Die Schlammschlacht in der Kölner CDU geht in die nächste Runde. Weil Mitgliedsbeiträge über Jahre hinweg nicht eingetrieben wurden, droht dem ehemaligen geschäftsführenden Kreisvorstand nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" von der eigenen Partei eine Schadensersatzklage in sechsstelliger Höhe.
Sollte die parteiinterne Forderung durchgesetzt werden, müssten etwa die Bundestagsabgeordnete
425.000 Euro soll der Wahlkampf für Reker gekostet haben
Die inzwischen gelösten Geldprobleme der Kölner CDU sind bekannt, und sie haben viele Gründe. Schon bei einer internen Sitzung des geschäftsführenden Kreisparteivorstands am 26. Oktober 2020 lieferte der damalige Schatzmeister und heutige Bürgermeister Ralph Elster laut internen Protokollen ein besorgniserregendes Bild zur Finanzlage des größten Kreisverbandes in NRW. Die Wiederwahl von Oberbürgermeisterin Henriette Reker war die Kölner CDU demnach teuer zu stehen gekommen. Rund 425.000 Euro habe der Wahlkampf für die parteilose Politikerin gekostet. Die Spenden herausgerechnet, sei noch ein Soll von 200.000 Euro übriggeblieben. Ein Drittel sollte der grüne Koalitions-Partner begleichen, die CDU die restlichen zwei Drittel der Summe, heißt es in den Unterlagen der Partei.
Laut einem Rechenschaftsbericht stand die Kreispartei Ende 2023 kurz vor der Insolvenz. Zusätzlich verschärfte sich die Lage, weil die Altvorstände der Kölner Christdemokraten um Petelkau seit 2018 darauf verzichtet hatten, nicht gezahlte Mitgliedsbeiträge per Inkassoverfahren einzutreiben, beklagt jetzt die neue Parteispitze um Karl Mandl. Und das offenbar, weil der zuvor viele Jahre amtierende geschäftsführende Parteivorstand mit Petelkau, Güler, Elster und Braun dies sehenden Auges zugelassen haben soll.
Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" liegt eine Liste mit 160 säumigen Parteimitgliedern vor. Parteiinterne Protokolle legen nahe, dass Nichtzahler zwar abgemahnt, aber die Beiträge nicht eingetrieben wurden. Vielmehr soll der Kölner Kreisverband sogar selbst monatlich circa zwei bis drei Euro je Mitglied an die Bundes- oder Landespartei gezahlt haben, um die Zahl der Delegierten auf Parteitagen aufrechtzuerhalten.
Auch der ehemalige Oberbürgermeister Fritz Schramma wollte damals laut einem Vorstandsprotokoll nicht zahlen. In einer E-Mail vom Februar 2018 hatte der Alt-OB der Finanzbuchhalterin in der Kölner Parteizentrale mitgeteilt, dass er als Ehrenvorsitzender der Partei keine Mitgliedsbeiträge leisten müsse. Der Vorstand beschloss, noch einmal mit Schramma zu sprechen, um ihn zu bewegen, wenigstens den monatlichen Mindestbeitrag zu überweisen.
Ein Ehrenmitglied, das Beiträge zahlen soll? "Widersprüchlich", sagt der Ex-OB auch heute noch, und man spürt, dass ihm noch so manche andere Vokabel dazu einfallen würde. Statt einen Beitrag zu zahlen, habe er dann gelegentlich gespendet. Und nachdem er im Sommer 2021 – aus Protest gegen den alten Parteivorstand um Petelkau – den Ehrenvorsitz abgegeben hatte, habe er wieder den normalen Mitgliedsbeitrag überwiesen. "Und zwar für die ganze Familie", sagt Schramma und lacht.
Die Finanzen der Kölner CDU indes konnte das nicht retten. Laut einem Bericht an den Kreisvorstand belief sich der Schuldenstand im Oktober 2023 auf gut 400.000 Euro. Der wurde durch Zuwendungen namhafter Spender wie etwa dem Immobilien-Unternehmer Christoph Kahl (180.000 Euro) zwar ausgeglichen. Die Geldgeber jedoch pochten auf eine interne Aufklärung der mutmaßlichen Versäumnisse. Da half es offensichtlich auch nicht, dass das einstige Gremium um Petelkau und Güler mehrfach betonte, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hätten.
Dass der Streit um mögliche Schadenersatzansprüche aber gerade jetzt eskaliert, ist vermutlich die Folge des Lager-Streits in der Kölner CDU. Wie berichtet, hatte die parteiinterne Initiative "Zukunft jetzt" um Karl Mandl den damaligen Parteichef Petelkau im März 2023 abgelöst. Schatzmeister Sebastian Benz bestätigte dieser Zeitung im Oktober, dass die Streitigkeiten und die möglichen Schadenersatzforderungen zusammenhängen, er sagte damals: "In der Partei scheinen einige zu glauben, dass es Schadenersatzansprüche geben könnte. Doch das ist völlig offen. Die Diskussion darum ist allerdings auch getrieben von innerparteilichen Diskussionen der Vergangenheit, die abgeschlossen sind."
Doch diese sind offenkundig nicht abgeschlossen, sondern brachen stärker als zuvor rund um die vorerst gescheiterten Oberbürgermeister-Pläne von Parteichef Karl Mandl auf – obwohl es vorher Gerüchte um einen möglichen Frieden zwischen Fraktionschef Petelkau und Mandl gab. In der Sitzung des erweiterten Vorstandes am 28. November sollte das Gremium ein Stimmungsbild liefern, ob die Partei zwei Tage später tatsächlich ihren OB-Kandidaten wählen sollte. Daran kamen Zweifel auf, weil Mandl eine Woche zuvor weitgehend im Alleingang angekündigt hatte, das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt beenden zu wollen, aber noch am selben Abend plötzlich keinen "Handlungsbedarf mehr sah". Eine Welle der Empörung folgte.
