Wer noch einen Beweis brauchte, wie es um die Finanzen der Stadt Köln steht, dem kann man sagen: Nicht mal für neue öffentliche Toiletten in der Stadt – außer am Dom und am Neumarkt – ist Geld da. Das ist die neue Realität in Köln.
Um die dramatischen, prognostizierten jährlichen Verluste von bis zu einer halben Milliarde Euro zumindest abzumildern, müssen die Kölnerinnen und Kölner mehr Gebühren bezahlen. Das ist einerseits verständlich, andererseits ein schmaler Grat. Denn sie sind wütend, wenn sie sehen, was bei den Bühnen am Offenbachplatz passiert oder bei der Sanierung der Museen und Brücken. Dort explodieren regelmäßig die Kosten.
Berechtigte Fragen der Bürger
Und viele Menschen fragen sich: Warum ist dafür so viel Geld da? Darauf hat die Verwaltung keine schlüssige Antwort und kann die ausufernden Baukosten seit Jahren nicht stoppen.
Es sind berechtigte Fragen der Kölner, die sich auch nicht mit dem hilflosen Verweis wegwischen lassen, dass es sich um sogenannte investive Ausgaben handelt, die im Haushalt auch einen Gegenwert bringen, weil eine sanierte Oper mehr wert ist als eine kaputte.
KVB sieht unzumutbare Betriebsqualität
Und es sind Fragen der Bürger, die umso lauter werden, wenn alltägliche Dinge der Daseinsvorsorge immer schlechter werden. Das örtliche Verkehrsunternehmen schafft es seit Jahren nicht, dass ausreichend Busse und Bahnen fahren.
Im Gegenteil: Die Chefin der Kölner Verkehrs-Betriebe attestiert ihrem Unternehmen eine "unzumutbare Betriebsqualität". Das ist nahe an der Selbstaufgabe.
Keine Zeit für Masterpläne
Die Zeit der Visionen, Ideen und Masterpläne ist vorbei, viele davon vermodern ohnehin in irgendwelchen Schränken. Aber es gibt auch eine Gegenwart, die Daseinsvorsorge in einer Millionenstadt. Das bedeutet bezahlbaren Wohnraum, ausreichende Kita-Plätze und keine Losverfahren für Schulplätze.
Seit Jahren laufen der Stadt die Familien davon, weil es zu teuer ist, hier zu leben. Damit bringt sich Köln um seine Zukunft.
Falsche Prioritäten gesetzt
Viel zu lange haben der Stadtrat und auch die Verwaltung die falschen Prioritäten gesetzt. Ein Musterbeispiel, das nichts an Aktualität verloren hat: Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten sind Rolltreppen am Ebertplatz kaputt und fahren nicht. Geld, um sie zunächst als Kunstinstallationen umzugestalten, war da – auch wenn man sie danach verlottern ließ. Dass sie einfach beispielsweise ältere Menschen nach oben transportieren sollen: Das war offenbar nie wichtig genug.
Ob es jetzt schnell besser wird in Köln? Abwarten, Skepsis ist angebracht. Denn jetzt kommen die harten Jahre, laut Kämmerin Dörte Diemert befindet sich Köln im Sturm.
Kämmerin steuert dagegen
Dass sie gegensteuert und die Stadt Köln vorerst weiter über ihre Finanzen entscheidet, wenn die Bezirksregierung den Haushalt genehmigt, ist richtig. Köln ist mit den finanziellen Problemen nicht allein, und ja, viele der Probleme haben ihre Ursache bei Bund und Land, der Handlungsspielraum der Kämmerin ist begrenzt. Der Stadtrat ist in der Pflicht, die kommunale Selbstverwaltung zu verteidigen.
Zuletzt hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker einige Großbauprojekte wie die Erweiterung der Hohenzollernbrücke auf die lange Bank geschoben. Diese Woche garnierte sie ihre Vorgehensweise mit dem Hinweis, sie hätte dabei eine Entscheidung des Rates erwartet. Vergebens. Ob der Rat auch die Kraft gehabt hätte, auf die Historische Mitte am Dom zu verzichten, ist zweifelhaft. Stattdessen musste die Hohe Domkirche vorangehen und das Bauprojekt beerdigen.
Im nächsten Jahr wählt Köln einen neuen Rat und ziemlich sicher auch eine neue Oberbürgermeisterin oder einen neuen Oberbürgermeister. Spätestens seit Donnerstag gilt für alle Parteien: Die Zeit für Wünsch-Dir-Was ist vorbei. © Kölner Stadt-Anzeiger
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