Cold Case: Vor 23 Jahren wurde in Frankfurt die Leiche eines vermutlich jahrelang misshandelten Mädchens gefunden.

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Die Identität des Opfers ist bis heute nicht geklärt. Jetzt geht die Polizei mit dem Fall noch einmal an die Öffentlichkeit.

Mehr als 23 Jahre nach dem Fund einer unbekannten Toten im Main ist die Polizei mit dem Fall noch einmal an die Öffentlichkeit gegangen. Die in einen Bettbezug mit Leopardenmuster verpackte und mit einem Sonnenschirmständer beschwerte Leiche eines 13 bis 16 Jahre alten Mädchens trieb am 31. Juli 2001 am Flussufer in Frankfurt-Nied im Wasser. Alle Versuche, die Identität des Mädchens und die Hintergründe seines Todes zu klären, waren seitdem vergeblich.

Die Obduktion der Leiche, die zwischen zwölf und 24 Stunden im Wasser gelegen hatte, ergab, dass die Jugendliche durch Tritte oder Schläge mit einem stumpfen Gegenstand gegen Brust oder Bauch getötet worden war. Zudem war das Mädchen zuvor vermutlich über einen längeren Zeitraum schwer misshandelt worden. Es wurden mehrere in Fehlstellung verheilte Brüche beider Oberarme, einige längliche Narben an Stirn, Rumpf und Beinen sowie zahlreiche Brandnarben am ganzen Körper festgestellt.

Ein erstes Computerbild mit der Rekonstruktion des Gesichts hatte die Polizei bereits eine Woche nach dem Leichenfund präsentiert. Kriminaltechnische Untersuchungen ergaben, dass das Mädchen vermutlich aus Afghanistan, Pakistan oder Nordindien stammte und sehr früh, wohl zwischen dem vierten Lebensmonat und dem fünften Lebensjahr, nach Deutschland gekommen war. Die letzten 22 Monate vor ihrem Tod soll die Jugendliche in Deutschland, sehr wahrscheinlich in einem städtischen Gebiet, gelebt haben. Einen Teil ihrer Kindheit hat sie möglicherweise im Odenwald, in der Region Rheinpfalz oder im Hunsrück verbracht.

Das Opfer hatte dunkelbraune bis schwarze Haare, war nach Polizeiangaben 1,57 Meter groß und auf 38,5 Kilogramm abgemagert. Auffällig war das durch Gewalteinwirkung deformierte linke Ohr. Bevor die Leiche maximal drei Kilometer flussaufwärts vom Fundort in den Main geworfen worden war, hatten die Täter die Tote wie ein Bündel zusammengeschnürt in den Bettbezug gehüllt und dann an den Schirmständer gebunden; die Knie angewinkelt und an den dürren Leib gepresst.

Das grausame Verbrechen, das bei der Frankfurter Mordkommission mit der Bezeichnung "Das Mädchen aus dem Main" in den Akten geführt wird, hatte selbst hartgesottene Ermittler schockiert. Die Jugendliche müsse ein unvorstellbares Martyrium durchlebt haben, hieß es vor 23 Jahren. Damals wurde unter anderem der Verdacht geäußert, dass das Mädchen möglicherweise in einem Diplomatenhaushalt beschäftigt und dort misshandelt worden sei. Darauf deuteten nach Aussage der Polizei mehrere Umstände hin. Ermittlungen in Diplomatenkreisen blieben aber ebenso ergebnislos wie die Überprüfung von mehr als tausend jungen Frauen in Afghanistan, Pakistan und Indien, die irgendwann einmal in Deutschland gelebt hatten.

"Mord verjährt nicht", ist der Fahndungsaufruf des Hessischen Landeskriminalamts überschrieben, mit dem der rätselhafte Fall jetzt wieder aufgerollt werden soll. Unter der Internetadresse k.polizei.hessen.de/374749457 sind das Computerbild mit den vermutlichen Gesichtszügen der Unbekannten sowie weitere Bilder und Details zu dem Tötungsdelikt zu finden. Zudem wird der Fall voraussichtlich am 11. Dezember in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" ausgestrahlt. Für Hinweise, die zur Festnahme des Täters oder der Täter führen, ist eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro ausgesetzt.

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Die Wiederaufnahme der Öffentlichkeitsfahndung ist Teil der internationalen Kampagne "Identify Me", bei der sich die Polizei zum Ziel gesetzt hat, 46 tote Frauen aus mehreren europäischen Ländern zu identifizieren, darunter neun aus Deutschland. In den meisten Fällen wurden diese Frauen entweder ermordet, oder sie sind unter zweifelhaften oder ungeklärten Umständen gestorben. Einige der Fälle liegen, wie jener der unbekannten Frankfurter Toten, bereits Jahrzehnte zurück.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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