Essen - Der Industriekonzern Thyssenkrupp hält am Bau einer milliardenteuren Anlage zur CO2-ärmerem Stahlherstellung in Duisburg fest.

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Trotz einer möglichen Kostensteigerung geht das Unternehmen nach Worten von Thyssenkrupp-Chef Miguel López davon aus, dass die Anlage "realisiert werden kann". "Wir stehen unverändert zu unserem Bekenntnis zur grünen Transformation und zur klimaneutralen Stahlproduktion", sagte der Manager bei der Vorlage der Jahreszahlen für das Ende September beendete Geschäftsjahr 2023/24 in Essen.

Die sogenannte Direktreduktionsanlage zur Produktion von "Grünstahl" soll einen klassischen Hochofen ersetzen. Sie soll zunächst mit Erdgas, später dann mit Wasserstoff betrieben werden. Die Anlage soll rund drei Milliarden Euro kosten. Davon wollen der Bund rund 1,3 Milliarden Euro, das Land NRW rund 700 Millionen Euro übernehmen. Der Bau hat bereits begonnen. Von den insgesamt zwei Milliarden Fördermitteln sind laut López bislang rund 700 Millionen Euro geflossen. Die Stahlsparte des Konzerns, Thyssenkrupp Steel, ist Deutschlands größter Stahlhersteller.

Thyssenkrupp-Chef will schnelleren Bau von Wasserstoff-Pipelines

López forderte einen schnelleren Aufbau eines Wasserstoff-Pipelinenetzes in Europa. Pipelines seien das einzige effiziente Transportmittel, so der Manager. Die neue Anlage benötige 140.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Sobald man wisse, wann die Pipeline tatsächlich fertig ist, könne man sich um die benötigten Mengen kümmern. "In dem Moment, wenn wir diese Pipeline-Termine auch tatsächlich haben, dann können wir die Frage stellen: Wer kann das produzieren? In welchem Umfang?" Laut López warten die Produzenten darauf, Gewissheit zu bekommen.

Die defizitäre Stahlsparte mit rund 27.000 Beschäftigten steht vor einem tiefgreifenden Umbau. Geplant ist ein deutlicher Kapazitätsabbau, der auch mit Stellenstreichungen verbunden sein wird. López bekräftigte frühere Aussagen, wonach die Neuaufstellung der Stahlsparte möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen soll. "Ein Zeitplan über viele Jahre und die demografische Entwicklung bilden dafür den Rahmen", sagte er. Wie die Sparte künftig aufgestellt sein soll, wird seit geraumer Zeit vom Stahl-Vorstand ausgearbeitet. Der sogenannte Businessplan solle in ein bis zwei Monaten vorliegen, sagte López.

Die Neuaufstellung der Stahlsparte sei "das Richtige für Deutschland". "Wir sorgen für eine widerstandsfähige, kosteneffiziente und umweltfreundliche Stahlproduktion. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag, um die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit dem wichtigen Rohmaterial Stahl zu sichern", so López.

López: Zusammenarbeit mit Stahl-Miteigentümer "außerordentlich konstruktiv"

Gleichzeitig soll die Sparte verselbstständigt werden. Geplant ist ein 50:50 Gemeinschaftsunternehmen mit dem tschechischen Energieunternehmen EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky, der bereits 20 Prozent hält. "Die Zusammenarbeit mit unserem Mitgesellschafter EPCG läuft außerordentlich konstruktiv - wie auch die Gespräche über eine Vertiefung unserer Partnerschaft", sagte López.

Thyssenkrupp hat nicht nur die Umstellung der eigenen Produktion in Richtung Klimaneutralität im Blick. López sprach auch von "unternehmerischen Chancen, die mit der grünen Transformation der Industrie verbunden" seien. Thyssenkrupp verfüge über weltweit führende Technologien, mit denen sich ein Großteil der heute entstehenden CO2-Emissionen verringern ließen.

So habe etwa der Anlagenbauer Polysius eine Technologie für CO2-neutrale Zementwerke. Der Anlagenbauer Thyssenkrupp Nucera biete eine effiziente Lösung zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab. Gute Perspektiven sieht López auch für den Anlagenbauer Uhde und den Hersteller von Großwälzlagern für Windräder, Rothe Erde. "Wir glauben sehr fest daran, dass es gelingen wird, mit der Ausrichtung auf die grüne Transformation auch die seit vielen Jahren andauernde Krise bei Thyssenkrupp zu überwinden und den Konzern in eine erfolgreiche, profitable Zukunft zu führen", sagte López.

1,4 Milliarden Euro Verlust im Geschäftsjahr 2023/24 - trotzdem Dividende

Im vergangenen Geschäftsjahr 2023/24 machte die Konjunkturschwäche dem Konzern weiter zu schaffen. Bis Ende September gingen Umsatz und Auftragseingang deutlich zurück, der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sackte um 19 Prozent auf 567 Millionen Euro ab. Unterm Strich wies das im MDax notierte Unternehmen einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro (Vorjahr: minus 2,0 Mrd Euro) aus, der vor allem auf Wertberichtigungen im Anlagevermögen, aber auch Kosten für Restrukturierungen zurückgeht. Der Hauptversammlung will der Vorstand trotzdem eine Dividende von 15 Cent je Aktie vorschlagen.

Wegen einer erwarteten Stabilisierung der Nachfrage im zweiten Halbjahr geht das Unternehmen für das laufende Gesamtjahr von einer Umsatzsteigerung aus, die bis zu 3 Prozent betragen kann. Das bereinigte Ebit soll zwischen 0,6 Milliarden bis 1,0 Milliarden Euro liegen. Beim Jahresüberschuss erwartet der Konzern eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen mit einem Wert zwischen 100 Millionen und 500 Millionen Euro. Zu dem Unternehmen gehören neben Stahl auch die Sparten Werkstoffe, Marineschiffbau, Autoteile und grüne Technologien. Ende September beschäftigte der Konzern gut 98.000 Menschen, zwei Prozent weniger als ein Jahr zuvor.  © Deutsche Presse-Agentur

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