Parteichef soll gelogen haben: Die Debatte der hessischen Grünen über die Auslandsreisen des Vorsitzenden Andreas Ewald zieht Kreise. Und zwischen Wiesbaden und Berlin wird erörtert, wie sich der Schaden begrenzen lässt.
Andreas Ewald, der Ko-Vorsitzende der hessischen Grünen, sieht sich aus den eigenen Reihen dem Vorwurf ausgesetzt, in der Debatte über seine Auslandsreisen die Unwahrheit gesagt zu haben. Die F.A.Z. hatte berichtet, dass der Fünfunddreißigjährige, der seine Aufgabe als angestellte Vollzeitkraft ausübt, im April an einem einwöchigen Programm teilnahm, zu dem das European Leadership Network (ELNET) nach Israel eingeladen hatte.
Im Juli und im August reiste er auf Einladung des US-Generalkonsulats im Rahmen des International Visitor Leadership Programms durch die USA. Er nutzte die Möglichkeit, noch einen privaten Urlaub anzuhängen. Am 17. Oktober hatte er schriftlich mitteilen lassen, dass nach Auskunft des Bundesvorstands und der externen Wirtschaftsprüfung "alles in Ordnung" sei.
Der Ko-Chefin lägen keine Belege vor
Am Freitag teilte die Ko-Vorsitzende der Landespartei, Kathrin Anders, den Vorstandsmitgliedern von Partei und Fraktion schriftlich mit, dass ihr keine Belege für Prüfungen der Frage vorlägen, ob die Reisen im Einklang mit dem Parteiengesetz und der grünen Satzung stünden.
Wie aus Landtagskreisen weiter verlautete, berichtete sie, dass der Bundesverband erst am Montag, den 21. Oktober, in einer Videokonferenz deutlich gemacht habe, in dieser Woche von der gesamten Angelegenheit überhaupt Kenntnis erlangt zu haben – also erst mehrere Tage nachdem Ewald hatte mitteilen lassen, dass alles geprüft worden und "in Ordnung" sei.
Von seinen Reisen nach Israel und in die USA habe sie im ersten Halbjahr erfahren, so Anders. Sie sei davon ausgegangen, dass sie geprüft worden seien. Die Bedenken der Parteifreunde nehme sie ernst. Darum habe sie mehrfach nach den entsprechenden Prüfungen und Abstimmungen gefragt. Anders kündigt an, dass sie persönlich dafür eintreten werde, die Sache vollständig aufzuklären, um den Mitgliedern transparent und umfassend darzulegen, was geschehen sei und welche Folgen es habe.
Über diese Frage werden zwischen Wiesbaden und Berlin gegenwärtig intensive Gespräche geführt. Nach Informationen der F.A.Z. gehört dazu auch die Frage, ob der hessische Landesverband der Grünen die Kosten für die beiden Auslandsreisen seines Ko-Vorsitzenden Andreas Ewald übernehmen soll. Auf diese Weise lasse sich die Einstufung der Reisen als illegale Parteispenden noch verhindern, meinen die Befürworter dieser Vorgehensweise.
Bundestagsverwaltung mit "Sachverhaltsklärung" befasst
Parteiinterne Kritiker argumentieren, dass es sich sowohl um eine Verletzung der Statuten der Grünen als auch um einen Verstoß gegen das Parteiengesetz handele. Nach Paragraph 27 sind über Mitgliedsbeiträge hinausgehende "Geld- oder geldwerte Leistungen an die Partei" als Spenden zu bewerten. Die Annahme ist aber illegal, wenn sie die Grenze von 1000 Euro übersteigen und aus dem außereuropäischen Ausland kommen.
Wie ernst der Vorgang in Berlin genommen wird, belegt die Tatsache, dass die für Verstöße gegen das Parteiengesetz zuständige Bundestagsverwaltung in dem Fall gegenwärtig mit einer "Sachverhaltsklärung" befasst ist. Das teilte sie der F.A.Z. am Freitag auf Nachfragen mit.
Generell liege in derartigen Konstellationen eine Parteispende nur vor, wenn die Partei eigentlich die Kosten hätte übernehmen müssen und aufgrund der Kostenübernahme von dritter Seite von einer solchen Verbindlichkeit freigestellt werde, heißt es in der kurzen Stellungnahme der Pressestelle des Bundestags.
Kostenübernahme könnte als Eingeständnis gewertet werden
"Diesbezüglich erhalten wir von der Partei eine Mitteilung, ob hier eine generelle oder einzelfallbezogene Regelung beziehungsweise Zusage der Partei vorgelegen hat." Der Landesvorstand vertrat bislang die Auffassung, dass nach der Geschäftsordnung den Landesvorsitzenden die Außenvertretung und die Wahrnehmung von Terminen obliege.
Diese Aufgaben unterlägen keiner Genehmigungspflicht. Der Vorstand sei aber über die Einladungen informiert gewesen. Die Kosten für die Israel-Reise schätzen Parteimitglieder auf rund 5000 Euro. Für die Reise durch die USA werden rund 20.000 Euro veranschlagt. Diese Summen aufzubringen, dürfte für die hessischen Grünen schwierig sein.
Der Landtagswahlkampf war kostspielig, und die staatlichen Erstattungen fallen angesichts der relativ schlechten Ergebnisse bei den Europa- und den Landtagswahlen bescheiden aus. Juristisch wird gegen die Übernahme der Kosten eingewandt, dass sie als eine Art Eingeständnis dafür gewertet werden könnten, dass die Partei unerlaubte Spenden angenommen habe.
Von dem Landesverband der Grünen war am Freitag kurzfristig keine Stellungnahme zu bekommen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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