Wiesbaden - Die geplante Reform des hessischen Kommunalrechts ist bei der Opposition im Landtag auf Kritik gestoßen.

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"Die Landesregierung bastelt sich ihr Kommunalrecht, wie es für CDU und SPD am besten ist", sagte der Grünen-Abgeordnete Christoph Sippel in Wiesbaden. Mit den künftig vorgesehenen Regelungen für die Stimmenauszählung werde verhindert, dass kleinere Parteien die Arbeit in kommunalen Parlamenten angemessen mitgestalten können. "Damit wird das Vertrauen in die Demokratie auf kommunaler Ebene angegriffen", mahnte Sippel. Mit der neuen Zählmethode wird es für Kleinstparteien schwieriger, Mandate bereits mit geringen Stimmenanteilen zu erlangen.

FDP: In einer Demokratie ist Vielfalt wichtig

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Moritz Promny, nannte die Änderungen beim Auszählverfahren einen "Frontalangriff auf demokratische Werte". Eine Gesellschaft sei nicht homogen, sondern bestehe aus einer Vielzahl unterschiedlicher Gruppen und Einzelpersonen, die unterschiedliche Werte, Überzeugungen, Interessen und Identitäten verträten. In einer Demokratie sei es wichtig, diese Vielfalt zu respektieren, sagte Promny. Auf Zustimmung bei der FDP-Fraktion stießen dagegen Pläne, Kommunen die Möglichkeit digitaler Sitzungsformate zu eröffnen.

AfD: Recht auf Bürgerbegehren darf nicht beschnitten werden

Der kommunalpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Bernd Erich Vohl, sagte, er lehne die geplanten Einschränkungen bei Bürgerbegehren entschieden ab. "Gerade den unmittelbar Betroffenen muss die Möglichkeit gegeben werden, über einschneidende Maßnahmen in ihrer Kommune selbst zu entscheiden." Die Praxis zeige, dass von Bürgerbegehren keineswegs inflationär Gebrauch gemacht werde. Um die zügige Realisierung wichtiger Infrastrukturprojekte nicht zu gefährden, sollen nach dem Willen der Landesregierung bei bestimmten Vorhaben künftig keine Bürgerbegehren mehr möglich sein.

Vohl begrüßte dagegen Pläne, dass künftig nicht mehr die vollständigen Adressen von kommunalen Wahlbewerbern und Mandatsträgern veröffentlicht werden müssen. Die nächsten Kommunalwahlen in Hessen sind im März 2026.

Reform soll "Zersplitterung" und "Mammutsitzungen" verhindern

Innenminister Roman Poseck (CDU) verteidigte die geplante Reform. Eine Umstellung des Verfahrens zur Sitzverteilung werde die Arbeit in den kommunalen Parlamenten erleichtern, bekräftigte er. Der Minister führte aus, dass sich aktuell zum Beispiel im Frankfurter Stadtparlament die 93 Sitze auf 16 Gruppierungen verteilten. Bereits Stimmenanteile von unter einem Prozent reichten für ein Mandat. Diese Zersplitterung führe zu Mammutsitzungen, sagte er.

Mit der neuen Zählmethode hätte es im Frankfurter Stadtparlament drei Gruppierungen weniger gegeben - das sei nicht das Ende der Demokratie, argumentierte der Innenminister. Poseck warb auch für die geplante Abschaffung der Ein-Personen-Fraktion, die im Ländervergleich eine hessische Besonderheit sei.

Kritik auch von Freien Wählern und Demokratiebündnis

Die Freien Wähler Hessen, die nicht im Landtag vertreten sind, sehen wegen der Reform die Demokratie in Gefahr. Mit dem geänderten Kommunalrecht wollten CDU und SPD ihre Macht sichern, monierte der Landesvorsitzende Engin Eroglu. "Offensichtlich gefällt es den großen, etablierten Parteien nicht, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Jahren Freude daran gefunden haben, ihren Einfluss unmittelbar auszuüben, durch Engagement und Kandidatur auf Wählerlisten."

Das "Bündnis Demokratische Teilhabe Hessen" forderte unter Bezug auf die eingeschränkten Bürgerbegehren, die Reformpläne zu stoppen und stattdessen die Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung auszubauen. Mit einer Online-Petition seien inzwischen knapp 15.000 Stimmen gegen das Regierungsvorhaben gesammelt worden, teilte das Bündnis mit.

Was unterscheidet das neue Auszählverfahren vom bisherigen?

Bei der Stimmenauszählung für kommunale Parlamente plant die Landesregierung, künftig das d’Hondtsche Höchstzahlverfahren einzusetzen, statt das bisherige Verfahren nach Hare-Niemeyer, das nach dem englischen Rechtsanwalt Thomas Hare und dem Aachener Professor Horst Niemeyer benannt ist. Beim System Hare-Niemeyer werden alle Stimmen für eine Partei mit der Zahl der zu vergebenden Sitze multipliziert. Diese Summe wird dann durch die Gesamtzahl der Stimmen aller an der Sitzverteilung teilnehmenden Parteien geteilt. Die im Ergebnis vor dem Komma stehende Zahl bezeichnet die Sitze für die Parteien. Sind danach noch Mandate übrig, werden sie nach der Höhe der Ziffern hinter dem Komma verteilt.

Bei dem nach dem belgischen Rechtsprofessor Victor d' Hondt benannte Berechnungsverfahren werden die Stimmen der Parteien jeweils durch 1, 2, 3 und so weiter geteilt und die Ergebnisse in einer Tabelle notiert. Anfangend bei der höchsten Zahl wird dann jeweils ein Sitz an die entsprechende Partei vergeben, dann ein Sitz für die zweithöchste Zahl, dann für die dritthöchste Zahl und so fort. Nach Einschätzung von Experten werden durch diese Methode größere Parteien etwas begünstigt.  © Deutsche Presse-Agentur

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