"Ich kann Hamburg, München oder Berlin absagen, nicht aber Waldbröl." So begann der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler den Samstagabend in der Marktstadt – nachdem er zuvor wegen einer Bronchitis beim Arzt gewesen war.
Dessen medizinischer Rat lautete: Klappe halten. Dem aber wollte der 70-Jährige nicht nachkommen und eröffnete mit seinem neuen Programm "Herr Schmickler bitte!" in der Aula des Hollenberg-Gymnasiums die diesjährige Runde der Comedy- und Kabarettreihe "Waldbröl lacht". Gastgeber sind der Förderverein "Waldbröl erleben" und die "Wir für Waldbröl"-GmbH.
"Wir sind stolz, einen der renommiertesten Kabarettisten Deutschlands hier bei uns begrüßen zu dürfen", freute sich Leo Wehling, Vorstandssprecher von "Waldbröl erleben" – und Schmickler revanchierte sich mit seinem Bekenntnis zur Marktstadt. Gut gelaunt widmete er sich zunächst der modernen Smartphone-Kultur, die von Ängsten wie "Fobo" (Fear of being offline – Angst, keinen Empfang zu haben) geprägt sei. Neulich während einer Beerdigung habe ein Handy geklingelt: "Ist aber keiner drangegangen, denn das Bimmeln kam aus dem Sarg." Andere litten unter "Fomo" (Fear of missing out – Angst, etwas zu verpassen).
Schmickler kündigt in Waldbröl Parteigründung an
Die Bilderflut von Bekannten vermittle das Gefühl, immer an der falschen Stelle zu sein, während sich die anderen prächtig amüsieren: "Das ist wie bei meiner Tante Hilde – nachdem sie im Restaurant etwas bestellt hatte, war sie überzeugt, das Essen am Nebentisch wäre besser gewesen." Ein Rätsel sei ihm, warum Menschen im Internet bedenkenlos ihre Daten zur Verfügung stellten, mit denen Riesenkonzerne die Herrschaft über die Welt übernehmen wollen. Jedenfalls habe sich eines etabliert: "Digital first – Denken second."
Brillant leitete der Verbalakrobat zur Politik über. Während hierzulande über die Work-Life-Balance diskutiert werde, arbeiteten die Japaner etwa ohne Unterlass: "Manchmal 50 Stunden am Tag." Deshalb gebe es dort Sushi: "Die haben keine Zeit, den Fisch auch noch zu kochen." Die mangelnde Arbeitsmoral in Deutschland werde sich aber spürbar verbessern: "Dafür haben wir den Messias aus dem Sauerland." Der müsse sich allerdings mit der SPD einlassen, einer Partei, die schlechter abgeschnitten hat als die AfD. Den Grünen gehe es ebenfalls ziemlich schlecht: "Die haben in der letzten Zeit mehr Kröten geschluckt, als sie jemals über die Straße getragen haben."
So plane er, mit einer neuen Partei bei der nächsten Wahl anzutreten. Detailliert führte Schmickler das Programm seiner "Verbotspartei" mit vielfach tolerierten Missständen von Abschiebungen über Kindesmisshandlung bis zur Steuerpolitik von Großkonzernen aus: "Das Problem ist, so eine Partei will kaum einer auf dem Wahlzettel."

Mit dem Lied "Mein netter Nachbar, ein freundlicher Faschist" prangerte der kompromisslose Humanist die Methoden rechtsextremer Organisationen in Deutschland an, deren parlamentarischer Arm die AfD sei. Natürlich gebe es manchmal Probleme mit Flüchtlingen: "Aber keines dieser Probleme ist die Rechtfertigung dafür, auch nur einen Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen." Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, brach Wilfried Schmickler eine Lanze für die Demokratie: "Die funktioniert aber nur, wenn sie von allen akzeptiert und verteidigt wird." Trotz schwieriger Themen schaffte der Kabarettist den Parforceritt – und das ohne erhobenen Zeigefinger. © Kölner Stadt-Anzeiger