Experte für Wirtschaftsstrafrecht kennt solche Fälle
Rund vier Stunden vor der Sitzung des Vorstandes am 28. November versendete Vize-Parteichef Thomas Schneider wie berichtet eine E-Mail an seine Kolleginnen und Kollegen des geschäftsführenden Vorstandes. Darin forderte er eine juristische Aufarbeitung der Finanzen, "weil ich nicht persönlich haften will". Einige Parteimitglieder halten die Mail für einen Versuch, die Abstimmung am Abend zu beeinflussen, damit das Petelkau-Lager gegen die Vertagung stimmt, um im Gegenzug die möglichen Schadenersatzansprüche vom Tisch zu haben. Das funktionierte nicht: Die nicht bindende Abstimmung fiel deutlich aus: 20 von 24 Mitgliedern votierten dafür – und damit gegen die mögliche Wahl von Mandl zum OB-Kandidaten.
Der Anwalt Tony Rostalski, Experte für Wirtschaftsstrafrecht, kennt derartige Fälle zur Genüge. "Sollten die Altvorstände grob fahrlässig oder gar mit Vorsatz gehandelt haben, wenn sie wegen des Parteifriedens die säumigen Mitglieder nicht zur Kasse gebeten haben, dann müssten die Verantwortlichen auch für ihre Verstöße haften", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Die Getreuen um CDU-Fraktionschef Petelkau indes sehen dies anders. Nach ihrer Ansicht kommt die sogenannte "Business Judgement Rule" zum Tragen, heißt es im Kreisvorstand-Rechenschaftsbericht 2023. Ähnlich wie bei einer GmbH müsse auch der Vorstand "die unterschiedlichen Interessen auf Grundlage aller zur Verfügung stehenden Informationen gegeneinander abwägen." Bedeutet im Umkehrschluss: Um Massenaustritte nichtzahlender CDU-Mitglieder zu verhindern, verzichtete die ehemalige Parteispitze auf Beiträge in sechsstelliger Höhe. Dieses Argument wurde Zeugen zufolge genannt, als die Partei Anfang 2024 laut Vorstandsprotokoll finanziell schwer zu kämpfen hatte.
Der Riss scheint unüberwindbar
Der Riss in der Kölner CDU jedenfalls scheint unüberwindbar. Seit zwei Wochen beharken sich die Altvorstände mit der amtierenden CDU-Führung, dem Vernehmen nach gelegentlich auch lautstark. Bei einem Treffen kam es zur Abstimmung darüber, ob eine Schadensersatzklage gegen die Mitglieder des alten geschäftsführenden Kreisvorstands vorbereitet werden soll. Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" zufolge kam es zu einem Patt: Serap Güler, Schatzmeister Sebastian Benz und der Landtagsabgeordnete Florian Braun votierten dagegen, eine entsprechende Klage vorzubereiten. Parteichef Mandl sowie sein Vize Schneider und der Kreisgeschäftsführer Bastian Ebel jedenfalls stimmten dafür, eine Schadensersatzklage rechtlich prüfen zu lassen. Viel Zeit, die früheren Verantwortlichen zu belangen, bleibt nicht mehr: Im kommenden Jahr sind etwaige Regressansprüche verjährt.
Nachdem der "Kölner Stadt-Anzeiger" einen Fragenkatalog unter anderen an den ehemaligen Parteichef Petelkau geschickt hatte, meldete sich ein Medienanwalt. "Die Mandanten und der gesamte Vorstand verhielten sich stets rechtstreu und hielten die Vorgaben der Satzung ein", teilte der Anwalt mit. "Ein Inkassoverfahren war und ist in der Satzung nicht vorgesehen und wurde auch in späteren Zeiten, auch von dem soeben in die innerparteiliche Kritik geratenen Kreisvorstand nicht praktiziert."
Zur Frage einer Schadensersatzklage gegen die Altvorstände teilte der Anwalt mit: "Eine solche Klage hätte keine Erfolgsaussicht. Deshalb ist es höchst zweifelhaft, ob eine solche Klage überhaupt erhoben wird oder die von Ihnen zitierte Aufforderung den interessierten Kreisen allein dazu dient, ein in jeder Hinsicht rechtmäßiges Verhalten des damaligen Vorstandes substanzlos zu skandalisieren." In den "vielen Jahren der Vorstandstätigkeit unserer Mandanten" habe es "ein regelmäßiges Mahnwesen" gegeben, mit dem sichergestellt worden sei, dass säumige Mitglieder kein Stimmrecht hatten. "Alle säumigen Zahler wurden in Wählerlisten markiert und konnten von ihrem Stimmrecht auf Parteitagen oder bei anderen Wahlveranstaltungen keinen Gebrauch machen", so der Anwalt.
Die neue Kölner Parteispitze scheint diese Rechtsauffassung nicht zu teilen, sucht aber offenbar nach einem Kompromiss. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" soll es in dieser Woche eine Sondersitzung geben. Zum einen sollen die Altvorstände bei dem Treffen einem Verjährungsverzicht für die gegen sie erhobenen Vorwürfen zustimmen, zum anderen soll eine Anwaltskanzlei beauftragt werden, die Rechtslage zu prüfen. "Der neue Parteivorstand ist sehr daran interessiert, dass die Angelegenheit korrekt und objektiv aufgeklärt wird", betonte ein führender CDU-Funktionär. © Kölner Stadt-Anzeiger
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