"Ich versuche gar nicht erst, sie glauben zu machen, ich würde ihren Punk im Dienstwagen hören", wandte sich die Kölner Oberbürgermeisterin an die junge Band mit dem anagrammatischen Namen Pogendroblem.
Die wurde am Freitagabend mit dem Zukunftspreis des Holger-Czukay-Preises ausgezeichnet, einem von drei Auszeichnungen für Popmusik, die die Stadt unter dem Namen des Can-Bassisten und Sample-Pioniers vergibt.
Der Holger-Czukay-Preis wurde 2019 zum ersten Mal ausgelobt, vergeben wird er jedes Jahr in einem anderen Kölner Club, diesmal war es das Ehrenfelder Herbrand’s. Er bleibt – wie Moderator Carsten Schumacher nicht müde wird zu betonen – mit 15.000 Euro für den Haupt-, 5000 Euro für den Ehren- und 2500 Euro für den Zukunftspreis die höchstdotierte Auszeichnung ihrer Art in Deutschland.
Kölner Holger-Czukay-Preis ist die höchstdotierte Pop-Auszeichnung Deutschlands
Geehrt werden sollen Künstlerinnen und Künstler, "die mit ihrem Wirken Spuren in Köln hinterlassen haben oder aktuelle Entwicklungen beeinflussen und mitprägen". In den 1990ern feierte sich Köln, nicht ganz unberechtigt, kurzzeitig als Pop-Metropole Deutschlands. Der Hype ist lange verflogen, doch die Tradition reicht tiefer in die Vergangenheit hinein und weit über die fetten Jahre am Ende des vergangenen Jahrtausends hinaus.
Und vielleicht ist er der Holger-Czukay-Preis schon allein dadurch gerechtfertigt, dass Henriette Reker dreimal "Pogendroblem" ins Mikro sprach, bevor sie sich vorzeitig von der Veranstaltung verabschieden musste, auf zu weiteren Spardiskussionen nach dem Haushaltsschock am vergangenen Mittwoch. Bürgermeisterin Brigitta von Bülow übernahm spontan und souverän die zeremoniellen Aufgaben.
Zuvor hatte die OB die Gretchenfrage hinter jeder Kulturförderung in den Raum geworfen: "Kann Popmusik überhaupt etwas verändern?" Den anschließenden Ehrenpreis an Eko Fresh kann man nur als eindeutiges "Ja" verstehen. Der Kölner Rapper, bürgerlich Ekrem Bora, hat seine Battle-Skills über viele Jahre hinweg in engagierte Texte und gesellschaftliches Engagement verwandelt. Er sei, so die Jury, "eine echte Integrationsfigur der deutschen Popkultur". Laudator Hannes Loh zitierte aus
Dabei, sagte Loh, sind wir alle die postmigrantische Gesellschaft. Und Kutlu Yurtseven von den Köln-Flittarder Hip-Hop-Pionieren Microphone Mafia ergänzte: "Wir sind keine Immigranten, wir sind hier geboren, wir sind Kölner." Der Dank des Geehrten ging generell "an all die Frauen in meinem Leben" und im Speziellen an seine alleinerziehende Mutter, die ihm gezeigt habe, was es heiße, für seine Träume zu kämpfen. Außerdem tue es ihm leid, "was ich teilweise als Jugendlicher für eine Scheiße gerappt habe."
Darf eine Punkband wie Pogendroblem einen Zukunftspreis annehmen?
Dann war Podendroblem an der Reihe. Die Stadt wisse gar nicht, sagte Laudatorin Sarah Lohr von der Nürnberger Punkband Akne Kid Joe nur halb im Scherz, was sie der Band antue. Ein Zukunftspreis in einer Szene, deren altbekannte Mantra "No Future" lautet? "Zum Glück liest niemand in der Szene Mitteilungen der Stadt Köln und ich halte dicht." Sänger Georg (Nachnamen gibt es in der Band nicht) machte sich in seiner Dankesrede für selbstorganisierte Räume stark, da komme man selbst her und die seien wichtig für die Stadt.
Der diesjährige Hauptpreisträger Marius Lauber hat mit seinem Projekt Roosevelt nicht nur Spuren in der Stadt, sondern überall auf der Welt hinterlassen. Sein äußerst verführerischer Mix aus Club-Euphorie und Indie-Melancholie klingt nicht nur, laut Jury, "sehr international und popkulturell relevant", er hat sich vielfach als erfolgreicher Kölner Exportartikel bewährt: Auftritte auf Festivals in aller Herren Länder, Besprechungen auf "Pitchfork" und im "Guardian" und ein Remix-Auftrag von Taylor Swift bezeugen das.
Laudator Tobias Thomas blätterte weit zurück im Familienalbum der hiesigen Elektronikgeschichte, um zu zeigen, wie Lauber, der Indie-Schlagzeuger aus Viersen, in Köln auf ein freundliches Biotop aus Clubs, Labels, Studios und dem c/o-pop-Festival traf. Was Roosevelt nur bestätigen konnte. Wie besonders das sei, was Köln zu bieten hat, habe er eigentlich erst viel später kapiert. Dafür hat Marius Lauber der arg gebeutelten Stadt den größtmöglichen Gefallen getan: Nach einer kurzen Flucht in Richtung Berlin kehrt der Ausnahmemusiker reumütig in die rheinische Wahlheimat zurück. Auch das vergaß die Jury in ihrer Begründung nicht zu erwähnen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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