Freitag, 2. August, kurz nach 10 Uhr in der Dönhoffstraße am Sitz des Stadtkämmerers: Michael Molitor spricht aus, was ihm Tage zuvor die Fachleute seines Dezernats mitgeteilt haben.
Die Gewerbesteuereinnahmen sind massiv eingebrochen. Statt der kalkulierten Summe von 385 Millionen Euro werden es bis Jahresende wohl nur etwa 100 Millionen Euro, die aus dieser Steuer in die Stadtkasse fließen. Die politische Nachricht des Jahres könnte schlimmer kaum sein für die Stadt.
Und sie löst Entsetzen aus. Die bittere Prognose von Anfang August bewahrheitet sich in den kommenden Monaten; Anfang Dezember liegen die Gewerbesteuereinnahmen erst bei gut 93 Millionen Euro – bedeutet nicht nur, dass der für 2024 vom Stadtrat verabschiedete Haushaltsplan mit Ausgaben in Höhe von 942 Millionen Euro das Papier nicht mehr wert ist, auf das er gedruckt steht. Kämmerer und Oberbürgermeister Uwe Richrath verhängen eine sofortige Haushaltssperre für den Rest des Jahres. Ausgegeben werden darf für den Rest des Jahres nur noch Geld für Aufgaben, zu denen die Stadt gesetzlich verpflichtet ist.
Leverkusen: Planungen für HSK beginnen
Doch Kämmerer Molitor ist an dem regnerischen Augusttag, an dem er die Lage öffentlich macht, klar: Das wird nicht reichen. Bei weitem nicht. Also beginnen im August auch direkt die Planungen für ein neues Haushaltssicherungskonzept in Leverkusen. Das ist besonders bitter. Denn die Stadt hat in den Jahren 2012 bis 2021 gerade erst eine ein ganzes Jahrzehnt dauernde finanzielle Sanierung hinter sich gebracht. Erst mit dem Jahr 2022 erhielt sie ihre vollständige steuerliche Hoheit von der Bezirksregierung Köln als Aufsichtsbehörde zurück. Gerade zweieinhalb später ist es damit schon wieder vorbei.
Schuld daran ist aus Sicht von Kämmerer und OB die allgemeine wirtschaftliche Lage, die zu geringeren Gewerbesteuereinnahmen führte. Zudem erhielten zwei Unternehmen namhafte Rückzahlungen an Gewerbesteuer und schließlich habe sich eine steuerlich eingeplante Unternehmensansiedlung in der Stadt nicht realisiert.
Insbesondere der Kämmerer muss in den kommenden Monaten für seine Finanzplanung viel rhetorische Prügel einstecken. Die Grünen gehen im Herbst so weit, dem Oberbürgermeister für die Entlastung für die Haushaltsführung im Jahr 2023 zu verweigern. Doch das bleibt eine Minderheitsauffassung.
Taskforce erweist sich als untauglich
Die Spitze der Stadtverwaltung und die städtische Politik brauchen im Sommer und Herbst einige Zeit, um einen Weg zu finden, wie sie mit dem Desaster umgehen, anders ausgedrückt: Wie sie entscheiden sollen, was wo gespart wird. Eine praktisch sofort nach Rufen aus der Politik eingerichtete Taskforce aus Verwaltungsfachleuten und Politikern aus dem Stadtrat, die einen Weg zur Haushaltskonsolidierung aufzeigen sollte, erweist sich dafür als untauglicher Weg und ist Mitte Dezember – gerade einmal vier Monate später – schon wieder Geschichte.
Jetzt sollen es pauschale Ausgabenkürzungen durch alle Fachbereiche der Stadtverwaltung hindurch richten. Und ein überarbeiteter Personalbedarf, anders ausgedrückt: Stellenabbau. Und ein neues Raumkonzept. Und der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Verwaltung. In einem ersten größeren Schritt gibt die Stadt den Plan auf, mit Teilen der Verwaltung in Opladen in ein vom Düsseldorfer Immobilienunternehmen Cube Real Estate zu bauendes Bürogebäude, das Torhaus im neuen Bahnhofsquartier, einzuziehen. Dabei wäre es um eine Jahresmiete von immerhin knapp 1,9 Millionen Euro gegangen.
Den Gewerbesteuerhebesatz, der in Leverkusen mit 250 Basispunkten niedrig ist, will die Stadt nicht anheben, um nicht potenzielle Gewerbeansiedlungen zu gefährden. Die Hebesätze aus der Grundsteuer A und B will die Verwaltung zwar vor dem Hintergrund der seit 2019 erneuerten Bewertung von Grundbesitz heraufsetzen, aufkommensneutral, wie sie betont. Doch nicht einmal dazu kommt es in der letzten Sitzung des Stadtrates am 16. Dezember. Der Rat lehnt die Anhebung der Hebesätze mehrheitlich ab und verzichtet damit auf Einnahmen von geschätzt zehn Millionen Euro allein bei der Grundsteuer B.
In den Ausschusssitzungen, Bezirksvertretungen und im Stadtrat geht es in der zweiten Jahreshälfte um viele kleine Einzelposten im städtischen Haushalt, um die angesichts der Haushaltsmisere nun gerungen wird. Die Gebühren für den Besuch der städtischen Musikschule werden zum Beispiel erhöht. Und der für 2025 geplante Zuschuss für die Installierung kleiner Solaranlagen und die Begrünung von Fassaden entfällt. Viel Kleinkram eben.
Andererseits muss der Rat der Stadt in seiner letzten Sitzung genehmigen, dass die Feuerwache Nord ein Übergangsgebäude in Opladen bezieht. Das Interim soll auf dem Gelände der Bahnstadt West errichtet werden, Kostenpunkt: 17,5 Millionen Euro. Die Ratspolitiker hätten dieses Geld sparen können. Denn schließlich ist seit etwa 20 Jahren klar, dass das historische Gebäude der Feuerwache Nord an der Sandstraße veraltet ist und die Funktionsfähigkeit der Berufsfeuerwehr zunehmend behindert. Doch in 20 Jahren fand sich offenbar nie genügend politische Kraft im Stadtrat, für die Feuerwehrleute eine dauerhafte Lösung zu schaffen. Das Zaudern kostet jetzt viel Geld. Geld, das die Stadt gar nicht hat. © Kölner Stadt-Anzeiger
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