Hameln/Osnabrück/Ronnenberg - In ungewohnt lockerem Tonfall versuchen niedersächsische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister jüngere Menschen in den sozialen Netzwerken anzusprechen. Sie sind auf Tiktok, Instagram oder Spotify aktiv. Doch nicht überall sorgt das für Begeisterung.

Mehr News aus Niedersachsen finden Sie hier

"Wir sind no cap eine Stadt mit viel Plus-Aura" - Mit Sätzen wie diesen spricht Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU) ihre Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Plattform Tiktok an. Aus der Jugendsprache ins Alltagsdeutsch übersetzt bedeutet das so viel wie, dass Osnabrück eine tolle Stadt ist. Mit einem an einem Pfannenwender angeklemmten Mikrofon befragt sie in einem anderen Video einen Türsteher zu den Kleidungsvorschriften einer Osnabrücker Diskothek. In anderen Videos weist sie wiederum mit ernster Miene auf die Gefahren von Bombenentschärfungen hin.

Osnabrücks OB sendet bewusst ungewöhnliche Beiträge

"Ton und Themenwahl meiner Beiträge sind für eine Oberbürgermeisterin sicherlich manchmal ungewöhnlich", gesteht Pötter. "Aber genau das ist die Idee." Da jüngere Menschen einen Großteil ihrer Informationen auf Plattformen wie Instagram oder Tiktok beziehen, sollen sie dort angesprochen werden. Zudem wolle sie soziale Netzwerke nicht radikalen Parteien überlassen, sagt die Oberbürgermeisterin, die so auch nahbar sein will.

Doch nicht nur die Plattform sei entscheidend, sondern auch die Ansprache: "Wenn ich bei Tiktok oder Instagram lange, staatstragende Reden halte, kann ich es auch gleich lassen." Inhalte müssten kurz und unterhaltsam sein, damit die Algorithmen sie Nutzerinnen und Nutzern anzeigten, sagt Pötter, die sich von Social-Media-Profis hat beraten lassen. Letztlich gehe es darum, alle Wählergruppen zu erreichen.

Ronnenbergs Bürgermeister will viele Menschen erreichen

Ganz auf eigene Faust produziert der Bürgermeister von Ronnenberg in der Region Hannover, Marlo Kratzke (SPD) seine Inhalte auf dem eigenen Tablet. "In der Regel lasse ich mich von anderen Tiktok-Videos inspirieren." Mit seiner Kommunikationsstrategie will er wie auch Pötter möglichst viele Menschen erreichen. Kratzke ist sich sicher: "Politikerinnen und Politiker können es sich aus meiner Sicht nicht leisten eine Kommunikationsmöglichkeit mit einer so hohen Reichweite nicht zu nutzen."

Doch es gibt auch Kritik. Eine Kernfrage ist: Wie unseriös darf ein Bürgermeister sein? Kratzke wirft die Frage in einem Tiktok-Video selbst auf - es ist mit einem tanzenden Krokodil unterlegt. Andere Kommunalchefs bezeichnen Kratzkes Auftreten teilweise als peinlich, wie etwa die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" berichtet.

Bei manchen Video-Ideen habe er auch Bedenken, sagt Kratzke. Generell dürfe man aber schon lockerer auftreten. Politik in Deutschland habe oft etwas Verstaubtes "und dadurch verlieren wir so viele Menschen".

Gibt es einen Trend?

Kratzke ist sich sicher, dass künftig weitere Kommunaloberhäupter auf den Zug aufspringen werden. Die Stadt Braunschweig hat etwa vor drei Monaten eine Stelle als Tiktok-Manager oder -Managerin ausgeschrieben. Von einem Trend will der Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund bisher aber nicht sprechen und teilt mit: "Jede Bürgermeisterin und jeder Bürgermeister nutzt die ihm zur Verfügung stehenden Kanäle und Mittel individuell und nach persönlicher Prägung."

Auch das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen erkennt bisher keinen Trend, erwartet aber, dass sich das Phänomen weiter verbreitet. "Bürgermeister werden immer jünger und damit steigt auch ganz natürlich die Zahl der Politiker, die mit sozialen Netzwerken aufgewachsen sind", sagt der Netzwerks-Vorsitzende Henning Witzel.

Wichtig sei, dabei authentisch zu bleiben. "Wer sich verstellt oder aufgesetzt wirkt, verliert schnell an Glaubwürdigkeit", sagt Witzel. Zudem sei es wichtig, kritische Stimmen ernst zu nehmen und auf sie angemessen zu reagieren.

Hamelns Oberbürgermeister lädt zur "Roomtour" ein

Auch die Stadt Hameln im Weserbergland versucht, ihr Image mit Beiträgen in sozialen Medien aufzupolieren. Auf einem Tiktok-Kanal der Stadt gab es kürzlich eine sogenannte Roomtour mit Oberbürgermeister Claudio Griese (CDU) - sozusagen eine digitale Wohnungsbesichtigung des Rathauses. Manche Räume dort "hätten ein Glow-up verdient", sagt Griese dabei etwa. Das heißt so viel, wie dass eine Renovierung angebracht wäre.

Die Stadt sieht das vor allem als Möglichkeit, um neue Bewerberinnen und Bewerber zu finden und mit dem Klischee verstaubter und langweiliger Behördenarbeit aufzuräumen, wie die Verwaltung mitteilte. Der im Januar gegründete Kanal habe bereits mehr als 780.000 Aufrufe - damit sei man sehr zufrieden.

Bürgermeister im Norden mit Podcast

Statt auf Videos setzen die Bürgermeister von Bunde und Weener in Ostfriesland Uwe Sap (SPD) und Heiko Abbas (CDU) auf einen Podcast. Im Februar erschien die erste Folge, Mitte März die zweite. Im Bunder Familienzentrum wurde dazu ein Aufnahmestudio eingerichtet. Sie wollen nach eigenen Angaben unter anderem zeigen, dass man gerade auf kommunaler Ebene trotz unterschiedlicher Parteienzugehörigkeit gut zusammenarbeiten kann, erklären die beiden in einer gemeinsamen Mitteilung.

Neben dem Podcast sind sie auf Facebook und Instagram aktiv. Weitere Plattformen planen sie erst einmal nicht, da sie alles alleine machen. "Hier müssen wir die Arbeit auf Social Media in einem vernünftigen Verhältnis zu den übrigen wichtigen Tätigkeiten unseres Amtes gestalten." Sozialen Medien seien aber auch mehr als ein Beiwerk. Es sei wichtig, im digitalen Raum mit Sachinformationen etwa Fake News entgegenzutreten. "Da dürfen gerade Kommunalpolitiker nicht den Kopf einziehen."  © Deutsche Presse-Agentur

Claudio Griese (CDU)
Claudio Griese führte kürzlich in einem Tiktok-Video durch das Rathaus von Hameln. (Archivbild) © dpa / Michael Matthey/dpa
Nachrichten aus anderen Regionen