Die Zahl der Kölner Kinder, die ohne ausreichende Sprachkenntnisse eingeschult werden, steigt stetig.

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Bei der Schuleingangsuntersuchung wurde in diesem Jahr mit 4622 Kindern bei knapp der Hälfte der Erstklässler ein auffälliger Befund bei der Sprachentwicklung diagnostiziert. Davon wiederum wurde die Hälfte als behandlungsbedürftig eingestuft. Das innerhalb der wenigen Monate bis zum Schulstart aufzuholen, ist schlicht unmöglich.

Dabei beginnt das Problem viel früher: Die schlechten Deutschkenntnisse bei Schuleintritt liegen auch darin begründet, dass immer weniger Kinder mit Migrationshintergrund eine Kita besuchen. In Nordrhein-Westfalen sank der Anteil bei den Drei- bis Sechsjährigen in den vergangenen zehn Jahren von 87 auf 69 Prozent. Das heißt: Knapp ein Drittel hat in NRW im Jahr vor der Einschulung keine Kita besucht.

Um auch bei den Kindern, die keine Kita besuchen, den Sprachstand festzustellen, gibt es für diese in Nordrhein-Westfalen einen verpflichtenden Test, zu dem die Eltern mit ihren Kindern eingeladen werden. Der sogenannte Delfin-4-Test ist für alle Kölner Vierjährigen obligatorisch, die keine Kita besuchen. Ebenso wie die anschließenden Sprach-Förderkurse, wenn Defizite ermittelt werden. Wenn der Test versäumt wird, sollen für die Eltern saftige Bußgelder fällig werden.

Soweit die Theorie. Wie eine kleine Anfrage der FDP jetzt im Kölner Schulausschuss zutage beförderte, gingen allein im vergangenen Jahr 1119 Kölner Vierjährige nicht in den Kindergarten. Von diesen traten allerdings 890 – also 80 Prozent – erst gar nicht zu dem gesetzlich obligatorischen Test an. Und das ohne Konsequenzen.

FDP fordert die Verwaltung zum Handeln auf

Dass eine so hohe Zahl an Verfahren nicht abgeschlossen werden konnte, liege fast ausschließlich an der fehlenden Mitwirkung der Eltern, ließ die Verwaltung im Schulausschuss wissen. Sie hätten sich auf mehrfache Post der Stadt nicht zurückgemeldet. In der Konsequenz heißt das, dass am Ende von 1119 Kindern nur 23 an Sprachförderkursen teilgenommen haben. "Das kann man nicht nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen, dass so viele Eltern ihrer Aufforderung nicht nachkommen", kritisierte die schulpolitische Sprecherin der FDP, Stefanie Ruffen. Sie forderte von der Verwaltung Konzepte, hier zum Wohle der Kinder gegenzusteuern. Zumal nicht sichergestellt ist, ob alle Eltern auch sprachlich in der Lage sind, die Aufforderung zu verstehen.

Die Konsequenzen daraus fallen der Stadt Köln derzeit jedes Jahr auf die Füße: Dadurch, dass immer mehr Kinder ohne die entsprechenden sprachlichen und motorischen Fähigkeiten eingeschult werden, steigt nämlich die Zahl der Kinder, die die erste Klasse wiederholen, seit mehreren Jahren in Folge deutlich an. So beträgt in Köln die Quote inzwischen 8,5 Prozent. Das entspricht fast einer Verdopplung innerhalb von zwei Jahren.

In einigen Schulen in sozialen Brennpunkten lag die Quote sogar bei 20 Prozent. Hauptursache sind mangelnde Deutschkenntnisse. Nach Auskunft von besonders von dem Phänomen betroffenen Grundschulen hat ein großer Teil dieser Kinder keine Kita besucht.

Angesichts der Schulplatznot an den Grundschulen stellt das die Stadt vor große Probleme, da diese Zahl Plätze für Erstklässler nicht frei werden. So mussten allein zu Beginn dieses Schuljahres 19 Mehrklassen an Grundschulen eingerichtet werden, um überhaupt alle Erstklässler beschulen zu können. Ruffen fordert von der Stadt ein Konzept, wie die Eltern besser erreicht werden können. Angesichts von fast der Hälfte der Erstklässler, die in der Sprachentwicklung verzögert sind, reicht der Test in der herkömmlichen Form ihrer Ansicht nach aber nicht mehr aus. "Wir brauchen den Delfin-4-Test wieder für alle Vierjährigen in den Kitas – nicht nur für die Kinder, die keine Kita besuchen", fordert Ruffen.

