Seit der Explosion vor mehr als drei Jahren ist das Vertrauen in den Betrieb von Currentas Entsorgungszentrum in Bürrig angekratzt.
Anwohner beobachten genau, was in ihrer Nachbarschaft geschieht. Und sind bei Unregelmäßigkeiten alarmiert. Die gibt es immer wieder mal.
Ein Dauerproblem ist nach Beobachtung von Benjamin Roth der Gestank. Immer wieder ziehen unangenehme Gerüche über Bürrig, und Roth wird den Verdacht nicht los, dass die Ursache auf dem Gelände der Sondermüllverbrennung zu suchen ist. Das zu ermitteln wäre – das weiß Roth nach zahlreichen Demarchen bei Currenta und den Behörden – Sache der Kölner Bezirksregierung.
Das ist die Behörde, der die Aufsicht über die Anlage obliegt, in der nicht nur gefährlicher Chemiemüll, sondern auch Klärschlamm verbrannt wird. Außerdem liegt auf dem weitläufigen Gelände neben der Sondermülldeponie das Klärwerk, in dem neben dem schwierigen Abwasser aus dem Chempark auch das von rund 300.000 Haushalten in Leverkusen und der rechtsrheinischen Umgebung behandelt wird. Seit Jahrzehnten ist das eine Anlage, die früher Bayer, heute Currenta, mit dem Wupperverband gemeinsam betreibt. Inzwischen allerdings verfolgt man im Verband einen Ausstiegsplan und will ein eigenes Klärwerk in Bürrig bauen.
Die Aufsicht gibt Antworten, die keine sind
Was den Gestank angeht, ist für Roth wie für viele andere Anwohner am wahrscheinlichsten, dass er entweder von Currentas Klärschlammverbrennung oder vom gemeinschaftlichen Klärwerk herrührt. Der Sache auf den Grund gehen müsste die Bezirksregierung. Nur: Das tut sie offenbar nicht. So jedenfalls versteht Roth die Antworten aus Köln, die in Wahrheit keine Antworten sind.
Inzwischen ist er an der Behörde verzweifelt. Aber auch beim übergeordneten Ministerium ist Roth nicht weitergekommen. Das zeigt sein Schriftverkehr, der dem "Leverkusener Anzeiger" vorliegt. Vor ein paar Wochen beschied ihn jedoch Michael Rottschäfer aus dem Referat für Abwasserbeseitigung im Landesministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, er möge doch seine Fragen "präzise formulieren und der Bezirksregierung Köln übersenden, damit eine Zuordnung zum Aufgaben- bzw. Fachbereich möglich ist. Sie werden dann von der für Ihre konkrete Anfrage zuständigen Stelle weitere Informationen erhalten".
Beschwerde geht an den Umweltminister
Weil genau das bisher nicht geschah, greift Roth nun zum letzten Mittel: Er hat bei Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Sie richtet sich gegen die Bezirksregierung, weil sie ihrer Aufsichtspflicht gegenüber Currenta nicht nachkommt, findet Roth. Im Fokus der Beschwerde steht das Dezernat 53, das sich mit Immissions- und anlagenbezogenem Umweltschutz befasst, und dessen Leiter Horst Büther. Der hat sich seit der Katastrophe vom 21. Juli 2021 immer wieder auch öffentlich zu der Anlage in Bürrig geäußert.
Auf die Fragen von Benjamin Roth hat Büther indes keine befriedigenden Antworten gegeben. "Wieso schafft es die Bezirksregierung Köln nicht, sich Kenntnis über ein Problem zu verschaffen, welches fast zwei Jahre und darüber hinaus in Bürrig vorliegt", fragt Roth nun den Minister. Currenta habe schließlich im Herbst 2022 eingeräumt, dass der Gestank aus dem Entsorgungszentrum kommt.
Die Ermittlungsarbeit der Bezirksregierung hat sich nach Roths Erkenntnissen in Grenzen gehalten. Nach eigener Auskunft hat es nur am 4. Oktober 2023 eine Begehung des Entsorgungszentrums gegeben. Dabei seien "Gerüche unterschiedlicher Art festgestellt" worden. Und weil "auch die Aussagen der Befragten verschieden waren, lässt sich nach wie vor kein eindeutiger Verursacher identifizieren", zitiert Roth aus einer Antwort der Bezirksregierung auf eine Anfrage. Darin stand auch: "Über die Ergebnisse der Prüfung werden wir Sie unaufgefordert informieren." Nur: "Die Prüfergebnisse habe ich nie erhalten", sagt Roth.
Die Behörden spielen Pingpong
Was ihn besonders erbost: Die Bezirksregierung habe in Sachen Gerüche immer wieder auf die Stadtverwaltung Leverkusen verwiesen. Die ist aber gar nicht zuständig, weil die Aufsicht über Currentas Anlagen in Bürrig nun mal in Köln liegt. Das Hin- und Herschieben von Verantwortlichkeiten sei der Aufklärung wahrlich nicht dienlich.
Dieses Gebaren findet der Anwohner zudem überaus bedenklich, weil die Bezirksregierung ja nicht nur den Betrieb der Leverkusener Störfallanlagen überwachen muss, sondern Veränderungen und Inbetriebnahmen auch genehmigt. Und das war nach der Explosion, bei der sieben Personen ums Leben kamen und 31 verletzt wurden, häufiger erforderlich.
Der Umgang der Bezirksregierung mit dem Geruchsproblem aber, so Roth, "zeigt mehr als deutlich, dass sie ihren Überwachungspflichten nicht nachkommt". Das sei höchst bedenklich: "Es geht um akute Fragen zu einer der gefährlichsten Anlagen in Europa." © Kölner Stadt-Anzeiger
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