Koblenz/Mainz/Trier - Kostenlose Bus- und Bahnfahrten an einigen Samstagen in Mainz, ein gemeinnütziges Bildungs-Startup in Bendorf - und ein außerschulischer Lernort der Handwerkskammer in Kaiserslautern.
Mit unterschiedlichen Projekten und Konzepten versuchen Städte und Kommunen ihre Zentren in Zeiten von Onlinehandel, Klimawandelfolgen und hohen Mieten zu beleben und weiterzuentwickeln.
Die rheinland-pfälzische Landesregierung unterstützt einige Vorzeigebeispiele. Denn die "Innenstädte der Zukunft" sind ein Regierungsschwerpunkt der Ampel, die Federführung liegt bei der FDP und damit bei Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt.
Die Landesregierung unterstützt Modellprojekte finanziell
Das gemeinnützige Startup MarkerSpace Mayen-Koblenz in Bendorf beispielsweise ist eines der vom Ministerium unterstützten Modellprojekte. In einem Leerstand in der Innenstadt werden ehrenamtliche Angebote zur MINT-Bildung entwickelt. Das Wirtschaftsministerium spricht von einem "attraktiven Bildungsort für junge Menschen", der wichtige soziale Funktionen erfülle und mehr Menschen in die Innenstadt ziehe.
Die Handwerkskammer der Pfalz will in Kaiserslautern ein Gebäudemodell errichten, das Einblick in die modernen Technologien eines Smarthomes ermöglicht, wie es im Ministerium heißt. Das Modell solle als außerschulischer Lernort für junge Menschen dienen und sie ebenfalls an die Themenfelder Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) heranführen. Mit vielfältigen Angeboten werde das vom Wirtschafts- und Innenministerium unterstützte "Projekt 42" die Attraktivität der City für Besucher steigern, ist Schmitts Ministerium überzeugt.
Gemeinsam ein Quartier moderner machen
Finanziell unterstützt werden auch Initiativen von Immobilienbesitzern, Händlern und Gastronomen, die ihr Quartier weiterentwickeln möchten - wie etwa in Koblenz und Diez. Bis zu 15.000 Euro gibt es laut Ministerium für den Anschub solcher Projekte etwa für Marketingkonzepte, Rechtsberatung und Veranstaltungen. Nach der Gründung könnten noch einmal bis zu 150.000 Euro fließen.
"Städte, die sich zu Fuß erleben lassen, sind attraktiver und bieten eine höhere Lebensqualität", stellt das Ministerium weiterhin fest. Zehn Kommunen würden daher kostenlose "Fußverkehrschecks" anbieten, um den Fußverkehr systematisch zu fördern. Ausgewählt werden sie über einen Wettbewerb.
Eine gute Anbindung mit Bus und Bahn ist entscheidend
Das kostenlose Bus- und Bahnfahren in Mainz an jedem ersten Samstag im Monat führt nach Darstellung von Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) dazu, dass mehr Menschen in die Stadt kommen. Rund 25.000 Euro koste jeder Tag mit diesem Angebot, hatte er früher gesagt.
Der Leerstand in den Innenstädten ist nach Darstellung von Wirtschaftsgeograf Michael Mießner von der Universität Trier nicht nur eine Folge des Onlinehandels, sondern auch von Stadtentwicklungspolitik: "Wenn wir in den suburbanen Orten immer mehr größere Zentren schaffen, wo dann neben dem Nahversorger auch verschiedene Stores sind, dann ziehen wir damit natürlich auch potenzielle Käuferinnen und Käufern aus den zentralen Lagen in den Städten an die Randlagen", sagt der Experte für Stadtentwicklung.
Aus Inhaber-geführten Läden werden immer mehr Gastronomiebetriebe
Um Innenstädte attraktiver zu machen, brauche es gute Anbindungen mit Bus und Bahn, ergänzt Mießner. Zudem müssten Kunden lernen, dass sie nicht überall mit dem Auto vorfahren könnten.
Andreas Göbel vom Landkreistag fordert, der ÖPNV müsse so attraktiv sein, dass er stärker genutzt werde. "Es müssen moderne und umweltfreundliche Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die sowohl die Erreichbarkeit der Innenstädte verbessern als auch dem Klimaschutzzielen Rechnung tragen", heißt es auch beim Städtetag.
Was im Moment in den Innenstädten dagegen besser funktioniere, sei die Gastronomie, sagt Mießner. "Was wir sehen, ist eine Art Austausch von Inhaber-geführten Läden, die Stück für Stück ersetzt werden durch Gastronomiebetriebe."
Kostenlose Aufenthaltsqualität erhöhen
Zentrale Frage sei, wie man mit erhöhten Leerständen umgehen solle, sagt der Professor. Sinnvoll sei es, "soziale Orte" oder "Orte der Begegnung" zu schaffen. Dabei müsse es neben Gastro-Angeboten, die Geld kosteten, auch Angebote geben, die kostenfrei seien, erklärte der Professor. "Sonst haben wir einen großen Teil der Bevölkerung nicht abgedeckt." Wichtig sei es auch, "die Aufenthaltsqualität" in Städten zu erhöhen, auch unter freiem Himmel mit guten Sitzgelegenheiten, auch überdacht und beschattet.
In den Innenstädten "treffen die Menschen aufeinander und wollen sich austauschen", sagt der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebunds, Moritz Petry. "Dem muss über Raum für Begegnungen, mehr Grün, mehr Aufenthaltsqualität, mehr Kultur beziehungsweise Feste und Erlebnisse, aber auch mehr Wohnraum und unter Umständen auch Handwerk in der Innenstadt Rechnung getragen werden."
Ländlichen Raum und Städte zusammen denken
Stadt und Land müssen mehr zusammen gedacht werden, gibt Göbel zu bedenken. "Die Städte sollte nicht ohne den ländlichen Raum gedacht werden und umgekehrt." Kultur und Gesundheitsversorgung etwa zögen die Menschen in die Städte. Beim Wohnen hingegen biete der ländliche Raum Chancen. Allerdings würden viele Ortskerne aussterben, während die Mieten in den Städten stiegen. Da müsse viel vernetzter gedacht werden. © Deutsche Presse-Agentur
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