Barbara Klemm wird 85: So lange sie hier lebt, hat Barbara Klemm Frankfurt in ihren Bildern verdichtet. Wir zeigen Bilder aus 65 Jahren, darunter auch noch nicht veröffentlichte.
Besonders hügelig ist der Grüneburgpark nicht gerade. Aber den Kindern hat es gereicht, die dort den Schnee mit ihrem Schlitten ausgekostet haben. Barbara Klemm ist an ihnen vorbei gekommen, sie wohnt nicht weit vom Park entfernt. Sie hat hingesehen auf das weiße Idyll, das die Städter sich so oft herbeisehnen und so selten bekommen. Entstanden ist das Foto, das bislang noch nie in der F.A.Z. erschienen ist, 1985. Das Westend, wo der Park liegt, das Stück Stadt vor Klemms Haustür, ist besonders oft Schauplatz ihrer Fotografien gewesen: Studentenproteste, Hausbesetzungen, studentisches Leben oder die berühmte Fotografie von Theodor W. Adorno, der mit den Besetzern des Instituts für Sozialforschung am 31. Januar 1969 noch diskutiert, während die herbeigerufene Polizei ihn beobachtet, zeugen davon. Damals war Klemm noch auf eigene Faust fotografisch unterwegs gewesen. Und wurde vorläufig festgenommen.
Ab wann ist man Frankfurterin? Barbara Klemm ist noch keine 20 Jahre alt gewesen, als sie 1959 aus ihrer Heimatstadt Karlsruhe an den Main umgezogen ist und bei der F.A.Z. angefangen hat. Und schon damals, als sie noch in der Klischeeherstellung und im Fotolabor gearbeitet hat, ist die ausgebildete Fotografin zur teilnehmenden Beobachterin ihrer neuen Stadt geworden. Sie ist es bis heute. Ein Vorbild ist ihr Wolfgang Haut gewesen und sie war in guter weiblicher Gesellschaft, wie im Lauf des Jahres 2024 die Ausstellung "Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844-2024" im Historischen Museum Frankfurt gezeigt hat. Als Klemm 1970 Redaktionsfotografin der F.A.Z. geworden ist, tummelten sich Kolleginnen wie Abisag Tüllmann oder Inge Werth in der Stadt. Und Klemm, die bald durch Deutschland und die Welt reiste, ist in den 65 Jahren, die sie hier lebt, nicht nur die berühmte Chronistin der deutschen und internationalen Politik und Kultur geworden, die unseren Blick auf die Zeitgeschichte zutiefst prägt.
Die unbedingte Aufmerksamkeit, die ihre Arbeit auszeichnet, ist oft genug auf Frankfurt gerichtet gewesen. Es soll ihr selbst gar nicht so bewusst gewesen sein, heißt es im überaus lesenswerten Katalog zur Ausstellung "Barbara Klemm. Frankfurt. Bilder", die 2023/24 im Historischen Museum zu sehen gewesen ist, wie viele Frankfurt-Bilder sie geschaffen hat. Das Bildarchiv der F.A.Z. aber legt davon Zeugnis ab, wie Klemm, oft jenseits der Termine und Aufträge, dank ihres zugewandten Blicks auf den Alltag, verdichtet hat, was Frankfurt ausmacht. Was nicht zuletzt dazu führt, dass ihre Bilder bis heute für das stehen, was sich in ihnen kondensiert. So schauen wir neu auf einen überbordenden Feinkostladen, wie er heute wieder schick wird, auf die Apfelweinkultur, die auch 2024 Thema gewesen ist mit Wirtshäusern, die geschlossen oder wieder eröffnet haben. Und blicken auf Richard Biringers Mahnmal des Krieges von 1928, das die Nationalsozialisten einschmelzen ließen und das 1982 neu gegossen wieder in Höchst aufgestellt worden ist. Landschaft und Kunst fotografiert Klemm, die Unermüdliche, deren politische Fotografie noch bis März 2025 in Leipzig zu sehen ist, heute besonders oft. Von Frankfurt aus. Am 27. Dezember wird sie 85 Jahre alt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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