Darmstadt - Das geplante Handyverbot an Hessens Schulen ist nach den Worten des Medienexperten Peter Holnick eine "Notlösung".

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"Hätten Sie mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich das Verbot schlecht gefunden, weil ich auf die Eltern gesetzt habe. Die Eltern haben aber zum Großteil versagt und deswegen begrüße ich dieses Verbot", sagt der Geschäftsführer des Darmstädter Instituts für Medienpädagogik und Kommunikation in einem dpa-Interview. "Man muss die Handys aus der Schule raushalten, weil die sehr viel kaputt machen."

Hessen will vom nächsten Schuljahr 2025/2026 an die private Nutzung von Handys in Schulen grundsätzlich verbieten. Die Geräte sollen aber weiter dorthin mitgenommen werden dürfen. An weiterführenden Schulen können laut dem Bildungsministerium Ausnahmen eingeführt werden, etwa für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe in bestimmten Räumen.

Experte: Unterhaltungsindustrie will Kinder am Handy halten

Viele Lehrkräfte hätten keine Ahnung, auch Eltern hätten keine Ahnung - und "dann wird das Smartphone immer mehr zum Problem", ergänzt Holnick. "Aber die Industrie hat Ahnung, die wissen genau, was notwendig ist."

Das Ziel der Unterhaltungsindustrie sei es, dass ein Kind das Handy so lange nutzen solle wie möglich, sagt er. Die jugendliche Suche nach dem "Wer bin ich?" habe sich fast vollkommen ins Internet verlagert. Allerdings würden Kinder und Jugendliche immer weniger analog von den Eltern begleitet. Der Großteil der Eltern interessiere sich nicht dafür, was die Kinder in der digitalen Welt trieben, ist der Fachmann überzeugt.

Fälle von Internetkriminalität sind keine Streiche

Nach den Worten von Holnick gibt es an Schulen eine große Dunkelziffer an Internetkriminalität, etwa Cybermobbing. "Das ist vielen Eltern nicht bewusst, vielen Lehrkräften nicht bewusst", sagt der Medienexperte. Daher werde gegen diese Kriminalität zu wenig unterkommen.

Als Beispiel nennt Holnick, auf manipulierten Fotos werde etwa der Kopf eines Mitschülers in eine Pornoszene montiert. "Aus Kindersicht oder Jugendsicht sind es Streiche. Für die Opfer ist es viel mehr und es ist natürlich gegen Gesetze."

Die meisten Eltern hätten keine Ebene mit ihrem Kind, um etwa über die Wirkung von Medien zu sprechen. "Die Kinder sind größtenteils allein im Netz und verarbeiten das dann vielleicht in der Clique, und dann kommen komische Sachen dabei raus", sagt Holnick unter Bezug auf Themen wie Sexualität oder Tod.

Mit dem Verbot von Handys an Schulen sei das Problem nicht gelöst, mahnt der Medienexperte. "Hätten wir viel Geld, hätten wir eine Innovation in der Bildung, dann würde ich vorschlagen, das Thema Smartphone ab der ersten Klasse im Unterricht zu bearbeiten." Dazu müssten die Kinder auch kein Handy haben.

Start in 5. Klasse ist falscher Zeitpunkt für das erste Handy

Auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für das erste eigene Smartphone gebe es keine Antwort, sagt Holnick. Das hänge sehr von der Entwicklung und Erziehung des Kindes ab. "Der schlechteste Zeitpunkt, den kenne ich, ist der Start in die fünfte Klasse", fügt er hinzu. Dann gebe es eine neue Schule, neue Lehrer, neue Freundinnen und Freunde. "Und dann obendrauf noch ein Smartphone? Das ist zuviel."  © Deutsche Presse-Agentur

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