"In Deutschland leben 23 Millionen Singles", behauptet Netflix in der ersten Folge der brandneuen Staffel "Love is Blind Germany".
Wie im äußerst erfolgreichen amerikanischen Vorbild und nach internationalen Spin-Offs unter anderem aus Japan, Schweden, Argentinien und den Vereinten Arabischen Emiraten, suchen diesmal in Berlin 15 Deutsche einen Partner oder eine Partnerin. Der Twist: Die Entscheidung, ob sie sich verloben wollen oder nicht, muss gefällt werden, ohne dass sie sich vorher je gesehen haben.
Mit dabei sind drei Singles aus Köln: Marcel (36), Hanni (28) und Shila (36). Die restlichen Teilnehmenden, alle zwischen 25 und 36 Jahren, kommen aus ganz Deutschland, von Berlin bis Eglharting.
Love is Blind Germany startet mit drei Teilnehmenden aus Köln
Die "Pods", also die Doppelkabinen, in denen die Singles von einer Wand getrennt miteinander sprechen können, stehen übrigens nicht in Deutschland. Für den ersten Teil der Show – Netflix wird nicht müde, es ein "Experiment" zu nennen – wurden die Teilnehmenden nach Stockholm geflogen. Für die, dich sich hier verloben, geht es danach weiter in die antichronologischen Flitterwochen nach Kreta. Danach folgt eine Phase des "Alltags", bei der die Paare zusammen in Netflix-gesponsorten Wohnungen in Berlin wohnen (das muss diese Wohnungsmarktkrise sein) und ihre Hochzeit planen.
Ganz entsprechend jedem wissenschaftlichen Standard, kann ein Experiment nur von Solchen durchgeführt werden, die es selbst schon erfolgreich durchlaufen haben. Deswegen betonen Nick und Vanessa Lachey im US-Original der Serie immer wieder, wie glücklich sie verheiratet sind und deswegen hat Netflix auch in Deutschland das vorbildlichste aller Ehepaare im Showbusiness engagiert, um die Show zu moderieren:
LiB Germany: Hannis Verlobung ist die erste der neuen Staffel
Kölnerin Hanni, Immobilienmaklerin (Wie würde ein Selling Sunset Spin-off aus Köln heißen? Marienburg Mansions?) und 28 Jahre alt, wird direkt als Protagonistin der ersten Folge etabliert. Die selbsternannte "Quatschtante", die nach eigener Aussage keine männlichen Freunde hat, ist hier, um einen Ehemann zu finden. "Oder zwei" – nein, nicht wirklich.
Zwei Männer findet Hanni durch die Wand aber tatsächlich interessant: den 26 Frankfurter Daniel und den 27-jährigen Ilias aus Ascheberg. Letzterer ist auch Immobilienmakler, ersterer kommentiert Hannis Beruf in den ersten Sätzen als "Red Flag".
Wieso sie bei der Reality-Show mitmacht? Männer könnten von ihrem Aussehen abgelenkt werden, oder ihr einen Stempel aufdrücken "den ich gar nicht haben möchte", befürchtet Hanni und schüttelt die blonden, langen Haare aus dem Dekolleté. Später im Gespräch mit Daniel gibt sie aber auch zu, dass Äußerlichkeiten ihr sehr wichtig seien.
Wichtiger noch als das sei ihr aber Humor, betont Hanni in der ersten Folge mehrfach und in der Tat scheint sie mit beiden Männern eine gute Zeit zu verbringen. Die Dates mit Daniel, so zumindest schneidet es Netflix zusammen, werden schnell tiefer: Es geht um die Scheidung der Eltern, vergangene Beziehungen und darum, dass Hanni noch zu niemandem "Ich liebe dich" gesagt hat. Machen wir uns hier ein imaginäres Eselsohr für später.
Konsequenterweise beendet die Kölnerin also noch in der ersten Folge ihre Dates mit Ilias und beantwortet Daniels Frage, ob sie seine Frau werden will, mit "Ja, ich kann nicht mehr". "Ehrlich?", "Ja!", "Damn." Bei der ersten Verlobung der Staffel fließt keine Träne, es wird viel gelacht.
