Steile These: Ein Abend, der mit einer Gold-Konfettikanone, Jubelstürmen und einem Song der Münchner Freiheit beginnt, hat das Potenzial, schön zu werden.

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Vielleicht sehr schön. Vielleicht sogar traumhaft – und das passte dann perfekt zum aktuellen Sessionsmotto "FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe". Die Lucky Kids und der Jugendchor St. Stephan eröffneten die Prinzenproklamation also mit "So lang man Träume noch leben kann", mit Frida Golds "Wovon sollen wir träumen" – und es gab den Auftritt eines überraschenden Duos: Julian Knuhr von den Lucky Kids teilte sich die Bühne mit dem Kölner Sänger Esad Bikic (bekannt als Studiosänger von "Let's Dance").

Die Prinzenproklamation war in diesem Jahr, wie schon 2024, in drei Akte unterteilt. Warum das Veranstaltungsteam vom Festkomitee sich wieder dafür entschieden hat, erklärte Ralf Schlegelmilch im Vorfeld so: "Für uns ist die Prinzenproklamation die herausragende Veranstaltung der Stadtgesellschaft im Jahreskalender. Und es ist eben keine normale Sitzung. Es ist eine Gala-Veranstaltung. Indem wir mit drei Akten arbeiten, können wir nochmal eine ganz besondere Akzentuierung des Abends schaffen."

Der erste Akt gehört vor allem den Rednern. Der erste in der Reihe: Boris Müller, der mit seiner Hommage an Hans Hachenberg alias "Doof Noss" eine Reise in die Vergangenheit antrat. Hachenberg begeisterte die Jecken rund 65 Jahre auf der Bühne, bei seinem Tod 2013 galt er als der letzte Büttenredner der alten Garde. "Ich habe gemerkt, wenn ich mit dieser Type auftrete, dass gerade die älteren Kölnerinnen und Kölner sich in ihre Jugend zurückversetzt fühlen – da funkeln die Augen. Das finde ich sehr berührend."

Die Gäste im Gürzenich hörten aufmerksam zu, Müller bekommt Zwischen-Kicherer, immer, wenn er "Wwwwwasser" sagt, wie Hachenberg es gesagt hat, spricht gefühlt der halbe Saal nach, jedes "Hehehe" wird mit Lachern belohnt. Der Saal applaudiert stehend für den ehemaligen Prinz Karneval. Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval: "Lieber Hans, danke für alles, lieber Boris, danke, dass du diese Erinnerung am Leben hältst."

JP Weber, der einmal mehr in die Rolle des Horst Muys schlüpfte, wollte offenbar wieder Frieden schließen mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Im vergangenen Jahr hatte er die OB heftig angegangen, unter anderem für ihr angeblich gestelztes Kölsch – jetzt schenkte er ihr Blumen, die Kamera fing die beiden mit Herzchen-Umrandung ein. "Heute Reker ich mich nicht auf", begann Weber seinen Auftritt.

Pripro 2025: JP Weber direkt und unverblümt

Weber nahm sich Luke Mockridge vor und Donald Trump ("Der dürfte im Sauerlandstern kein Tablett tragen – und jetzt hat der den Atomkoffer in der Hand"), Karl Lauterbach und Herbert Reul, er feuerte Spitzen gegen den ehemaligen Zugleiter Holger Kirsch ab, und wiegelte ab mit: "Ich weiß, ich bin ein Arschloch." Eigentlich, erzählt Weber, hatte er vor, die Rede so böse zu machen, dass sie nicht übertragen werden könne – und entschied sich dann dagegen. Und doch: Webers Rede war für den Kölner Karneval erneut sehr direkt und unverblümt.

Genau wie Weber sollte auch Kabarettist Fatih Cevikkollu einen zweiten Anlauf starten – doch wenig erfolgreich. "Können mich alle gut hören?" Seine Begrüßung mit Anspielung auf die Tonprobleme im vergangenen Jahr sollte wohl ein böses Omen sein. Während des Auftritts wurden die Gespräche im Saal immer lauter. Für seine Gedanken zur Melancholie des Sessionsmottos ("Das kann keine KI, das kann nur ein echter Kölscher") musste er geradezu um Aufmerksamkeit betteln – "ist doch einen Applaus wert, oder?" Auch sein Schlussapplaus fiel eher spärlich aus. Im Anschluss an Cevikkollu trat Marc Metzger auf. Der Blötschkopp, ungewohnt im schwarzen Anzug, sang über seinen "Kopp voll Dräum" – etwa bis zur zweiten Strophe war davon im Saal aber nicht viel zu verstehen. Die Lautstärkekorrektur sorgte für spontanen Jubel. Für seine Büttenrede wechselte er dann wieder in sein gewohntes gelbes Karo.

Unruhe begleitete auch den Auftakt des zweiten Akts mit einer Tanznummer zu "Draumnaach em Jözenich" von den Bläck Fööss. Bevor das designierte Kölner Dreigestirn, Prinz René I., Bauer Michael und Jungfrau Marlis, von Oberbürgermeisterin Henriette Reker proklamiert werden sollte, sang Hannes Schöner passend zum Sessionsmotto den alten Höhner-Song "Spar ding Dräum nit op för morje!". "Dieses Lied ist ein sehr besonderes. Es wird mit jedem Jahr, das ich älter werde, aktueller. Denn in meinem Alter Träume auf morgen zu verschieben, ist nicht klug", sagte Schöner im Vorfeld der Prinzenproklamation. Die Proklamation des Dreigestirns sei "in Köln ein hohes Fest, man kann fast sagen der höchste Feiertag. Ich bin Köln und dem Karneval sehr verbunden und habe dem viel zu verdanken. Es ist eine große Freude und Ehre, daran teilhaben zu können".

