Linke gegen Strafverfolgung: Wer ohne Fahrschein in die Straßenbahn steigt, kann im Extremfall ins Gefängnis kommen. Die Mehrheit der Darmstädter Politiker will daran nichts ändern.

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Wer in Darmstadt ohne Fahrschein in eine Straßenbahn oder einen Bus steigt, läuft weiterhin Gefahr, im Extremfall ins Gefängnis zu kommen. Wie bisher kann der Betreiber der Linien, das stadteigene Unternehmen HEAG mobilo, einen Strafantrag stellen. Dann wird das Schwarzfahren als Straftat verfolgt.

Grundlage dafür ist der Paragraf 265a des Strafgesetzbuchs. Danach droht für das "Erschleichen von Leistungen", zu denen im Gesetz ausdrücklich auch Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln gerechnet werden, eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Die Gerichte verhängen dafür in der Regel Geldstrafen. Wer aber diesen Betrag nicht zahlen kann, muss stattdessen im Gefängnis eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.

Vorschlag: Einfach keinen Strafantrag mehr stellen

Die Fraktion Die Linke und die Stadtverordnete Mandy Pingel (Die Partei) haben mit einem Antrag im Stadtparlament versucht, das zu ändern. Nach ihrer Forderung soll das stadteigene Verkehrsunternehmen HEAG mobilo grundsätzlich keine Strafanträge mehr stellen. Vom Antrag des Geschädigten hängt die Strafverfolgung ab. Weil das Delikt als geringfügig angesehen wird, wird die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus, sondern nur auf Verlangen des Geschädigten tätig.

Der Antrag fand in der Sitzung der Stadtverordneten aber keine Mehrheit. Außer den Antragstellern hatten auch die SPD und die Wählergruppen UWIGA und Uffbasse dafür gestimmt. Dagegen lehnte eine Mehrheit aus den Koalitionsfraktionen von Grünen, CDU und Volt sowie der FDP und der AfD den Vorschlag ab.

Zur Begründung hatten Maria Stockhaus und weitere Antragsteller vorgetragen, das Fahren ohne Fahrschein sei ein "Armutsdelikt", das von Personen begangen werde, die sich in einer "sozialen Notlage" befänden. Eine Gefängnisstrafe sei eine "unverhältnismäßig schwere Bestrafung" für Menschen, die eine verhängte Geldstrafe nicht aufbringen könnten. Außerdem belaste die Strafverfolgung von Schwarzfahrern die Staatsanwaltschaften und die Gerichte unnötig. Das Einsperren im Gefängnis koste den Staat Geld, ein Verzicht auf den Strafantrag könne sogar Ausgaben einsparen.

Aus der Fraktion der Grünen befürwortete Eva Bredow-Cordier zwar den Vorschlag, stimmte aber dagegen, um dem Willen der Koalition zu folgen. Sie sagte, eine desolate Lebenslage oder eine Suchterkrankung führe zum Fahren ohne Fahrschein.

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CDU will Sanktion für Schwarzfahren

Dagegen fragte Caroline Groß (CDU), wer noch einen Fahrschein kaufen würde, wenn das Schwarzfahren ohne Sanktion bleibe. Mobilitätsdezernent Paul Georg Wandrey (CDU) wies darauf hin, dass in Darmstadt nur selten ein Strafantrag gestellt werde, wenn ein Fahrgast ohne Ticket unterwegs sei – nämlich in nur fünf Prozent der Fälle. Das Verkehrsunternehmen setze nur im Wiederholungsfall innerhalb von drei Monaten die Strafverfolgung in Gang.

Außerdem könnten die Stadt Darmstadt und ihr Verkehrsunternehmen HEAG mobilo nicht allein über das Vorgehen entscheiden, weil die Darmstädter Busse und Bahnen zum Rhein-Main-Verkehrsverbund gehörten.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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