Alhassane Barry kam auch wegen der Arbeit aus Guinea nach Deutschland. Man könnte ihn als Wirtschaftsflüchtling bezeichnen. Viele Menschen in Deutschland sind der Ansicht, er hätte eigentlich nie kommen dürfen.

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Alhassane Barry arbeitet viel in Deutschland. Er hat eine Lehre zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik gemacht, das hat ihm nicht gereicht. Er macht daher gerade noch eine Techniker-Ausbildung. Für vier Jahre heißt das viermal pro Woche: Schule nach dem Full-Time-Job. Er sagt: "Je mehr Du kannst, desto mehr wirst Du gebraucht. Ich will etwas können – und ich will gebraucht werden. Dafür arbeite ich viel." Für jedes Jahr setze er sich ein Ziel, das er erreichen wolle. "Ich glaube, es gibt immer eine Lösung, um das dann zu schaffen." Man könnte Alhassane Barry als vorbildlichen Flüchtling bezeichnen. Viele Menschen in Deutschland sind der Ansicht, Leute wie ihn bräuchte es viel mehr.

Wenn man Alhassane Barry nach einem entscheidenden Moment in seinem Leben fragt, fallen ihm drei ein: "Der Moment, als ich mich entschieden habe, Guinea zu verlassen, der Moment, als ich meinen ersten Ausbildungsvertrag bekam, und der Moment, als ich eine Studentin getroffen habe, Elisa, die mir über mehr als fünf Jahre geholfen hat – bei Behördengängen, Bewerbungen, bei allem Möglichen."

Arbeit ist das Wichtigste, um anzukommen in einem Land

Alhassane Barry, Geflüchteter aus Guinea

Und wenn es nur ein Moment wäre? "Dann wäre es der Ausbildungsvertrag. Ohne Arbeit wäre das ja nicht möglich gewesen." Arbeit, sagt der 30-Jährige, "ist das Wichtigste, um anzukommen in einem Land". Als er den Ausbildungsvertrag in den Händen gehalten habe, "da wusste ich, dass ich es geschafft habe. Dass ich in Deutschland bleiben kann. Dass mein Leben hier eine Perspektive hat". Dafür, wird er bei dem Gespräch mehrfach wiederholen, "bin ich sehr dankbar".

Alhassane Barry sitzt im Wohnzimmer von Helmut Röscheisen, der in Köln als streitlustiger Vorstand des BUND bekannt ist. Röscheisens Kumpel Lothar Schneider, Experte für Erneuerbare Energien, ist ein Mentor von Alhassane Barry. Der Mann aus Guinea hat ihm geholfen, Solaranlagen zu installieren. Wie Röscheisen ist Schneider begeistert von den Fähigkeiten Barrys – von dessen Willen, zu lernen, sich einzubringen, zu arbeiten. "Eigentlich", sagt Röscheisen, "müssten viel mehr Geschichten erzählt werden wie seine."

Erst war Alhassane Barry nur geduldet, gerade beantragt der die Staatsbürgerschaft

Alhassane Barry verließ Conakry, die Hauptstadt Guineas, im Dezember 2012, "weil meine Heimat wirtschaftlich und politisch instabil war". Deutschland, sagt er, habe für Innovation und Wirtschaftsstärke gestanden. "Deutschland gab mir die Hoffnung auf eine sichere Zukunft." Sicher, ob er hier dauerhaft ankommt, sei er dann lange Zeit ganz und gar nicht gewesen.

Mehr als sieben Jahre lebte er nur geduldet in Deutschland. Einen festen Aufenthalt bekam er erst, als er 2019 seine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik erfolgreich abgeschlossen hatte und eine feste Stelle antrat. "Davor hatte ich immer Angst, abgeschoben zu werden", sagt er. "Aber es war mir immer klar, wie ich das verhindern kann: Indem ich lerne, mir Fähigkeiten aneigne, arbeite – und deswegen gebraucht werde."

