Immobilienmarkt: Mehr als ein Million Quadratmeter Bürofläche stehen in Frankfurt leer. Trotzdem werden nur noch wenige Gebäude in Wohnungen umgewandelt. Woran liegt das?

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Die 100 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung an der Herriotstraße in Frankfurt wird für eine Kaltmiete von 1750 Euro vermietet. Das ist ein üblicher Preis für ein Angebot mit Neubaustandard. Doch das Gebäude in Niederrad ist gar nicht neu. Es wurde in den Sechzigerjahren nach Plänen des renommierten Frankfurter Büros ABB als Dokumentationszentrum für die Max-Planck-Gesellschaft gebaut. In den vergangenen Jahren wurde das Baudenkmal in ein Wohnhaus nach neuestem Standard umgebaut – wie mittlerweile viele andere Gebäude in der ehemaligen Bürostadt, die sich unter dem Namen "Lyoner Quartier" neu erfindet.

Die aktuell angebotene Wohnung ist eine von 459, die im vergangenen Jahr durch die Umwandlung von Büroraum auf den Markt gekommen sind. Damit ist jede achte neue Wohnung in Frankfurt auf einer Fläche entwickelt worden, auf der früher einmal Schreibtische standen. Das ist beachtlich, vor allem im Vergleich mit anderen Großstädten, in denen solche Konversionen kaum eine Rolle spielen. "Frankfurt ist bundesweit der Vorreiter", sagt Christian Ströder vom Frankfurter Immobilienunternehmen Avison Young.

Allerdings waren die Zahlen in Frankfurt schon einmal deutlich höher. Zwischen 2005 und 2022 wurden nach Berechnungen Ströders insgesamt 13.000 Wohnungen durch die Umwandlung von Gewerbeflächen gewonnen, das sind im Schnitt rund 700 im Jahr. Den absoluten Spitzenwert weist die Statistik der Bauaufsicht für das Jahr 2018 aus, als 1985 neue Wohnungen in ehemaligen Bürogebäuden gezählt wurden – das entsprach fast 60 Prozent aller Fertigstellungen.

Fast jedes zehnte Büro steht leer

Seitdem sinken die Zahlen. Dabei sind die Voraussetzungen in Frankfurt gut, findet Helge Scheunemann, Forschungschef beim Maklerunternehmen JLL. "In Frankfurt gibt es im Vergleich zu den anderen Metropolen relativ viele Flächen in Bürotürmen, die sich besonders für das Umwandeln in Wohnraum eignen, da sie einen natürlichen Lichteinfall bieten", sagt er. Und es gibt ein weiteres Argument: Immer mehr Büros stehen leer. Für 1,083 Millionen Quadratmeter gab es nach Angaben des Maklerunternehmens NAI Apollo im ersten Halbjahr keine Nutzer. Das sind 60.000 Quadratmeter mehr als im Vorjahr, die Leerstandsquote liegt bei 9,4 Prozent. Damit könnte fast jedes zehnte Büro in Frankfurt potenziell umgenutzt werden.

Viele dieser Flächen befinden sich in älteren Gebäuden, die nicht den sogenannten Taxonomiebedingungen der EU entsprechen, weil sie zum Beispiel schlecht gedämmt sind und zu viel Energie verbrauchen. Das Maklerunternehmen Aengevelt warnt davor, dass daraus "gestrandete Objekte" werden, die sich weder vermieten noch verkaufen lassen.

Finanzierung oft schwierig

"Kreative neue Nutzungen" sind nach Ansicht von Kevin Nguyen, Geschäftsführer des Maklers Blackolive, eine gute Möglichkeit, den Leerstand zu reduzieren. Aber: "Eine Umwidmung eines Bürogebäudes in ein reines Wohngebäude ist die schwierigste und teuerste Variante", sagt er. Christian Ströder von Avison Young verweist auf das aktuelle Marktumfeld mit hohen Baukosten und gestiegenen Zinsen. Banken seien zurückhaltend mit Finanzierungen. Und auch Anleger seien vorsichtig bei Investitionen in Immobilien. Eigentümer stünden oft vor einer schwierigen Entscheidung: Denn ist ein Bürogebäude erst einmal in ein Wohnhaus umgebaut, gibt es kein Zurück zum Gewerbe. Es gelte der Grundsatz "einmal Wohnen, immer Wohnen". Auch baurechtliche Auflagen, etwa zum Schallschutz, könnten ein Hindernis für die Umwandlung sein.

Davon hört auch Simone Zapke, die Leiterin der Frankfurter Bauaufsicht, immer wieder. In der Praxis spiele das Thema jedoch keine Rolle, sagt sie. "Es wurde nie eine Erleichterung beim Schallschutz beantragt." Dabei versuche ihre Behörde, Umwandlungen zu befördern und Bauherrn entgegenzukommen. "Wir erteilen viele Erleichterungen." Auch die gesetzlichen Voraussetzungen hätten sich verbessert. So gebe es zum Beispiel Bestandsschutz für Bauteile, die dadurch nicht nach den neueren Vorschriften beurteilt werden müssten. Für Zapke ist klar: Die Zurückhaltung bei der Umwandlung von Wohnungen liegt vor allem am Marktumfeld.

Dazu gehören die Baukosten, die derzeit den Wohnungsbau generell erschweren. Auf den ersten Blick erscheint es als Vorteil, bestehende Gebäude wiederzuverwenden, da sich damit die Rohbaukosten sparen lassen. Vor einem Jahr noch schätzte Helge Scheunemann von JLL, dass die Umbaukosten rund 50 Prozent niedriger seien als bei einem vergleichbaren Neubau. Heute ist er etwas vorsichtiger. Einige Projekte hätten gezeigt, dass es kaum finanzielle Vorteile gebe. "In einigen Fällen können die Kosten auch höher sein als bei einem Neubau."

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Um Entscheidungen zu treffen, müsse man sich jedes Gebäude individuell ansehen, so Scheunemann. Dabei spiele auch die Lage eine Rolle: "Je besser die Lage und die Qualität des Gebäudes, desto höhere Mieteinnahmen können angesetzt werden." Und das kann am Ende den Ausschlag geben, ob sich eine Konversion lohnt oder nicht.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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