Proteste gegen Einführung: Nur noch 50 Euro Bargeld sollen Flüchtlinge in Hessen erhalten. Zu wenig, finden Initiativen, die das System der Bezahlkarte mit "Wechselstuben" unterlaufen wollen.

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Die Bezahlkarte wird seit 16. Dezember in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Hessen an neu registrierte Flüchtlinge ausgegeben. In einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag kündigten Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) an, dass nun auch die Kommunen gleichzeitig damit beginnen könnten. Doch so einfach es klingt, die Einführung wird hessenweit möglicherweise noch Monate dauern.

Grund dafür ist vor allem das Vergabeverfahren, das nach Verzögerungen erst vor zwei Monaten zu einer Entscheidung geführt hatte. Das Gemeinschaftsprojekt Socialcard, das nun in 14 Bundesländern mit der Einführung der Bezahlkarte beauftragt wurde, arbeitet seitdem daran, den Kommunen die nötigen technischen Anbindungen zu ermöglichen.

Wird ein Flüchtling neu registriert, kann er händisch im neuen und alten System gleichzeitig erfasst werden, daher ist die Einführung der Debitkarte in den Erstaufnahmeeinrichtungen vergleichsweise einfach. Für Asylbewerber, die schon auf hessische Kommunen verteilt sind, sieht die Lage anders aus. Es hätte einen erheblichen Mehraufwand zur Folge, würde man jede Person, die im sozialhilferechtlichen Fachverfahren einer Kommune erfasst ist, händisch auch in das Bezahlkartensystem einpflegen wollen. Bis eine flächendeckende und getestete technische Lösung vorhanden ist, dauert es nach Angaben von Socialcard noch wenige Monate.

Einführung der Bezahlkarte dauert länger

Das hessische Sozialministerium erwartet von den Kommunen die Übernahme der Bezahlkarte bis Ende März, diese Frist könne aber auch verlängert werden. In Frankfurt erwartet man, dass die blaue Visacard für Geflüchtete wahrscheinlich erst im zweiten Quartal eingeführt werden kann, wie Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) vergangenen Donnerstag in der Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung sagte. Zunächst müssten auch datenschutzrechtliche und revisionsrechtliche Fragen geklärt werden.

Anders sieht es für jene 15 Personen aus, die Hessens größter Stadt jede Woche aus der Erstaufnahmeeinrichtung Gießen zugewiesen werden: "Wir übernehmen deren Bezahlkarte. An die 5526 geflüchtete Menschen, die bereits in Frankfurt leben, geben wir allerdings noch keine Karten aus", so Voitl.

Dass die Karte aber grundsätzlich auch in Frankfurt eingeführt wird, steht außer Frage, auch wenn sich die Grünen in der Römer-Koalition noch vor Monaten vehement dagegen ausgesprochen hatten. Der Stadtverordnete Emre Telyakar (Grüne) hatte damals gesagt, dass die Bezahlkarte das Selbstbestimmungsrecht geflüchteter Menschen einschränke, weil sie nicht in allen Geschäften akzeptiert werde, "nicht beim Bäcker, dem türkischen Metzger oder auf dem Markt". Visa werde nicht überall als Zahlungsmittel oder erst von einem bestimmten Umsatz an akzeptiert. In Frankfurt wolle man daher weiter daran arbeiten, die Einführung der Bezahlkarte so fair wie möglich zu gestalten und einen möglichst hohen Auszahlungsbetrag für den persönlichen Bedarf der geflüchteten Menschen zu ermöglichen.

Umtauschaktionen in Wechselstuben

Auf die Bezahlkarte, so wie sie jetzt in Gießen ausgegeben wird, wird den Geflüchteten monatlich ihre finanzielle Unterstützung für ihren Lebensunterhalt überwiesen. Bar abheben können sie lediglich 50 Euro. Damit sollen vor allem missbräuchliche Überweisungen ins Ausland verhindert werden. Gegen die Einschränkung regt sich Widerstand: Wie in Gießen und Darmstadt haben sich auch in Frankfurt Initiativen zusammengeschlossen, um Geflüchteten mehr Bargeld zukommen zu lassen. Dazu gehören die Seebrücke Frankfurt, die ehrenamtliche Beratungsstelle Café United, die Ada Kantine und Sea Eye Frankfurt. Das Bündnis namens "Frankfurt sagt Nein! zur Bezahlkarte" will die Bargeldbeschränkung der Karte durch Umtauschaktionen umgehen, wie Johanna Stoll von Café United erläutert.

Die Idee der "Wechselstuben" ist folgende: Flüchtlinge könnten mit der Bezahlkarte in einem Supermarkt oder einer Drogeriekette einen Gutschein im Wert von zum Beispiel 50 Euro zum Einkauf in diesen Geschäften erwerben. In der Wechselstube würden sie für diesen Gutschein 50 Euro in bar erhalten.

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Damit die Gruppe nicht auf einem Haufen Gutscheinen sitzen bleibt, sind sie jedoch auf Unterstützer angewiesen, die den Wechselstuben wiederum die Gutscheine gegen Bares abkaufen. Wie groß diese "solidarische Zivilgesellschaft", wie Stoll sie nennt, tatsächlich ist, wird sich erst zeigen müssen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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