Katastrophenschutz: Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden hat einen flächendeckenden Stromausfall simuliert.
Im Fokus steht die Frage, wie die Kommunikation in einer solchen Situation aufrecht erhalten werden kann.
Das Licht ist aus. Radio und Fernseher sind tot. Die Heizung funktioniert nicht mehr. Und der Akku vom Handy ist auch bald leer. In Wiesbaden ist flächendeckend der Strom ausgefallen, und die Mobilfunknetze schalten sich sukzessive ab. Ohne Elektrizität droht Chaos, denn der Blackout legt alles lahm. Ein solches Szenario könnte eines Tages genau so stattfinden. In diesem Fall ist es nur fiktiv.
"Pharos" heißt die Katastrophenschutzübung, die an diesem Samstagvormittag in der Wiesbadener Innenstadt stattgefunden hat. Es geht darum, wie die Kommunikation für die Bevölkerung aufrechterhalten und Panik vermieden werden kann, ebenso um die Hilfe, die im Notfall geleistet werden muss.
Etwa 170 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr Wiesbaden, der freiwilligen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerks und zahlreicher Hilfsorganisationen sind unter den Beteiligten. "Glück und Gebete reichen nicht", sagt Andreas Kleber, Leiter der Wiesbadener Feuerwehr. Entscheidend seien regelmäßige Übungen.
Rund 600 Notrufe an einem Tag
Vor dem Rathaus steht ein roter Container, in dem Feuerwehrmann Henning von Hüllesheim sitzt und einen Notruf entgegennimmt. Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) meldet, dass ein Fahrstuhl im Rathaus steckengeblieben sei, in dem sich zwei seiner Mitarbeiter befänden. Sie seien unverletzt.
Mende hat den sogenannten mobilen Leuchtturm des Katastrophenschutzes genutzt, der im Fachjargon KatS-Leuchtturm heißt, um seinen fiktiven Notruf abzusetzen. Gemeint sind damit Gebäude oder auch mobile Container, die bei einem Stromausfall über die Möglichkeit verfügen, per Funk oder Satellit Informationen an die Leitstelle weiterzugeben.
Von Hüllesheim ist über das Tetra-Funknetz mit der Leitstelle verbunden, denn ein Dieselaggregat versorgt seine Station und damit auch das Funkgerät mit Strom. In der Leitstelle nimmt ein Mitarbeiter den Notruf entgegen und schickt ein Fahrzeug mit Einsatzkräften los, um die eingeschlossenen Mitarbeiter aus dem Fahrstuhl zu holen.
Der Disponent hat einen stressigen Job, denn im Laufe des Tages werden rund 600 fiktive Notrufe bei ihm eingehen, mit denen die Katastrophenschützer testen wollen, ob sie eine solche Lage bewältigen können. Auch die Leitstelle kommt ohne Strom aus dem Netz aus und lässt ihre Notaggregate laufen, ebenso wie alle weiteren KatS-Leuchttürme in der gesamten Stadt, die an diesem Tag im Übungseinsatz sind.
Kommunikation mit dem Starlink-System von Elon Musk
Der Wiesbadener Bevölkerung stehen insgesamt 35 Stationen zur Verfügung, von denen die meisten in den Feuerwehrgerätehäusern der Stadtteile eingerichtet sind. In der Innenstadt werden mobile Stationen eingesetzt. Sie sind die Anlaufstelle für die Bevölkerung und ermöglichen den Bürgern, sich über die Lage zu informieren oder einen Notfall zu melden.
Die Kommunikation über das Internet hält die Feuerwehr mit Empfangs- und Sendegeräten für das Starlink-System von Elon Musk aufrecht. Vor dem Rathaus ist eine solche mobile Satellitenanlage aufgebaut. "Damit können wir unsere Infrastruktur mitbringen, ohne vom Mobilfunknetz abhängig zu sein. Selbst ohne Stromerzeugung hat das Gerät eine Laufzeit von einem Tag", sagt Timo Umstädter, der bei der Feuerwehr für die Abteilung Information und Kommunikation zuständig ist.
Es gab in Wiesbaden noch nie einen flächendeckenden Blackout, aber laut Mende ist das Thema seit der Flutkatastrophe im Ahrtal und dem Krieg in der Ukraine in den Fokus gerückt. "Wir haben unseren Bevölkerungsschutz in Wiesbaden deutlich ausgebaut", berichtet er. Ein flächendeckender Stromausfall sei eines der Szenarien, in denen die Verletzlichkeit der Gesellschaft am deutlichsten werde. "Wenn wir keinen Strom mehr haben, bricht innerhalb kürzester Zeit buchstäblich alles zusammen."
400 Tote in den ersten 96 Stunden
Für einen solchen Fall hat das hessische Innenministerium einen "Mustereinsatzplan Stromausfall" erarbeitet. In dieser Handlungsempfehlung ist eine vierstufige Gefahrenabwehrplanung vorgesehen, die zeitlich gestaffelt ist. Sie geht von einem Ausfall der Energie aus, der kürzer als zehn Minuten ist, bis zu einem flächendeckenden Stromausfall, der länger als vier Stunden dauert.
In diesem Fall tritt der sogenannte KatS-Alarm ein, dies gilt als Katastrophe. Die Wiesbadener Übung simuliert die Krise bis kurz vor dem Zeitpunkt, an dem der Katastrophenfall ausgelöst würde.
Der Rheingau-Taunus-Kreis hatte 2022 eine Studie für einen solchen Blackout erarbeitet. Diese kam zu dem Ergebnis, dass in den ersten 96 Stunden ohne Strom im Rheingau und im Untertaunus mehr als 400 Menschen stürben.
Bürger sollten sich für den Notfall informieren
Es stellte sich heraus, dass schon zwei Stunden nach einem Stromausfall viele Brand- und Meldeanlagen nicht mehr funktionierten und der Mobilfunk ausfalle. Damit eine solche Katastrophe erst gar nicht eintritt, fordert Mende eine redundante Stromversorgung für die Landeshauptstadt.
Leiter der bei der Feuerwehr angesiedelten Abteilung Katastrophenschutz ist Christian Breyer. "Alle unsere Planungen gehen von einem zweiundsiebzigstündigen Zeitraum aus", sagt er. Anschließend werde eine Katastrophenschutzleitung etabliert, und im Ernstfall stünden etwa 1600 Einsatzkräfte bereit, um den Bürgern zu helfen. Viele von ihnen sind ehrenamtlich im Einsatz. Die Bürger, sagt Breyer weiter, hätten allerdings auch die Verantwortung, sich vorsorglich zu informieren, wo sie im Notfall Hilfe erhalten. Im Netz hat die Stadt Informationen dazu zusammengestellt. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.