Die Folge endet in dem Moment, an dem die Milchglastüren zwischen Daniel und Hanni sich das erste Mal öffnen – irgendjemand in der Produktion muss eine nostalgische Verbindung zu den Cliffhangern der wöchentlichen TV-Formate haben. Erfahrene Binge-Watcher lächeln darüber höchstens müde und tippen beiläufig auf den "Nächste Folge"-Button.
Kennenlernen, erster Kuss und der Ring sitzt wenige Sekunden später auch am Finger. "Ich hab keinen Lippenstift mehr, weil Daniel hat mir den weggefressen" – vermutlich heißt das, das erste Treffen war ein Erfolg. Praktisch, wenn man verlobt ist.
LiB Germany: Kölner Marcel spricht über schwierige Kindheit
Der Kölner Marcel, Marketingmanager in Ausbildung zum Trauma Coach, hat seine Freundinnen nach seinen Charaktereigenschaften gefragt und würde sich selbst als sehr moralischen Menschen bezeichnen. Abgesehen davon, dass er vegan esse und "bewusst" etwa Mode konsumiere, leitet er nach eigener Aussage einen gemeinnützigen Verein und kocht einmal die Woche für Obdachlose.
Am Ende der zweiten Folge ist er mit Jen verlobt, einer 31-jährigen Berlinerin. Kein Liebesdreieck, keine Unsicherheit – die beiden treffen sich, reden über ihre Sternzeichen und es scheint alles gut zu klappen. Marcel erzählt Jen von seiner Kindheit als Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Und davon, dass das Jugendamt eingreifen musste, um ihn und seinen Bruder vor Vernachlässigung zu schützen. Seine Mutter sei dann ins Gefängnis gekommen, er selbst in Pflegefamilien aufgewachsen. "Ja, das war schon krass", sagt Marcel.
Inzwischen meditiere er jeden Tag und suche ein "Zuhause-Gefühl". Passt perfekt zu Jen, die gerne auch einfach mal Stille genießen will, mit ihrem Partner. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und Schweigen durch eine Wand ist ein Ring mit (hoffentlich nachhaltigem) Diamant: Marcel stellt die Frage, Jen sagt ja, das erste Treffen in Folge drei ist ein bisschen verlegen und sehr aufgeregt. "Ist auf jeden Fall eine krasse Frau", sagt Marcel über seine Verlobte, bevor er ihr den Ring ansteckt.
Trotzdem: Jen ist plötzlich von den Stillen zwischen "Es ist so krass"-Versicherungen verunsichert und subsumiert: "Also eine Herausforderung wird sein, wenn er nicht mehr mit mir redet! Weil genau die Kommunikation ist ja das, worüber wir uns so verbunden haben." Das könnte noch zum Problem werden, denn Marcel fand, er hatte mit Jen eigentlich "super angenehme Silence" in den Pods.
LiB Germany: Shila aus Köln ist zweite Immobilienmaklerin aus Köln in der Show
Shila, 34, ebenfalls Immobilienmaklerin aus Köln, ist seit fast einem Jahrzehnt single: "Und jetzt kommt der Ehemann". Schnell wird klar, wer ihr Favorit unter den Teilnehmern ist: der ein Jahr jüngere Tolga, ein Versicherungsvertreter aus Kehl in Baden-Württemberg. Der aber kann sich fast drei Folgen lang nicht richtig entscheiden zwischen ihr und einer anderen Frau, Hannah.
Er bemüht sich um beide, schwärmt mit Hannah über Harry Potter (auch hier ein imaginäres Eselsohr, bitte), dann schickt er Shila einen Cupcake mit Geburtstagskerze, nachdem die von einem enttäuschenden und vor allem kuchenlosen Geburtstag in einer früheren Beziehung berichtet hatte.
Die Kölnerin erinnert Tolga und die Zuschauenden schließlich energisch daran, dass sie keineswegs Teilnehmerin beim "Bachelor" ist, und es nicht an Tolga alleine liegt, ob er die Pods verlobt verlassen wird, oder nicht. Sie habe dazu auch eine Entscheidung zu treffen.
