Nach den Wahlerfolgen der AfD in Thüringen und Sachsen glauben zwei Gäste bei Caren Miosga, dass eine Zusammenarbeit mit der Partei in einigen Fragen nun unvermeidbar ist. Der Ampel wird im ARD-Sonntagstalk ein desaströses Zeugnis ausgestellt – auch weil sie am Aufstieg der Rechtsextremisten einen Anteil hat.
Die AfD dominiert bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, die Ampel schneidet hingegen desaströs ab. Wie geht es jetzt weiter? Darüber wurde am Sonntagabend im Polit-Talk von Caren Miosga gesprochen.
Das ist das Thema
Erstmals wird mit der Thüringer AfD eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft in einem bundesrepublikanischen Landesparlament. In Sachsen konnte Ministerpräsident
Die drei Ampelparteien erleben ein politisches Desaster. Während die FDP in beiden Ländern nicht im Parlament vertreten sein wird, zogen die Grünen nur in Sachsen wieder in den Landtag ein. Die SPD schaffte jeweils die Fünf-Prozent-Hürde, fuhr aber die beiden schlechtesten Landtagswahlergebnisse ihrer Geschichte ein.
Großer Wahlsieger war neben der AfD das Bündnis
Das sind die Gäste
- Thomas de Maizière: Der ehemalige CDU-Bundesinnenminister nahm das Wahlergebnis "sehr betrübt, auch betroffen" zur Kenntnis. Und ordnete ein, dass das Ergebnis der AfD mit Blick auf andere populistische Parteien in Europa eher ein Normalergebnis ist. Als eine Erklärung nannte er die riesige Ablehnung der Ampel – nicht nur im Osten. "Das ist dramatisch, das ist sogar demokratiegefährdend. Im Grunde ist diese Koalition am Ende", sagte de Maizière. Den miserablen Zustimmungswerten der Ampel maß der Wahl-Dresdner auch eine internationale Bedeutung zu. Deutschland brauche angesichts der Krisen und Herausforderungen in der Welt eine akzeptierte Regierung.
Robin Alexander : Der stellvertretende Chefredakteur der "Welt" verwies beim Wahlerfolg der AfD auf die deutsche Geschichte. Für ein Land wie Deutschland sei es "keine kleine Frage", wenn eine rechtsextreme Partei nun so stark abschneide. Das AfD-Ergebnis sei jedoch "nicht vom Himmel gefallen", betonte er. Stichwort: Ampel-Dauerstreit. Dass SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert als Reaktion auf die Ost-Wahlen ein selbstbewussteres Auftreten in der Koalition ankündigte und dabei gegen die FDP stichelte, hält Alexander für einen Fehler. "Genau der falsche Rat: Er rät ja, auch die SPD soll egoistisch ihre Interessen vertreten", so der Journalist. "Wenn die offiziell auf destruktiv schalten, ein Jahr vor der Bundestagswahl, dann ist das keine gute Nachricht."- Anne Hähnig: Für die Redaktionsleiterin von "Zeit Online" ist die größte Konsequenz aus den Wahlen, dass die anderen Parteien aufgrund der Stärke der AfD an gewissen Formen der Verständigung nicht mehr vorbeikommen. In Thüringen und wohl auch in Sachsen erreicht sie eine Sperrminorität von einem Drittel der Abgeordneten. "Jetzt ist man gezwungen, mit der AfD Deals zu machen", so Hähnig. Das könnte ihr längerfristig nutzen, als erste Schritte zu zukünftigen Regierungsbeteiligungen. Die gebürtige Sächsin sieht auch den Zeitgeist in Deutschland und Europa, der ihrer Analyse zufolge nach rechts gerutscht ist, als ein Problem für die Ampel und einen Grund für die Stärke der AfD. Forderungen wie aus der CDU, die Grenzen Deutschlands dichtzumachen, seien vor Jahren noch undenkbar gewesen.
Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"
Thomas de Maizière fiel es sichtlich schwer, aber er plädierte angesichts der neuen Lage für eine pragmatische Zusammenarbeit mit der AfD im neuen Thüringer Landtag. Bei Themen wie der Geschäftsordnung oder der Wahl des Landtagspräsidenten. Ein Posten, auf den die AfD als stärkste Fraktion nach demokratischen Gepflogenheiten einen Anspruch hätte.
"Um die AfD nicht zum Opfer zu machen, muss man die Regeln, die man bisher angewendet hat, auch anwenden. Das ist schon sehr schwer", sagte der CDU-Politiker. "Wenn Herr
Das ist der zweite Moment des Abends
Hat schon mal ein Journalist die Ampel in fünf Sätzen so auseinander genommen wie Robin Alexander? Die Ampel liefere Kritik an sich selbst immer gleich mit. Das würde es schwierig machen für die Journalisten.
