Von "Zwangsheirat" und "Expansionsdrang" war die Rede, von der Sorge, dass sich die immer weiter wachsende Stadt Köln irgendwann große Teile des Bergischen Landes "einverleiben" würde.

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Mehr als zwei Jahrzehnte war teils erbittert darum gerungen worden, wie die Landkarte des Bergischen Landes künftig aussehen sollte. Zur Jahreswende vor 50 Jahren wurden mit der Kommunalen Neugliederung Fakten geschaffen. Fakten, die Reaktionen auslösten, die teils bis heute nachwirken.

Jede Gemeinde hat einen Anspruch darauf, dass ihre Selbständigkeit nur dann beseitigt wird, wenn es aus Gründen des öffentlichen Wohls nötig ist.

Willi Weyer, NRW-Innenminister, am 20. Dezember 1966

Keine Stadt oder Gemeinde im heutigen Rheinisch-Bergischen Kreis hat sich damals nicht in großen Teilen verändert – und der Kreis insgesamt hat eigentlich seinen Namen verwirkt. Denn an den Rhein, der sich bis heute im Kreiswappen und im Namen des Rheinisch-Bergischen Kreises wiederfindet, grenzt das Kreisgebiet seit 1975 nicht mehr – seitdem das bis dahin als Kommune selbstständige Porz vom Rheinisch-Bergischen Kreis der Stadt Köln zugeordnet wurde (siehe unten).

Dieses "Schicksal" hatte lange Zeit der damals ebenfalls noch eigenständigen Stadt Bensberg "gedroht". Mit dem Bau neuer Wohnquartiere wie in Kippekausen und später auch am Bockenberg hatte die Stadt schon früh versucht, Wohnraum zu schaffen, mehr Einwohner und damit mehr Gewicht im Kräftespiel der auf Wachstum setzenden Beteiligten im Speckgürtel von Köln zu gewinnen. Auch der Bau des Bensberger Rathauses nach den Plänen des renommierten Architekten Gottfried Böhm, der weltweit für Schlagzeilen sorgte, ist zu einem guten Teil vom Selbstbewusstsein und dem Unabhängigkeitsbestreben der Schlossstadt geprägt gewesen.

Zwischen der alten Stadt Bergisch Gladbach und Bensberg rumorte es

Obwohl die damals noch unabhängige Nachbarstadt Bergisch Gladbach in der Zeit des rasanten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums vor ähnlichen Herausforderungen und Problemlagen stand, wurden Möglichkeiten einer Zusammenarbeit über vereinzelte Ansätze hinaus nicht aufgegriffen.

Weil dadurch die eigene Planungshoheit eingeschränkt gewesen wären, wie Journalist und Historiker Gisbert Franken in der zum 150. Stadtgeburtstag erschienen Stadtchronik analysiert. Geändert hat sich das erst, als in den 1960er Jahren die Landespolitik das Ziel einer umfassenden kommunalen Neugliederung anvisierte. In deren Folge reduzierte sich die Zahl der zuvor selbstständigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen um rund 80 Prozent.

Köln-Gesetz besiegelte die Fusion der beiden Nachbarstädte im Osten

Klar, Bensberg und Bergisch Gladbach waren nicht die einzigen "Spieler" im Rheinisch-Bergischen Kreis, aber viele Entwicklungen sind vor allem aus ihrer Fusion zu verstehen. Schon früh waren die beiden Städte vom Land als ein gemeinsames Mittelzentrum an der Ostflanke der Kölner Ballungsrandzone eingestuft worden, wobei Bergisch Gladbach als wirtschaftlich leistungsstärkerem Pol bereits früh die führende Rolle zugedacht wurde. Was die Beteiligten an der kommunalen Basis nicht davon abhielt, sich gegenseitig anzugehen.

Zwar gab es eine interkommunale Arbeitsgemeinschaft, zugleich aber auch sich verschärfende Konflikte. So warfen Bensberger Politiker etwa dem Bergisch Gladbacher Stadtrat vor, Bensberger Entwicklungen wie die des Naherholungsraums Saaler Mühle durch gezielte Ausweitungen des Gewerbegebietes Zinkhütte bewusst zu torpedieren.

