Ausblick 2025: Viel Erfolg in der Exzellenzstrategie, ein auskömmliches Budget und Gespür beim Abwägen zwischen Meinungsfreiheit und Schutz vor Anfeindungen: Was wir uns für die Hochschulen in Hessen im neuen Jahr wünschen.
1. Der 22. Mai wird ein erfolgreicher Tag für die Universitäten
Dieses Datum werden sich alle Unipräsidenten im Kalender fett anstreichen: Am 22. Mai wird verkündet, welche Spitzenforschungsverbünde im nächsten Durchgang der Exzellenzstrategie gefördert werden. Von 2026 bis 2032 wollen Bund und Länder in ganz Deutschland bis zu 70 sogenannte Exzellenzcluster unterstützen – jährlich stehen dafür 539 Millionen Euro zur Verfügung. Die Universitäten Frankfurt, Gießen, Marburg und Darmstadt gehen mit fünf neuen Projekten ins Rennen: Sie sollen sich mit "vernünftiger" Künstlicher Intelligenz, der menschlichen Wahrnehmung, neuartigen Biomaterialien, der Selbstorganisation von Molekülen in Zellen und der mikrobiellen Umwandlung von Treibhausgasen befassen. Liebig- und Goethe-Uni hoffen zudem, dass die Förderung ihres Exzellenzverbunds zur Herz-Lungen-Forschung verlängert wird.
Die Uni Mainz schließlich möchte den einzigen Cluster an einer rheinland-pfälzischen Hochschule fortführen: den Forschungsverbund für "Neue Physik", der gerade erst einen samt Ausstattung 124 Millionen Euro teuren Neubau erhalten hat. Hessen hofft, dank frühzeitiger Stärkung von Forschungsschwerpunkten erfolgreicher aus der neuen Wettbewerbsrunde hervorzugehen als aus der vorigen: Seinerzeit war der Herz-Lungen-Cluster das einzige Vorhaben gewesen, das die Juroren überzeugt hatte. Sollte es den Rhein-Main-Universitäten Darmstadt, Mainz und Frankfurt zusammen gelingen, mindestens drei Cluster einzuwerben, dürfen sie sich um jenen Titel bewerben, mit dem jeder Präsident gerne renommieren würde: den einer Exzellenzuniversität.
2. Das Strüngmann-Institut fällt nur noch positiv auf
Erschreckend waren die Nachrichten über das Frankfurter Ernst-Strüngmann-Institut für Neurowissenschaft, die im Oktober zu vernehmen waren: Mitarbeiterinnen sollen sexuell belästigt worden sein, teils von Führungskräften. Ein Angestellter soll eine Kollegin sogar beim Duschen gefilmt haben. Tierschützer wiederum empören sich über das von den Pharmaunternehmern Andreas und Thomas Strüngmann gestiftete Institut schon seit dessen Gründung 2008, weil dort an Affen experimentiert wird. Diese Versuche wurden ausgesetzt, nachdem der Tierhausleiter und die Tierschutzbeauftragte gekündigt hatten. Inzwischen ist der Posten des Tierhausleiters besetzt, es gibt zwei externe Tierschutzbeauftragte und einen neuen geschäftsführenden Direktor.
Die Genehmigung für Primatenversuche wurde laut der Institutssprecherin neu beantragt; man sei zuversichtlich, von 2025 an wieder "entlang des gesamten Methodenspektrums arbeiten zu können". Bleibt die Aufarbeitung der mutmaßlichen Missbrauchsfälle: Das Institut ist gut beraten, dabei Konsequenz wie Transparenz walten zu lassen. Nur so lässt sich ein bleibender Rufschaden vermeiden. Was sich die Strüngmann-Forscher selbst wünschen dürfen: in dieser Angelegenheit ebenso wie in der Diskussion über Tierversuche von pauschalen Verdächtigungen und unsachlichen Anwürfen verschont zu bleiben. Dass Tierexperimente kritisch beobachtet und streng reglementiert werden, ist richtig. Gegen das aggressive Auftreten mancher Aktivisten, das von infamen NS-Vergleichen ("Mengele", "Tier-KZ") bis zu illegalen "Befreiungen" reicht, wehren sich Wissenschaftler aber zu Recht mit aller Entschiedenheit.