Ausführlich spricht Barry über sein "Glück, dass ich am 25. Dezember 2012 ausgerechnet in Köln gelandet bin". In Köln habe er viel Herzlichkeit und Hilfe erfahren. Er traf die Studentin Elisa, die ihm über mehr als fünf Jahre immer wieder mit der deutschen Bürokratie half. "Ohne sie und viele andere freundliche Menschen hätte ich es nicht geschafft", sagt er. "Ich möchte der Stadt Köln und seinen Bewohnern meinen tiefen Dank aussprechen. Köln hat mir nicht nur berufliche Chancen, sondern eine neue Heimat gegeben."

Mentorenprogramm können Integration von Fachkräften vorantreiben

Schwierig sei in den ersten Jahren vor allem die Sprache gewesen. Er habe Kurse besucht, "aber ich musste in der Ausbildung wissen, was eine Spitzzange ist oder ein Presslufthammer" – seine Kollegen im Betrieb hätten viel Geduld mit ihm haben müssen. Er lacht. "Nach und nach wurde es besser", sagt er. "Aber ich hatte auch großes Glück, dass ich Mentoren wie Lothar Schneider hatte." Mentorenprogramme, glaubt Barry, "könnten die Integration von Fachkräften enorm vorantreiben."

Alhassane Barry begreift das Leben als Folge von Aufgaben und Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Er sieht nicht etwaige Erfahrungen von Vorurteilen, die er auch erfahren hat – er sieht die Menschen, die ihm wohlgesonnen waren und geholfen haben. Er beschwert sich nicht über bürokratische Hürden oder vermeintliche Benachteiligungen – er freut sich, es trotzdem geschafft zu haben. "Negativ zu sein, hilft niemandem weiter", sagt er. Selbst, wenn er auf die AfD angesprochen wird, bleibt er bei dieser Haltung. "Die AfD vertritt eine spezifische Position zu Migration und Integration, diese Positionen sind Teil der Demokratie", sagt er diplomatischer als ein Diplomat. "Es gibt in jeder Partei intelligente und engagierte Menschen, und ich denke, dass die AfD die Wichtigkeit von gut ausgebildeten Fachkräften anerkennen kann."

Alhassane Barry gehört zu diesen Menschen, die entscheidend zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes beitragen. Er arbeitet mit Führungsverantwortung für das Kölner Bauunternehmen Apleona Wolfferts. Er nimmt Belüftungsanlagen in Betrieb, kennt sich mit Solaranlagen aus und mit Energieeffizienz in Gebäuden. Er arbeitet in dem vielleicht wichtigsten Zukunftsfeld überhaupt – der Dekarbonisierung der Wirtschaft.

Kölner Handwerker mit Migrationsgeschichte spricht heute vier Sprachen

Weil er vier Sprachen spricht – Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch – überlegt er, eines Tages einen Interessenverband für Handwerker mit Migrationsgeschichte zu gründen. "Weil ich weiß, wie schwierig es ist, es als Flüchtling ohne Sprachkenntnisse zu schaffen und ich auf jeden Fall etwas zurückgeben möchte", sagt er. Barry selbst beantragt gerade die deutsche Staatsbürgerschaft. "Darauf freue ich mich sehr", sagt er.

Es tue ihm weh, in den Medien so oft über kriminelle Migranten zu lesen – die Anschläge von Solingen oder Mannheim, die Tatsache, dass Ausländer im Schnitt mehr Straftaten begehen. "Ich habe in der Flüchtlingsunterkunft in der Kyffhäuser Straße selbst erlebt, wie es ist, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen jahrelang nur rumhängen, nicht arbeiten dürfen und keine Perspektive haben", sagt er. "Das ist nicht gut."

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Alhassane Barry ist ein zurückhaltender Typ. Er wollte seine Geschichte nicht unbedingt öffentlich erzählen, seine Mentoren haben ihn darum gebeten. "Und dann habe ich gedacht: Ich will auch, dass es mehr gute Nachrichten über Flüchtlinge gibt – ich kann mit meiner Geschichte vielleicht ein paar Menschen ermutigen", sagt er. "Ohne Leute, die mich selbst ermutigt haben, hätte ich es vielleicht auch nicht geschafft."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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