Trotz Fachkräftemangels: Über Fachkräftemangel wird fast überall geklagt. Es gibt aber Unternehmen wie die Oberurseler Metallmanufaktur, die damit kein Problem haben – und ein Geheimnis.

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Schon als Zweitklässler hat Magnus Heinbach den Betrieb von Dirk Velte kennengelernt. Als das Thema Handwerk behandelt wurde, besuchte seine Schulklasse die Oberurseler Metallmanufaktur, und jeder Schüler durfte aus Aluminiumstangen einen Kleiderbügel biegen. Um Biegungen geht es auch, viele Jahre nach dem Besuch, bei Heinbachs aktuellem Projekt, dem Handlauf eines individuell geschmiedeten Treppengeländers. Dass ihm die Arbeit mit Metall auf Dauer Freude macht, hat er beim Jahrespraktikum für sein Fachabitur festgestellt.

Solche Praktika anzubieten, ebenso wie Plätze für Schüler, ist für Dirk Velte der Schlüssel zum Erfolg bei der Gewinnung von Nachwuchskräften. "Ein Praktikum bei uns bedeutet aber nicht, danebenzustehen und zuzuschauen - hier wird mitgearbeitet." Schon am ersten Tag lernten Praktikanten bei ihm, Material zuzuschneiden, Löcher zu bohren und Gewinde zu schneiden, berichtet der Unternehmer. Am dritten oder vierten Tag dürften die Hospitanten schon schweißen.

"Das ist vielleicht das Geheimnis, warum sie sich für uns entscheiden", sagt Velte. Die Praktikanten gingen auch mit zur Montage, selbst wenn das mal etwas länger dauere. "Ich nehme keinen, der nicht bereit ist, acht Stunden zu arbeiten", so Velte. Die Jugendlichen hätten damit meist kein Problem, Diskussionen gebe es eher mit Eltern oder Lehrern. Bis zu 20 Praktikumsplätze vergibt er jedes Jahr.

Nähe zur Berufsschule, Unterkunft und Präsenz

Auch die zwei Lehrstellen, die er alljährlich ausschreibt, besetzt der 55 Jahre alte Metallbaumeister und Betriebswirt des Handwerks nur mit Bewerbern, die zuvor mindestens zwei Wochen bei ihm zur Probe gearbeitet haben. Trotzdem hat er viel mehr Bewerber, als er in seinem Betrieb mit aktuell 22 Mitarbeitern aufnehmen kann. "In diesem Jahr waren es 14, darunter fünf sehr gute", berichtet er. Dass er so viele Interessenten hat, liegt nach Ansicht von Velte auch daran, dass er seinen Betrieb auf Ausbildungsmessen und bei vielen Schulbesuchen präsentiert.

"Wenn es nötig ist, kümmern wir uns auch um eine Unterkunft für die Azubis", sagt der Handwerksmeister. Als Vorteil seines Betriebs für Auszubildende nennt er zudem die Nähe zu einer passenden Berufsschule. Das könnten viele Betriebe nicht bieten. Vor allem aber hätten viele kleinere Betriebe niemanden, der sich gezielt um Personal kümmere und daher auch nicht um Nachwuchs.

Auch Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) interessiert sich für das Modell von Velte. Bei einem Besuch in dessen Werkstatt sagt Mansoori, er höre von Unternehmern, dass die Nachfrage nach Produkten zwar groß sei, man aber nicht genügend Personal habe, um Aufträge anzunehmen. Das zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, auszubilden, hebt der Minister hervor.

Der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Frank Martin, forderte die Unternehmen zuletzt auf, über ihren Bedarf hinaus auszubilden, um den künftigen Fachkräftebedarf zu sichern.

4400 freie Lehrstellen, 2400 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz

Die Bedeutung der Ausbildung ist den Arbeitgebern durchaus bewusst. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) verweist auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung, nach der fast 68 Prozent der deutschen Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal zu finden. In Hessen dauerte nach dem jüngsten Regionaldatenreport des Instituts für Wirtschaft und Arbeit der Frankfurter Goethe-Universität die Besetzung einer freien Stelle durchschnittlich 152 Tage.

Das ist ein Hemmnis für die Wirtschaft und unterstreicht den Bedarf. Nur durch mehr berufliche Orientierung und Bildung sowie durch Zuwanderung könne die Lücke auf dem Ausbildungsmarkt geschlossen werden, sagt Dirk Pollert von der VhU.

Trotz vieler Bemühungen ist es den Arbeitsagenturen nicht gelungen, alle knapp 35.000 für dieses Jahr gemeldeten Ausbildungsplätze zu besetzen - obwohl viele Männer und Frauen noch eine Lehrstelle suchen. Ende September standen rund 2400 Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz rund 4400 freie Lehrstellen gegenüber.

Hohe Allgemeinkosten für Menschen ohne Schlüsselqualifikation

Das hat seine Ursache zum Teil in regional unterschiedlichen Angeboten oder ist eine Frage des gewünschten Berufs: Wer eine Friseurlehre machen will, nimmt in der Regel nicht den Platz beim Installateur. Wer in Offenbach sucht, ist nicht leicht auf eine freie Ausbildungsstelle nach Fulda zu vermitteln.

Dabei ist den Arbeitsagenturen durchaus bewusst, wie wichtig es ist, dass junge Menschen eine Ausbildung machen. Weil sie sonst bald zur Gruppe derer gehören, die ohne einen Abschluss nur in Helfertätigkeiten vermittelt werden können und irgendwann hohe Kosten für die Allgemeinheit zu verursachen drohen.

"Für Menschen, denen berufliche Schlüsselqualifikationen fehlen, ist das Risiko größer, auch für längere Zeit auf den Bezug von Bürgergeld angewiesen zu sein", sagt Ulli Dvořák, Geschäftsführer des Jobcenters Frankfurt. Darum setzten Arbeitsvermittler alles daran, für jeden einen Ausbildungsplatz zu finden, sagt Björn Krienke, Chef der Frankfurter Arbeitsagentur. Und das ist auch noch bis zum Ende des Jahres noch möglich.

Prachtvolle Wappen und scharfe Messer

In der Metallmanufaktur, die Dirk Veltes Vater Otto 1973 gegründet hat, haben in den vergangenen 50 Jahren 80 junge Menschen eine Ausbildung absolviert - die ersten sind schon pensioniert. Zum Jubiläumsfest im vergangenen Jahr hatte Velte sie alle eingeladen, 40 kamen und feierten mit. Daran zeigt sich, welche Bedeutung man in der Metallmanufaktur dem Nachwuchs beimisst.

Das spürt auch die 20 Jahre alte Jule Güldenberg, die hier eine Ausbildung zur Metallgestalterin macht und gerade goldene Blätter am prachtvollen Wappen des Tores der Villa Meister in Frankfurt-Sindlingen erneuert. Sie ist noch unentschlossen, wie es nach der Ausbildung weitergeht.

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Janosch Hollich, der demnächst seinen Abschluss macht und gerade schwungvoll einen glühenden Metallstab mit dem Hammer bearbeitet, will sich voraussichtlich selbständig machen - schon jetzt bietet er selbst geschmiedete Messer über Instagram an. Für Velte kein Grund zur Sorge: Bei ihm liegen schon die nächsten Bewerbungen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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