3. An der Goethe-Uni bleiben alte Sprachen stark
Die umstrittene Lehrstuhlfusion fällt erst einmal aus: Im April hatte der Rat des Fachbereichs Sprach- und Kulturwissenschaften der Goethe-Uni den Plan abgelehnt, Latinistik und Gräzistik künftig nur noch von einer Professur vertreten zu lassen. Auch andere Sparvorhaben des Dekanats wurden nach lautstarkem öffentlichem Protest zurückgestellt. Doch der Konflikt schwelt weiter. Laut dem Universitätssprecher hat sich der Fachbereich bisher nicht darüber einigen können, wie die erforderlichen Einsparungen erzielt werden sollen. Das Uni-Präsidium habe vorgeschlagen, einen externen Moderator hinzuzuziehen, doch die ursprünglichen Überlegungen hierzu seien verworfen worden – unter anderem weil noch unklar sei, wie viel Geld die Universität in den nächsten Jahren vom Land bekommen werde. Was das betrifft, so soll 2025 Klarheit bringen – anschließend, so die Hoffnung des Präsidiums, würden in Gesprächen mit dem Fachbereich und seinen Instituten "zukunftsfähige Szenarien" entwickelt. Hoffentlich umfassen sie einen Plan, wie jene beiden Sprachen, die zum Fundament der abendländischen Kultur gehören, auch künftig in Lehre und Forschung angemessen abzubilden sind.
4. Der neue Hochschulpakt hält Hessens Unis konkurrenzfähig
Nicht nur das Schicksal der Frankfurter Latinistik könnte von jenem Dokument abhängen, das Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) und die Präsidenten der staatlichen Hochschulen im neuen Jahr unterzeichnen wollen. Wie hoch die Landeszuschüsse ausfallen und welche Leistungen dafür zu erbringen sind, wird der neue Hochschulpakt für die Jahre 2026 bis 2030 regeln. Die Verhandlungen hatten schon im Mai begonnen, und seitdem haben sich die unguten Vorzeichen gemehrt. Das Land muss wegen sinkender Steuereinnahmen sparen; schon im Nachtragsetat für 2024 wurden für Forschung und Lehre 34 Millionen Euro weniger angesetzt. Für die Konsolidierung des Etats 2025 werden die Hochschulen gar 425 Millionen Euro aus ihren Baurücklagen beisteuern – vorübergehend, wie es heißt.
Nach anfänglichen Protesten aus Hochschulen und von Gewerkschaften, die vor Stellenabbau und einer Verschlechterung der Lehre warnen, ist es in den vergangenen Wochen um das Thema Einsparungen recht still geworden. Auch das Rücklagen-Opfer der Unis vollzog sich ohne öffentliche Empörung. Geht es auch in den Verhandlungen über den neuen Hochschulpakt so ruhig zu? Die Gespräche verliefen "konstruktiv" und vertrauensvoll", teilt das Wissenschaftsministerium mit. Ein gemeinsames Ziel sei, die Hochschulen "spürbar zu entbürokratisieren". Verhandlungstermine seien bis Anfang März vereinbart, möglichst bis zum Ende des ersten Quartals 2025 wolle man zu einem Abschluss kommen. Erst wenn er vorliegt, wird sich sagen lassen, ob Bildung und Forschung in der Politik der schwarz-roten Landesregierung immer noch – wie von ihr behauptet – Priorität genießen.
5. Die Unis sorgen für Sicherheit und Meinungsfreiheit
Was der libanesischstämmige Ethnologe Ghassan Hage zum Nahostkonflikt von sich gegeben hat, ist schwer erträglich. Den Hamas-Überfall vom 7. Oktober feierte er mit einem Gedicht, Israel überzog er mit NS-Vergleichen. Die Max-Planck-Gesellschaft entließ ihn deswegen als Gastprofessor in Halle, seine Klage dagegen wies das dortige Arbeitsgericht ab. Am 6. Dezember hielt Hage einen Vortrag an der Uni Mainz, auf Einladung des Sonderforschungsbereichs Humandifferenzierung. Die Universität duldete das, unter der Bedingung, dass Hage nicht über Gaza und Israel spreche. Stattdessen referierte er über die "Nutzung von Tiermetaphern in rassifizierenden Alltagspraktiken". Jüdische Studentenvertreter zeigten sich trotzdem empört. Doch so abstoßend Hages Ansichten sind: Dass die Sicherheit auf dem Campus durch seinen Auftritt gefährdet wurde, ließ sich nicht belegen.
