelder schnell und unbürokratisch ausgezahlt. Dass unter bestimmten Umständen Hilfen später zurückgezahlt werden müssen, sei klar kommuniziert worden, da könne er spätere Klagen nicht verstehen. "Ich würde nicht sagen, dass da irgendjemand im Stich gelassen wurde", sagt Heubel.

Aus Bar wurde Pizzeria

Er habe seinerzeit einen Sonderkredit aufgenommen, den er noch abzahlen müsse, aber das sei nun mal so. Eine Bar, die er damals parallel zum Club betrieb, funktionierte Heubel mit seinem damaligen Geschäftspartner kurzerhand in eine Pizzeria um, entlassen musste er keine Mitarbeiter. Nichtsdestotrotz hatte der studierte Archäologe mal den Gedanken, etwas ganz anderes zu machen - letztlich entschied er sich dagegen.

Mit dem Neustart Mitte 2022 sei sofort bemerkbar gewesen, dass sich was verändert habe, sagt Heubel. Vorher seien die Freitag- und Samstagabende fast gleich stark vom Geschäft her gewesen, heute falle der Freitag deutlich ab. Die Menschen seien eine ganze Weile viel zuhause gewesen. "Einige haben Gefallen daran gefunden."

Mehr Wertschätzung von einstigen Kritikern

Norbert Schön in Mainz betreibt direkt neben dem Club ein Café und ein Restaurant. Die konnten in der Pandemie früher wieder öffnen, so kam Geld in die Kasse. Außerdem startete er eine Kampagne auf YouTube, fand zahlreiche Unterstützer. Mit einiger Anlaufzeit habe es auch viel staatliche Unterstützung gegeben. Zurückzahlen musste Schön später nichts. In einer gewissen Bittsteller-Rolle gewesen zu sein, sei dennoch unangenehm gewesen. Eine Aufarbeitung politischer Maßnahmen in der Pandemie wünscht er sich.

Nach seiner Erfahrung gehen junge Menschen heute nicht mehr so oft aus wie früher. Aber wenn sie unterwegs seien, gäben sie mehr aus, sagt Schön – trotz Inflation. Drumherum spürt er nach der Pandemie mehr Wohlwollen, auch von Menschen, die Clubs vorher kritisch gesehen hätten. "Man hat bei Corona gemerkt, was passiert, wenn keine Clubs offen sind und die Leute am Rhein oder auf Plätzen sind. Betreutes Feiern hat schon seinen Zweck für eine Stadt."

Auch die zu Pandemie-Zeiten erweiterten Flächen für die Außengastronomie hätte viele Menschen positiv aufgenommen, das habe Städte belebt, sagt Schön. "Die Wertschätzung ist gestiegen." Dafür werde es immer schwieriger, Personal zu finden – in der Gastronomie noch mehr als für Clubs. "Das ist dramatisch. Viele haben sich in der Pandemie umorientiert und jetzt andere Jobs." Er selbst hat die Pandemie weit hinter sich gelassen und sagt: "Jede Krise ist auch eine Chance, in der Gastronomie musst du krisenresilient sein."  © Deutsche Presse-Agentur

Gastronomie
Für die Clubs war die Zeit der Corona-Lockdowns so gar nicht leicht. Betreibern zufolge hat die Pandemie das Ausgehverhalten verändert. (Symbolbild) © dpa / Kira Hofmann/dpa-Zentralbild/dpa
Künstler in der Krise - Kultuclub "schon schön"
So sah es im Juni 2020 aus: Norbert Schön sitzt in seinem geschlossenen Club. (Archivbild) © dpa / Christian Schultz/dpa