Die Wohnungen sind ausgeräumt, die Wände kahl, die Schritte hallen in den leeren Zimmern. In den meisten Küchen fehlen die Arbeitsgeräte, doch fast alle Bäder machen einen erstaunlich modernen, gepflegten Eindruck.

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Für knapp zwei Millionen Euro könnte die Gemeinde Odenthal den ehemals landwirtschaftlich genutzten Betrieb in Hochscherf mit insgesamt sieben Wohneinheiten in mehreren (teils auch vermieteten) Häusern unterschiedlichen Baujahrs erwerben, zudem Nebengebäude, Wiesen- und Waldgrundstücke – insgesamt rund 30 Hektar.

Zu erreichen ist die abgelegene Hofschaft bisher allerdings nur über eine äußerst schmale Straße. Das älteste Gebäude - das alte Bauernhaus - wurde nach Angaben der Volksbank Berg, die das Objekt im Auftrag des Eigentümers vermarktet, um 1900 errichtet, das jüngste um 1993.

Die SPD hält Hochscherf für eine Alternative zum Neubau in Höffe

Die SPD-Fraktion Odenthal hatte das Objekt in der Diskussion um den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Höffe ins Spiel gebracht: Nach Ansicht von Fraktionschef Oliver Deiters eine günstige Gelegenheit, um hier in Hochscherf ohne langen Vorlauf und große Umbauten geflüchtete Menschen unterbringen zu können. Zudem könnten die Wiesen für Photovoltaikanlagen genutzt werden und so einen Beitrag zur gemeindlichen CO₂-Bilanz leisten, so die Befürworter des Projektes.

Am Montag inspizierten Vertreter von SPD, Grünen und FDP, geführt von Günter Theunissen von der Volksbank Berg, die Immobilien und das Gelände. "Hier könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", meinte Erhard Schulz (SPD): Die Häuser böten je nach Belegung sicherlich Raum für mehr als 20 Geflüchtete, die umliegenden Wiesen böten sich für Photovoltaik-Freiflächenanlagen an. Nach Informationen der SPD liege ein Angebot der Rhein-Energie als möglicher Betreiber einer solchen Anlage vor, die für eine jährliche Pachtzahlung an die Gemeinde von 45 000 sorgen könnte.

Die Hofschaft Hochscherf wird noch mit Öl beheizt

Anne Brandt, sachkundige Bürgerin der SPD und seit Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig, war angetan von den Wohnungen. Sie böten gute Möglichkeiten für die Unterbringung von Geflüchteten. Eher kritisch beurteilte Josef Stegemann, Ratsherr der Grünen, die energetische Situation: Geheizt werde noch mit Öl und zumindest in einem der Objekte fehle die Dachdämmung.

Für die Odenthaler Verwaltung geht die Rechnung, Hochscherf käuflich zu erwerben, allerdings gleich aus mehreren Gründen nicht auf. Als Ersatz für den geplanten Flüchtlingsneubau in Höffe, der ursprünglich für 60 bis 80 Menschen konzipiert war und derzeit immerhin noch für etwa 40 Personen geplant wird, reichten die Wohnungen in Hochscherf nicht aus.

Verwaltung rät vom Kauf wegen fehlender Planungssicherheit ab

Zudem sei die Immobilie "in Relation zu teuer", sagte Bürgermeister Robert Lennerts (parteilos) zum zwei Millionen-Angebot. Als Nachbar in Eikamp kenne er das Anwesen gut und wisse daher auch um die Probleme, die zu erwarten seien und perspektivisch Kosten verursachen würden. So sei die Hoflage nicht an den Kanal angeschlossen, auch die derzeitige Wegeführung sei "nicht korrekt". Eine mögliche Trasse ist bisher ein Provisorium.

Bei Erwerb durch die Gemeinde müsste die Infrastruktur mit großem finanziellem Aufwand geschaffen werden. Hier hohe Summe zu investieren sei nur mit entsprechender Planungssicherheit zu verantworten, meint der Rathauschef. Genau diese Sicherheit bestehe aber nicht: "Derzeit bekommen wir keine Genehmigung für einen Bebauungsplan von der Bezirksregierung", so Lennerts.

Die befristete Unterbringung von Geflüchteten sei möglich

Das sei für ihn ein K.-o.-Kriterium: "Wir können dort nicht Millionen ausgeben, nicht wissend, was wir damit machen können. Das können wir uns einfach nicht leisten." Unter anderem am Planungsrecht sei schon der Odenthaler Bauhof in Hochscherf gescheitert und es schrecke offenbar auch andere Interessenten ab.

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Die befristete Unterbringung von Flüchtlingen, für die Sonderregeln gelten, sei in Hochscherf sicherlich möglich, so Lennerts. Allerdings liege die Hofanlage abgelegen an der Schallemicher Straße. Die verfüge über keinen Bürgersteig, der Bus fahre nur selten. Für Einkäufe oder Behördengänge sei das schwierig – wenn auch nicht das ausschlaggebende Kriterium.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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