Tolga schließlich erklärt in einem geradezu anrührenden Sitzkreis aller männlichen Teilnehmer, dass Shila seine wahre Nummer eins sei und er ihr den Antrag machen will. Es fehlt eigentlich nur das Lagerfeuer und die Marshmallows, oder die Pyjamas und Puschelpantoffeln. Bevor er zum Antrag aufbricht, wird er von Sprechchören angefeuert.
Vorher beendet er aber noch seine Pod-Beziehung mit Hannah – sein Vorschlag, nach der Show doch mal einen gemeinsamen Harry-Potter-Abend zu machen, trifft dann nicht auf viel Gegenliebe. Jedenfalls antwortet Shila auf Tolgas Frage "Willst du meine Frau werden und mit mir durchbrennen?" mit Ja und hält ihm beim ersten Treffen sogar die richtige Hand hin. Der Versicherungsvertreter erklärt ihr vorher nämlich, dass er gar nicht weiß, an welchen Finger der Ring überhaupt gehört.
Shilas Fazit: "Er ist definitiv mein Typ." Tolgas Fazit: "Shila jetzt zu sehen ist ein komisches Gefühl, weil sie eigentlich eine fremde Frau ist, die ich vorher noch nie gesehen hab. Ich hab tausende Gefühle in meinem Bauch und bin extrem gespannt und aufgeregt, wies weiter geht."
Fünf Paare verloben sich in der ersten Staffel Love is Blind Germany
Für Köln ist die Love-is-Blind-Bilanz nach dem ersten Teil der Staffel also drei von drei. Hanni und Daniel, Marcel und Jen und Shila und Tolga starten verlobt von Stockholm nach Griechenland. Das Drama scheint zunächst noch bei anderen Pärchen zu liegen. Aber LiB-Fans wissen, dass man sich da nie zu früh sicher sein kann.
Für jedes Paar, dass sich in den US-amerikanischen Staffeln verlobt hat und heute noch verheiratet ist, haben sich zwei Paare getrennt oder sogar geschieden. Ist Liebe also wirklich blind? Vielleicht ist es eins von diesen Experimenten, wo man einfach immer weiter testet, bis das Ergebnis das gewünschte ist. Oder es ist einfach eine Marketingstrategie, um eine Reality-Show von unzähligen anderen abzuheben.
Fünf Paare machen sich also auf den Weg nach Griechenland. Ein Für-Immer-Versprechen schaffte es nicht über die Pods-Phase hinaus: Für Sally aus Berlin war Medina ebenfalls aus Berlin wohl doch zu sehr ein Fremder, als sie ihn das erste Mal sah. Sie verließ nach dem ersten Treffen das Set. Am Ende der vierten Folge teast Netflix mit einer guten halben Sunde die sonnengetränkten Aufnahmen am Mittelmeer an.
Viel Handlung passt in diese 30 Minuten nicht, aber wir lernen die Paare etwas besser kennen. Tolga zum Beispiel, der bis vor kurzem auf seinem Instagram-Account mit brennender Rose posierte, findet die Handtuch-Schwäne im Hotel zu kitschig. Hanni hört zum Einschlafen gerne Bibi-und-Tina-Hörspiele.
Am Ende des ersten Tages in Griechenland treffen die Paare untereinander das erste Mal aufeinander. Das heißt, Hanni sieht das erste Mal Ilias (der inzwischen mit Alina verlobt ist) und während Shila von Tolgas Augen schwärmt, antwortet er wenige Meter entfernt auf eine Frage von den andern Männern, ob er sich wohlfühlt, mit Nein. Er kriege nicht richtig Luft und sei nicht glücklich, sagt Shilas Verlobter. Hilft natürlich nicht, dass Hanni dann Tolgas zweite Wahl, Hannah, in allerhöchsten Tönen lobt.
Was wäre eine Love is Blind Staffel ohne Drama beim ersten Treffen der Paare. Es kommt am Ende des ersten Teils also alles, wie es kommen muss und Hanni sitzt mit Ilias zusammen, während die eigentlichen Partner Daniel und Alina betreten ein Stück weiter zuschauen. Und hier folgt, natürlich, der Cliffhanger. Diesmal gibts aber keinen Button für die nächste Folge, die kommen nämlich erst kommende Woche am Freitag. © Kölner Stadt-Anzeiger
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