Bevor sie das Dreigestirn proklamierte, stellte Oberbürgermeisterin Henriette Reker selbstbewusst fest: "Beim Daach dä Kölsche Sproch han ich jeliehrt, dat mer Kölsch spreche kann, wie einem de Schnüss jewaßen es. Un esu well ich et och don." Sie freue sich darauf, "Draum-Erfüllerin" für René, Michael und Hendrik zu sein. Die Proklamation sei einer der schönsten Bräuche "unserer Mutterstadt Colonia".

Die OB zeigte sich locker und voller Selbstironie: "Och ich han minge Draum metjebraht. Nää, nit dä Draum vum Amp vun der Oberbürjermeisterin, den meine ich nicht… obwohl dat et schönste Amp ess – tirek nohm Paps!" Und das Schönste sei, dass es nicht lebenslänglich sei.

Pripro 2025: Reker: "Kölle es uns Stadt"

Ihr Traum sei es schon als Kind gewesen, eine Uniform zu tragen. Ihr Traum sei wahr geworden, als sie als erste Frau die Uniform der Roten Funken tragen durfte. "Leev Jecke: Mir bruche die Dräum – domet mir stark blievve un vürann kumme! Kölle es uns Stadt, en Stadt, die mer immer widder neu erdräume möht. Mer all sin Kölle!"

Resolut wandte sie sich an diejenigen, die sich während ihrer Rede im Saal lauthals unterhielten: "Ich schwaad!"

Nachdem Reker die Insignien der Macht an Prinz René, Bauer Michael und Jungfrau Marlis (Hendrik Ermen trägt den Namen zu Ehren der verstorbenen Mottoqueen Marie-Luise Nikuta) übergeben hatte, sang vor allem der hintere Saal des Gürzenichs: "Oh, wie ist das schön." So etwas hatte man wirklich lange nicht gesehen – die Freude der Stattgarde, erstmals ein Dreigestirn zu stellen, war allgegenwärtig.

"Was für eine Farbenvielfalt: Die Proklamation im Zeichen des Regenbogens, die so manche Gesellschaftsschicht als Bedrohung sieht. Und so steht sie doch für den Frieden, Hoffnung und Zukunft", rief Prinz René in die Reihen. Das erste schwule Dreigestirn Kölns lebe mit der Stattgarde seinen Traum, erklärte der Prinz weiter. Mit Stolz pflege man die Tradition, breche aber auch auf zu neuen Ufern.

Bauer Michael hob die Sänger, Tänzer und Musiker und alle anderen Jecken hervor, die sich das ganze Jahr über für das Brauchtum einsetzen: "Sie sind die Seele des Karnevals und eine wichtige Säule im sozialen Leben unserer Stadt."

Pripro 2025: Ein Potpourri von Marie-Luise Nikuta

Jungfrau Marlis richtete unter anderem den Blick auf das Weltgeschehen: "Gerade, weil es aktuell in der Welt nicht so rund läuft, kann der Karneval die dringend benötige Auszeit darstellen, um den Seelen-Akku wieder aufzuladen." Homophoben Stimmen in der Gesellschaft hielt er entgegen: "Ist es nicht schön, dass wir alle verschieden sind? Es müssen uns nicht alle lieben – aber mit Wertschätzung und Respekt begegnen, und dafür steht unser Fastelovend."

Das Dreigestirn sang danach ein Potpourri von Marie-Luise Nikuta, die sich bis zu ihrem Tod für den queeren Karneval eingesetzt hatte. "Sie hat unsere Vereinshymne geschrieben und die Türen ins Festkomitee geöffnet. Ohne sie wären wir jetzt nicht hier."

Als einen "einmaligen Moment" kündigte Christoph Kuckelkorn das Auftrittsgeschenk des Festkomitees an das Dreigestirn an. Und einmalig war es. Wie schwerelos wirbelte Biggi Fahnenschreiber, die Mutter aller Mariechen, über die Bühne. Geführt wurde sie von Jens Hermes, Jungfrau des Dreigestirns 2014. "Ich will ihr Alter nicht verraten, aber wenn ich mit 93 Jahren noch so tanzen könnte", sagte Kuckelkorn im Anschluss an den – passend zum Motto – wahrlich traumhaften Tanz. Für ihr Lebenswerk zeichnete das Festkomitee die sichtlich gerührte Tänzerin anschließend unter tosendem Applaus mit dem Verdienstorden in Gold mit Brillanten aus – die höchste Auszeichnung, die das Festkomitee vergeben kann.

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Im Anschluss an Fahnenschreibers Auftritt lieferte Jungfrau Marlis mit einem gemeinsamen Tanz mit dem Tanzkorps der Stattgarde die nächste Überraschung, bei der sie buchstäblich auf den Händen getragen wurde. Auch Bauer Michael wurde aktiv und verausgabte sich beim Auftritt der Bordkapelle an den Becken. Der Shantychor präsentierte ein eigens zum Motto geschriebenes Lied. Der dritte Akt widmete sich der Musik, in diesem Jahr trat erstmals statt mehrerer Bands nur eine auf. Mit einem rund halbstündigen Konzert brachten Kasalla den Saal schließlich zum Tanzen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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