Kenia-Koalition in Mainz: Nach gut 30 Verhandlungsrunden liegt ein 60 Seiten dickes Koalitionspapier vor: Was genau davon umgesetzt werden kann, hängt von der Finanzlage der Stadt ab.
Politik wird von Menschen gemacht. Und offensichtlich verstehen sich diejenigen, die in Mainz seit Juli in mehr als 30 Verhandlungsrunden am Kenia-Projekt gearbeitet haben, deutlich besser, als dies bei ihren Vorgängern der Fall war. Früher konnten CDU und Grüne, vor allem wenn es um Verkehrsfragen ging, einfach nicht miteinander. Diesmal bestätigten sich die Beteiligten dagegen wechselseitig hohe fachliche Kompetenz, ernsthaften Willen und konstruktive Gespräche.
Dass das XXL-Bündnis in Gründung, das sich selbst als Garant für Stabilität und Sicherheit versteht, im Stadtrat künftig über eine Zweidrittelmehrheit verfügen wird, könnte man als Chance sehen. Allerdings ist die Kommune, nach zwei Jahren mit extrem hohen Gewerbesteuereinnahmen, längst wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen – und finanziell stark eingeschränkt.
So wird vieles von dem, das es in den fast 60 Seiten dicken Koalitionsvertrag geschafft hat, nur möglich, wenn das Geld dafür reicht: der weitere Straßenbahn- und Radwegeausbau etwa oder auch der Wunsch nach attraktiven, aber bezahlbaren Wohnungen. Gerade bei Verkehrsthemen wie den umstrittenen Tempo 30-Zonen, scheinen sich die Grünen durchgesetzt zu haben. Nach 15 Jahren auf der Oppositionsbank ist die Union, die bisher bei jeder Gelegenheit den Rücktritt der jeweils gerade zuständigen Verkehrsdezernentin von den Grünen gefordert hatte, nun offenbar recht schnell eingeknickt.
Positiv ist bei alldem, dass ein neues Bündnis nach und nach neue Dezernenten bestimmen wird. Selbst wenn die Lösung mit einem Festangestellten und zwei Ehrenamtlichen für die CDU, die sich alle zusammengenommen künftig um Aufgaben wie Bauen, Wirtschaft, Ordnung, Liegenschaften und historisches Erbe kümmern sollen, gewiss nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Abzuwarten bleibt außerdem, wie sich die Kenia-Koalitionäre in den nächsten fünf Jahren mit dem parteilosen Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase arrangieren werden. Doch Kompromisse, allzumal wenn sie gut sind, gehören ja letztlich auch zur Politik. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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