Debatte über eine Kita-Pflicht

Noch bis 2014 war das so: In allen Kitas wurde bei den Vierjährigen mit einem standardisierten Verfahren der Sprachstand ermittelt. Dann wurde der Test in den Kitas abgeschafft. Das Sprechvermögen der Kinder sollte nicht mehr extern durch den einmaligen Test festgestellt werden, sondern durchgehend durch die Erzieherinnen und Erzieher beobachtet und dokumentiert werden. Angesichts des akuten Fachkräftemangels und dem Fokus darauf, überhaupt die Betreuungszeiten sicherzustellen, ist das zunehmend Wunschdenken. Trotzdem ist klar: Selbst eine mit Fachkräften unterbesetzte Kita ist besser als keine Kita.

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Je bildungsferner eine Familie ist, desto geringer ist die Kita-Quote, bestätigt Wido Geis-Thöne, Experte für Migration und Familie am Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Dass Migrantenkinder den Weg in die Kitas nicht finden, hat für ihn mehrere Gründe. Zunächst lebten dort mehr Familien das traditionelle Rollenmodell. "Die Frau ist zuhause und damit entfällt die Notwendigkeit von Kita zur Vereinbarung von Familie und Beruf". Hinzu kämen aber Sprachbarrieren und bürokratische Hürden. Gerade bildungsferne Familien scheiterten sprachlich schon an der Anmeldung, weiß er. Christiane Hartmann, Schulleiterin der James-Krüss-Grundschule in Ostheim, mit weit über 90 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund, bestätigt das: "Die meisten Eltern wüssten, dass ein Kita-Besuch bedeutsam ist. Sie haben Interesse und versuchen es in dem digitalen Anmeldeportal der Stadt. Dann stoßen sie oft auf Schwierigkeiten und geben auf." Ohne Begleitung sei das zu für viele nicht leistbar. Außerdem müsse der Kita-Platz nah sein - gerade weil oft die Belange mehrerer Kinder unter einen Hut zu bringen seien. "Wenn der angebotene Kitaplatz nicht in Ostheim, sondern in Porz liegt, dann nehmen sie ihn wegen der Entfernung nicht." Nah und einfach zugänglich, das sind für sie die Schlüsselworte.

Dass so viele Eltern von Nicht-Kita-Kindern auf die schriftliche Aufforderung der Stadt zum Sprachtest nicht reagieren, überrascht Hartmann nicht. Zumal sehr viele allein sprachlich überfordert seien. "Wenn ich als Stadt diese über 1000 Familien erreichen will und wirklich ein Interesse daran habe, dann muss ich zu denen hin. Ich muss sie mit aufsuchender Elternarbeit erreichen – etwa nach dem Beispiel der Mülheimer Stadtteilmütter, die man auch in anderen Stadtteilen einführen könnte." Auch Geis-Thöne vom IW betont, dass Briefe verschicken nicht reicht. "Wenn ich gesetzlich verpflichtende Sprachtests festlege, dann bin ich als Stadt auch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die durchgeführt werden." Er plädiert dafür, das Jugendamt einzusetzen, das Hausbesuche macht.

Darüber hinaus entbrennt angesichts der geringen Kita-Quote und der Sprachdefizite bei der Einschulung wieder die Debatte über die Einführung der Kitapflicht. Schulleiterin Hartmann, deren Grundschule in der höchsten Sozialindexstufe neun eingestuft ist, plädiert für ein oder besser zwei verpflichtende Kita-Jahre für alle Kinder. Dort müsse die verbindliche Sprachförderung ansetzen. Noch lieber wäre ihre ein an die Grundschule angedocktes Vorschuljahr als Klasse 0. IW-Experte Geis-Thöne empfiehlt Hamburg als "spannendes und sehr erfolgreiches Vorbild". Dort gibt es die Möglichkeit, dass Kinder innerhalb einer Grundschule eine separate Vorschule besuchen können. Bei Kindern, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, kann dort eine Vorschulpflicht ausgesprochen werden. "Wir wissen, was wichtig wäre und was wirkt", sagt Hartmann. "Da kann man nicht sagen, das geht aus finanziellen Gründen jetzt nicht." Die Studie der Bertelsmann-Stiftung zu den Folgekosten unzureichender Bildung habe belegt, dass jeder in Bildung investierte Euro volkswirtschaftlich fünffach zurückkomme.   © Kölner Stadt-Anzeiger

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