Wie kann die Bergneustädter Bürgerschaft finanziell von der Energiewende profitieren? Die SPD-Ratsfraktion hält eigene Stadtwerke für das Mittel der Wahl, und zwar nach wie vor.

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2023 hatten die Sozialdemokraten für diesen Plan keine Mehrheit im Stadtrat bekommen, gut anderthalb Jahre brachten sie das Ansinnen nun erneut auf die Tagesordnung.

Kurzfristig gehe es darum, zum Beispiel die städtischen Gebäude mit selbstproduziertem Strom zu versorgen, erklärte SPD-Fraktionschef Daniel Grütz den Stadtverordneten. "Mittelfristig sollte dann eine eigene Organisation entstehen, mit eigener Geschäftsführung und der Möglichkeit, die Bürger finanziell zu beteiligen." Basis für die Konstruktion könnte der Eigenbetrieb Wasserwerk sein, auf dem man schrittweise aufbaue. Grütz drängte darauf, dass "der Stadtrat endlich sagt, was er will". Viele Kommunen würden dieser Tage aktiv, die SPD sehe in der Energieversorgung in Eigenregie jedenfalls eine riesige Chance. Grütz weiter: "So wie es aussieht, werden demnächst Windräder in unserer Stadt stehen. Die Frage ist, wer daran verdient oder wer eben nicht." Die Bergneustädter dürften jedenfalls nicht zu "Zuschauern des Fortschritts" werden.

Würden eigene Stadtwerke der Aggerenergie Konkurrenz machen?

Auch im Wiehler Stadtrat stand im Dezember ein interfraktioneller Antrag zur Erweiterung der dortigen Stadtwerke auf der Tagesordnung – und damit ebenfalls die Frage, ob diese der Aggerenergie Konkurrenz machen und sich als Erzeuger und Vermarkter von erneuerbarer Energie betätigen sollten.

In der Bergneustädter Debatte erinnerte Bürgermeister Matthias Thul daran, dass die Konzession für das Neustädter Stromnetz noch bis 2032 an die Rheinische Netzgesellschaft vergeben ist. Zudem könne niemand absehen, wie rentabel sich der Strommarkt entwickle. Er halte eine Stadtwerke-Gründung zum jetzigen Zeitpunkt allerdings auch aus rechtlichen Gründen für unmöglich – denn gesetzlich sei eine vorherige Chancen-Risiko-Abwägung nötig, wenn sich eine Kommune wirtschaftlich betätigen wolle. Und genau die fehle dem SPD-Antrag.

Die Bergneustädter dürfen nicht zu Zuschauern des Fortschritts werden.

Daniel Grütz (SPD) will finanzielles Potenzial nutzen

Auch die anderen Fraktionen blieben skeptisch. Die städtische Beteiligung an der Aggerenergie bringe dem Bergneustädter Haushalt jährlich recht risikolos eine Million Euro ein, stellte Reinhard Schulte (CDU) klar. "Der Ausstieg aus diesem erfolgreichen Konstrukt, mit hohem Investitionsaufwand, ohne Know-how und Personal, ist ein unternehmerisches Risiko, das kein vernünftiger Mensch eingehen wird", so Schulte. Auch FDP und Grüne verlangten, die SPD müsse zuerst belastbare Zahlen vorlegen. Angesichts der gerade beschlossenen Haushaltssicherung sei momentan jedenfalls der "völlig falsche Zeitpunkt für städtische Experimente", befand Sven Oliver Rüsche (UWG).

Für bessere Laune sorgte dann ein Missverständnis: Auf Reinhard Schultes "Hören Sie auf, Einhörner zu jagen, liebe SPD" zitierte Daniel Grütz aus dem Fachwissen der Wirtschaftswissenschaften, nach dem unter einem Einhorn ein Start-up-Unternehmen mit einem Wert von über einer Milliarde Dollar zu verstehen sei – und hatte die Lacher damit prompt auf seiner Seite. "Kollege Schulte, lassen Sie uns die Einhörner jagen. Je mehr Bergneustadt davon bekommt, desto besser."

Das Gelächter löste die sich verkrampfende Diskussion zumindest ein Stück weit. Thomas Stamm (SPD) betonte, es gehe ja nicht darum, "die Aggerenergie morgen rauszuschmeißen", sondern vielmehr darum, "Chancen in professionelle Strukturen zu bringen". Die CDU ließ durchblicken, über solche Strukturen für den Betrieb der stadteigenen Photovoltaikanlagen ließe sich reden, über mehr aber nicht. Bürgermeister Thul schlug schließlich vor, nicht über eine konkrete Stadtwerke-Gründung abzustimmen, sondern darüber, in einer der nächsten Stadtratssitzungen eine Chancen-Risiko-Analyse vorstellen zu lassen.

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Das wiederum lehnte die SPD ab. Erfahrungsgemäß werde nämlich so lange geprüft, bis der Vorschlag letztlich im Sande verlaufe, kritisierte Heiner Grütz für seine Fraktion und warf den übrigen Stadtverordneten Mutlosigkeit vor. Weil sich die SPD dagegen stemmte, ihren Antrag umzuformulieren, wurde über die Stadtwerke-Gründung abgestimmt: Die zehnköpfige SPD-Fraktion stimmte dafür, 20 Stadtverordnete dagegen und vier (drei Grüne und einmal FWGB) enthielten sich.  © Kölner Stadt-Anzeiger