In das Vorhaben, die Kölner Synagoge an der Roonstraße umzugestalten, kommt Bewegung. Vier Jahre ist es her, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages auf Antrag von SPD und CDU beschloss, dafür 42 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

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Nach einer umfangreichen Bestandsaufnahme, einer Bedarfsanalyse und zahlreichen Abstimmungen mit Behörden ist seit diesem Sommer ein Projektsteuerer am Zug. Noch lässt sich nicht sagen, wann die Arbeiten beginnen.

Lehrer: "Gute Betreuung" durch Behörden

"Wir sind sehr dankbar, dass uns die Politik so gut bedacht hat", sagt Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde Köln. Die Gemeinde, der es nicht möglich gewesen sei, Rücklagen für ein Vorhaben dieser Dimension zu bilden, sei ebenso dankbar für die "gute Betreuung" durch Behörden. Sie sei umso nötiger, als es auf jüdischer Seite anders als bei christlichen Kirchen kein eigenes Bauamt gebe.

Das Gebäude soll umfassend saniert, an die veränderten Bedürfnisse der größer gewordenen Gemeinde angepasst und nicht zuletzt verschönert werden. Alles in enger Absprache mit der Denkmalpflege, betont Vorstandsmitglied Bettina Levy, die in der Immobilienbranche tätig ist. Sie spricht von einem "Spagat", denn es gelte, bei der Anpassung an die heutigen Bedürfnisse sowohl Rücksicht auf den Ursprungszustand des Gebäudes als auch auf das Ergebnis des Wiederaufbaus zu nehmen.

In der Reichsprogromnacht brannte die Synagoge aus

1899 wurde die im neoromanischen Stil gegenüber dem Rathenauplatz errichtete Synagoge, die 1400 Menschen Platz bot, ihrer Bestimmung übergeben. In der Reichspogromnacht 1938 brannte sie wie auch andere Synagogen in der Stadt aus. Überdies wurde sie im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe stark beschädigt. Mit Unterstützung des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer wurde sie Ende der 50er Jahre nach Plänen des Architekten Helmut Goldschmidt, die manche Veränderungen vorsahen, wieder aufgebaut. Zum Zeitpunkt der Wiedereröffnung zählte die Gemeinde rund 120 Mitglieder; heute sind es um die 4000. Das Wachstum ist in erster Linie mit dem Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion zu erklären.

Die Synagoge ist das Herzstück der Gemeinde und vereint unter einem Dach zum Beispiel das Rabbinat, Unterrichträume, die Bibliothek "Judaica", einen Festsaal, das Jugendzentrum "Jachad" sowie das koschere Restaurant "Mazal Tov". Im größten Raum des Gotteshauses, dem Gebetssaal, sind gut 300 Männer- und rund 220 Frauensitze vorhanden. Davor befindet sich eine Gedenkhalle.

Früher war das Gebäude "prachtvoll"

Das Gebäude zu ertüchtigen heißt zum Beispiel, die veraltete Haustechnik zu erneuern, von Kabeln über die Brandschutz- und Sanitäranlagen bis zur Heizungssteuerung. Das Dach muss saniert werden, weil Feuchtigkeit eindringt. Die Umgestaltung betrifft vor allem das Innere. Im Gegensatz zur äußeren Gestalt mit der markanten großen Fensterrosette in der Natursteinfassade ist beim Wiederaufbau der Innenraum nicht rekonstruiert worden, sondern in viel schlichterer Form neu entstanden. Dazu gehörte, eine zusätzliche Decke einzuziehen, die das Erdgeschoss vom Synagogenraum trennt.

Beim Vorher-Nachher-Vergleich von Fotos springt der Unterschied sofort ins Auge. Früher sei der Gebetssaal "prachtvoll, farbenfroh und freundlich einladend" gewesen, sagt Bettina Levy, heute dagegen nehme er sich in seiner Schmucklosigkeit viel nüchterner und "wesentlich kühler" aus. Abraham Lehrer sähe es am liebsten, die Bögen würden wieder mit Mosaiken geschmückt.

Zu den beabsichtigten Änderungen gehört, die Frauenempore großzügiger zu gestalten und auch dort für mehr Helligkeit zu sorgen, indem zugemauerte Fenster wieder geöffnet werden. Vorgesehen ist auch, ebenerdig einen barrierefreien Zugang zu schaffen. In Ergänzung zum Restaurant, in dessen Küche fleischig gekocht wird, soll ein separates "Milch-Café" eingerichtet werden, das als weiterer Begegnungsort dienen soll. "Das ist ein Herzenswunsch der Gemeinde", so Bettina Levy. Nach der Kashrut, den jüdischen Speiseregeln, sind Fleisch und Milch strikt voneinander zu trennen.

Jüdische Gemeinde als Teil der Stadtgesellschaft

Verworfen werden musste die Idee, zur Roonstraße hin, vor den mittleren Bögen des Erdgeschosses, einen kleinen Vorplatz mit Café anzulegen. Besonders nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 hätten die Sicherheitsbedenken überwogen, sagt Vorstandsmitglied Felix Schotland. Gleichwohl sei es dem Vorstand der Synagogen-Gemeinde darum zu tun, "das Haus zu öffnen", um deutlich zu machen, dass die jüdische Gemeinde selbstverständlicher Teil der Stadtgesellschaft ist. Dass es nach wie vor – und in diesen Zeiten wieder stärker – an der gewünschten Normalität hapert, zeigt die verstärkte Präsenz der Polizei vor jüdischen Einrichtungen.

"Das ist keine Luxussanierung", betont Schotland mit Blick auf die Bedürfnisse der gewachsenen Gemeinde. Der Vorstand trage Verantwortung dafür, das Gebäude, dessen Wiederaufbau ein Symbol für den Wunsch war, nach der Shoah Juden in Köln wieder eine Heimat zu geben, für die nächsten Generationen herzurichten. "Wir wollen den Bau nach 60 Jahren für weitere 60 Jahre fit machen", so Abraham Lehrer.

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Seit 2003 unterhält die Gemeinde mit dem Wohlfahrtzentrum in Ehrenfeld eine weitere große Einrichtung; dort sind unter anderem die Verwaltung, die Sozialabteilung, ein Pflegeheim und eine Grundschule untergebracht. Sogar eine kleine Synagoge. Doch Mittelpunkt des religiösen, kulturellen und sozialen Lebens der Gemeinde ist und bleibt die große Synagoge im Rathenauviertel. "Das ist unser Zuhause", sagt Felix Schotland, und Bettina Levy schließt: "Das Haus ist wesentlich für jüdisches Leben in Köln."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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