Viele damals anvisierten Projekte wurden nie verwirklicht

Auch wenn das sogenannte Köln-Gesetz vom 1. Januar 1975 zur Neugliederung der Städte und Gemeinden rund um die Domstadt eine Fusion der beiden Städte zur neuen, gleichwohl aber wie eine der Rivalen heißenden Stadt festlegte, blieben viele Fragen ungelöst – und etliche Projekt bis heute unverwirklicht. So ist ein Zentrum der neuen Stadt Bergisch Gladbach mit kulturellen Einrichtungen und Verwaltungssitz in Lückerath ebenso nie realisiert worden wie ein Kreiskulturzentrum oberhalb des Bergischen Museums.

Bezeichnend: Das Gelände wird bis heute als Parkplatz genutzt. Neben Bensberg und der alten Stadt Bergisch Gladbach fand sich vor 50 Jahren auch das zuvor zu Odenthal gehörende Schildgen in den Grenzen der neuen Kreisstadt wieder. Die Gemeinde Odenthal wurde bewusst auf ihre touristischen Sehenswürdigkeiten konzentriert – und vermisst teils bis heute Gewerbeansiedlungen.

Immekeppel und Untereschbach im Sülztal hingegen wechselten von Bensberg in die Gemeinde Overath. Der Plan einer Sülztalgemeinde von Rösrath bis hinauf nach Obersteeg hatte sich nicht durchsetzen können. Overath, Rösrath und Kürten erhielten unterdessen über Nacht zusätzliche "Kreisaußengrenzen": Weil Porz nun zu Köln gehörte und die bislang rheinisch-bergischen Kommunen von Engelskirchen bis Wipperfürth dem Oberbergischen Kreis zugeschlagen wurden.

Im Norden kamen drei neue Kommunen hinzu, deren vormaliger Kreis gleich komplett aufgelöst worden war. Leichlingen, Burscheid und Wermelskirchen hatten zum Rhein-Wupper-Kreis gehört, der sich von Radevormwald bis zur Kreisstadt Opladen erstreckte, die ihrerseits 1975 nach Leverkusen eingemeindet wurde. Fest zusammengewachsen sind der Norden und Süden auch 50 Jahre danach nicht, gibt es kaum Nord-Süd-Verkehrsverbindungen und auch sonst vergleichsweise wenig Austausch.

Wie die Kommunale Neugliederung in den einzelnen Kommunen aussah und -sieht, was die Menschen in Rhein-Berg dennoch über das gemeinsame Kennzeichen "GL" hinaus verbindet, wie sich ihr Kreis in einem halben Jahrhundert verändert hat, wollen wir von der Redaktion auch mit einem Blick nach vorne in einer Serie in den kommenden Wochen und Monaten aufzeigen.

Welches Thema bewegt Sie am meisten im Blick auf die vor 50 Jahren erfolgten Kommunalen Neugliederung? Schreiben Sie uns: redaktion.rhein-berg@ksta-kr.de. Wir sind gespannt auf Ihre Themen.

Vom Ost-West-Kreis zum Nord-Süd-Zusammenschluss

Im Überblick wird eine Veränderung im Bergischen Land rund um Köln im Zuge der Kommunalen Neugliederung von 1975 besonders deutlich: Seit 1932 hatten die Kreise sich in West-Ost-Richtung Richtung Rhein erstreckt. Für den Rheinisch-Bergischen Kreis zwischen Wipperfürth und Porz galt das genauso wie für den im Norden angrenzenden Rhein-Wupper-Kreis zwischen Radevormwald und Opladen.

Nach der Auflösung des Rhein-Wupper-Kreises und seiner Aufteilung auf die Stadt Leverkusen, den Rheinisch-Bergischen und den Oberbergischen Kreis erhielten die Gebietskörperschaft einen neuen "Norden" hinzu und nun eine deutliche Nord-Süd-Ausdehnung.

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Die Lebens- und Arbeitsbezüge aber blieben größtenteils weiter bestehen. Aus den Städten im Norden des neuen Rheinisch-Bergischen Kreises fuhr man weiterhin vor allem nach Westen oder nach Norden zur Arbeit und auch die nun zu Oberberg gehörenden Kommunen Engelskirchen, Lindlar und Wipperfürth waren vielfach dem Rheinisch-Bergischen weiterhin enger verbunden als ihrer neuen Kreisstadt Gummersbach. Erst durch die Bildung neuer Großräume wie dem Bezirk der Handwerkskammer Bergisches Land oder des Bergischen Rheinlands im Zuge des Strukturförderprogramms Regionale 2025 werden Kreisgrenzen deutlich weniger trennend. (wg)  © Kölner Stadt-Anzeiger

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