Die Entscheidung, ihn unter Auflagen dort reden zu lassen, ist deshalb vertretbar. Die Wissenschaftler des Sonderforschungsbereiches mögen unter sich ausmachen, welchen Gewinn sie aus Hages Metaphernkenntnissen ziehen. Noch einmal: Terrorverherrlichung, Hassreden gegen Israel und Antisemitismus darf keine deutsche Universität auf ihrem Campus dulden. Pauschale Redeverbote auch zu anderen Themen für Forscher, die durch extreme Ansichten auffallen, sind aber ebenfalls unangemessen. Hier ist jeder Einzelfall genau zu betrachten. Die Universität Frankfurt hat im Oktober eine Verwaltungsvorschrift veröffentlicht, die darlegt, was bei Abwägungen zwischen Meinungsfreiheit und Schutzbedürfnissen beachtet werden muss. Mit seinem Verzicht auf allzu enge Korridore kann dieses Regelwerk anderen Hochschulen als Vorbild dienen.
6. Die Frankfurter Musikhochschule bekommt endlich eine Perspektive
Ein Stein fällt von der Fassade, die Decke eines Übungsraums stürzt ein, dann fällt auch noch die Heizung aus: Die Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst hat schon seit Langem Ärger mit ihrem Gebäude C. Inzwischen ist dessen Zustand so schlecht, dass die Hochschulleitung es Studenten und Dozenten freistellt, ob sie dort arbeiten wollen. Viele tun es trotz der schlechten Bedingungen, üben mit klammen Fingern und laufender Nase, weil es an Ausweichräumen fehlt. Ein Drittel ihrer Fläche könne die Hochschule nicht mehr nutzen, sagt ihr Präsident Elmar Fulda.
Im neuen Jahr soll das Gebäude C provisorisch saniert werden, aber auch dies löst nicht das Grundproblem: Der Campus an der Eschersheimer Landstraße ist marode und zu klein. Doch noch immer ist unklar, wo der seit Langem angekündigte Neubau entstehen soll. Fulda verliert allmählich die Geduld: "Wir fragen uns, ob wir in Frankfurt noch willkommen sind." Mit Blick auf einen möglichen Umzug in die Nachbarstadt fügt er hinzu: "In Offenbach sind wir willkommen." Studentenvertreter haben einen Brandbrief verfasst, in dem sie vor einem "erheblichen Schaden" für das Renommee der Hochschule warnen, sollte sich die Situation nicht verbessern. Mögen die Warnrufe in Wiesbaden gehört werden.
7. Der Jura-Bachelor macht den Unis nicht zu viel Arbeit
Überlegungen, ob er wirklich gebraucht wird, sind müßig: Der integrierte Jura-Bachelor kommt auch in Hessen. Im Landtag wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, wonach Studenten der Rechtswissenschaft diesen Titel künftig beantragen dürfen, wenn sie die Voraussetzungen für das erste Staatsexamen erfüllen. So sollen künftig auch jene einen Abschluss vorweisen können, die endgültig an der Staatsprüfung scheitern – auch wenn ihre Zahl überschaubar ist.
Ob der Bachelor seinen Inhabern tatsächlich zusätzliche Berufsperspektiven eröffnet, wird die Zeit zeigen. Ebenso, ob damit, wie von Kritikern befürchtet, eine schleichende Entwertung des Staatsexamens beginnt. Die Jurafakultäten beteuern, dass ihr Kerngeschäft die Vorbereitung der Studenten auf jene Prüfung und damit auf die klassischen Juristenberufe bleibe. Sie glauben auch, dass sie den integrierten Bachelor ohne allzu großen Verwaltungsaufwand einführen können. Wir wünschen uns, dass sie damit recht behalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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