Normalerweise würden sie das Haar in der Suppe suchen. "Aber diese Regierung stellt die Suppe hin, sagt: 'Schmeckt nicht, aber geben wir euch trotzdem'", so Alexander. "Wenn eine Regierung selber sagt: Wir sind nicht gut, dann glauben das die Leute irgendwann."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Thomas de Maizière ist einer der geistigen Väter des Unvereinbarkeitsbeschlusses der CDU gegenüber der AfD und der Linkspartei aus dem Jahr 2018. Nun warf ihm Zeit-Journalistin Hähnig vor, dass sie wegen dieser Beschlusslage in Thüringen vor fünf Jahren ihrer staatspolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden sei – weil damals ein stabiles Bündnis unter Einbeziehung der Linken abgelehnt wurde. "Sie hat weder Neuwahlen ermöglicht, noch eine Regierungsmehrheit."
Nun steht die CDU wieder vor der Frage, weil laut vorläufigem Endergebnis in Thüringen keine stabile Regierung ohne Duldung oder direkte Zusammenarbeit mit der Linken zustande kommen kann. "Ich frage mich schon", fragte Hähnig de Maizière, "ob ihre Partei dieses Mal ihrer Verantwortung gerecht wird oder nicht".
De Maizière drückte sich um eine direkte Antwort. Dann sprach er von der enormen Last der Verantwortung bei der CDU, die in beiden Ländern eine Regierung in einer völlig neuen Konstellation zustande bringen muss. Belehrungen von außerhalb der CDU verbat sich de Maizière – auch vom bayerischen Ministerpräsidenten
So hat sich Caren Miosga geschlagen
Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte seinen Parteigenossen
Auch an anderer Stelle spottete die Gastgeberin über den Noch-Regierungschef. Als Robin Alexander erklärte, dass Scholz nur Kanzler wurde, weil Annalena Baerbock und Robert Habeck (beide Grüne) und Armin Laschet (CDU) historisch schlechte Wahlkämpfe geführt haben und die SPD Scholz zuvor nicht mal als Vorsitzenden haben wollte, kommentierte sie: "Ein bisschen: Shit happens." War das "nur" frech oder schon ein bisschen respektlos? Ihren Gästen war's egal, sie konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Ein Aspekt wurde in der Sendung anders als in den Sondersendungen nach den Wahlen ein wenig vergessen. Wenn die AfD es als undemokratisch geißelt, dass sie trotz des Gewinns von gut einem Drittel der Stimmen in beiden Ländern nicht an einer Regierung beteiligt wird, hat sie aus Sicht vieler Wähler einen Punkt. Mindestens bedient es ihr Opfernarrativ, die Partei und der Wille ihrer Wähler werde ignoriert. Man muss diesem Argument nicht folgen, aber man sollte es und seine möglichen Folgen diskutieren.
Das ist das Fazit bei "Caren Miosga"
Was folgt aus den Wahlerfolgen für die AfD und das BSW? Die in Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD wird mit der Regierungsbildung in beiden Ländern nichts zu tun haben. In den Augen Robin Alexanders ist das dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gar nicht so unrecht. Er wolle sich "daran weiden, dass der Rest ohne ihn schwerer zu regieren" sei und das "starke Opfer sein".
Und das BSW? Alexander witzelte mit Blick auf Koalitionsgespräche und die omnipräsente Partei-Namensgeberin: "Da bin ich aber gespannt, ob sich Sahra Wagenknecht aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht raushalten wird!" Anne Hähnig vermutet, dass das BSW eigentlich kein Interesse an einer Regierungsbeteiligung hat. Es würde sich so kurz nach der Gründung womöglich entzaubern, Wagenknecht sei schon bei der Linkspartei gegen das Regieren gewesen. Auch de Maizière traut ihr die "Mühen der Ebene", etwa ein Ministeramt, nicht zu. "Ich denke, dass es sie einen Dreck interessiert, wie viele Lehrer es in Sachsen gibt."
Apropos Sachthemen. Eines beschäftigte die Menschen vor den Wahlen besonders: die illegale Migration nach Deutschland. Alexander wies auf die Dringlichkeit hin, die Frage fast zehn Jahre nach der großen Einwanderungswelle zu lösen. "Die politische Mitte muss da eine Regelung finden. Das Thema muss runter. Sonst reibt es die politische Mitte auf." De Maizière schlug eine nationale Abschiebebehörde vor. Und die Abschiebungen sollten zentral in die Hände der Bundespolizei gelegt werden. Selbst Anne Hähnig von der linksliberalen "Zeit" forderte eine Lösung der Migrationsfrage – auch um das Sterben im Mittelmeer zu beenden.
Wie geht es nach den desaströsen Ergebnissen in Erfurt und Dresden für die Ampel weiter? Robin Alexander legte Bundeskanzler Scholz den Rücktritt nahe, wenn wer merkt, dass er es in einer Dreierkonstellation einfach nicht hinbekommt. "Dann soll's der Merz versuchen." Wenn nicht doch noch CSU-Chef Markus Söder dazwischengrätscht!
Doch Thomas de Maizière wollte da etwas gehört haben. Vielleicht, so munkelte das Ex-Präsidiumsmitglied, präsentiert die CDU schon vor den Landtagswahlen am 22. September in Brandenburg ihren Kandidaten. Kein Gezerre um die Kanzlerkandidatur – das wäre schon mal ein Anfang, um die AfD nicht noch weiter zu stärken.
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