Jacobsen-Bau: Italienische Keramikplatten ersetzen die norwegischen Marmorsteine am Jacobsen-Bau in Mainz. Dennoch soll das alte Rathaus nach der 100 Millionen Euro teuren Sanierung so aussehen wie früher.
Die Aufzüge sind, um sie vor Staub und Schmutz zu bewahren, dick eingepackt, bis sie wieder in Betrieb gehen können. Das dürfte frühestens im Herbst 2027 der Fall sein. Denn noch sind im Rathaus am Mainzer Rheinufer, das von Grund auf saniert werden muss, weder Verwaltungsmitarbeiter noch Besucher unterwegs, sondern fast ausschließlich Bauarbeiter, Handwerker, Planer und Architekten. Ihr Auftrag lautet, den 50 Jahre alten Jacobsen-Bau für mehr als 100 Millionen Euro auf den neuesten Stand zu bringen.
In ganz Deutschland gebe es aktuell wohl kaum eine größere Baustelle, auf der die Belange des Denkmalschutzes und die Anforderungen an ein modernes, funktionales und energieeffizientes Verwaltungsgebäude so eng aufeinander abgestimmt werden müssten, sagte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) am Mittwoch. Er war zu einer Stippvisite in das komplett entkernte frühere Rathaus gekommen, das ältere Mainzer "Fuchsbau" nennen.
Auch der Platz direkt vor dem bisweilen als Mauseloch geschmähten Haupteingang, der den Namen des einstigen Oberbürgermeisters Jakob "Jockel" Fuchs trägt, soll laut Haase noch in Gänze umgestaltet werden.
Betonsanierung im Inneren abgeschlossen
Nachdem die Betonsanierung im Inneren weitestgehend abgeschlossen ist, wird derzeit vor allem am Einbau neuer Fenster und am Austausch der Fassade gearbeitet, die das Bauwerk prägt. Dass irgendwann die ursprünglich außen angebrachten und bis zu drei Zentimeter dicken Platten aus Porsgrunner Marmor anfingen, von den Wänden zu fallen, war ein Hauptgrund dafür, vor fünf Jahren mit der zuvor lange diskutierten Rathaussanierung zu beginnen.
Bis dahin standen sich zwei Gruppen nahezu unversöhnlich gegenüber: Jene, die für den Verkauf respektive für einen Abriss der nicht so recht ins Stadtbild passenden Trutzburg am Fluss plädierten; und jene, die dafür kämpften, das Erbe des dänischen Stararchitekten Arne Jacobsen und seines Partners Otto Weitling zu bewahren. Es handele sich dabei um ein herausragendes Beispiel der Nachkriegsmoderne in Deutschland, hieß es.
Bisher habe man bei dem Großprojekt den vom Stadtrat gewünschten Zeit- und Kostenrahmen einhalten könne, versicherte Haase. Etwa 85 Prozent aller Aufträge seien mittlerweile vergeben und man liege nur gut ein Prozent über den kalkulierten Ausgaben. Das sei eine Differenz, die sich bis zum geplanten Einzug im September 2027 womöglich auch noch ausgleichen lasse, sagte der Verwaltungschef.
Außerdem freue er sich, dass an der Rathaussanierung zahlreiche Unternehmen aus der Region beteiligt seien: etwa der Steinmetzbetrieb Pfannenstein aus Winnweiler im Donnersbergkreis und Metallbau Lehr aus Mainz. Beide Unternehmen sind mit der Neugestaltung der Gebäudehülle beschäftigt: Dazu gehören moderne Fenster und eine energetisch wichtige Rundumdämmung mithilfe von Mineralfasern, die später aber hinter einer Keramikfassade verschwinden wird.
Die dafür benötigten und aus Italien stammenden Platten der Marke Fiandre, die an Ort und Stelle zugeschnitten und auf Aluminiumleisten geklebt werden, sind optisch und haptisch kaum von den ursprünglich verwendeten Natursteinen aus Marmor zu unterscheiden. Schließlich wurden Teile der alten Fassade mittels Laserscanning genau erfasst, um passende Vorlagen für die bis zu 13.000 benötigten Keramikfelder zu haben. Diese sind nicht nur günstiger, sondern auch deutlich leichter. Was nach Angaben der beteiligten Baubetriebe die Montage vereinfacht.
Gebäude steht schief
Noch dazu sei der Steinbruch in Norwegen, in dem sich Jacobsen dereinst bediente, längst geschlossen, hieß es beim Rundgang. Wenn alles planmäßig verlaufe, könne man mithilfe der neu gestalteten Außenhülle zudem kaschieren, dass sich das 50 Jahre alte Gebäude im Laufe der Zeit zur Rheinseite hin um bis zu zwölf Zentimeter abgesenkt habe, sagte Andreas Grund, Leiter der Projektgruppe Rathaussanierung. Nachdem das gesamte Bauwerk bis in die hinterste Ecke hinein untersucht und vermessen worden sei, erwarte er ansonsten aber keine "Überraschungen" mehr.
Für die als Marmorimitate verwendeten Keramiktafeln sprechen nicht zuletzt Eigenschaften wie witterungsfest und selbst reinigend. Außerdem sind die Platten einer Studie zufolge in der Lage, jährlich bis zu 32 Kilogramm Stickoxide abzubauen, wofür andernfalls eine fast zwei Hektar große Waldfläche notwendig sei.
Zu den Neuerungen, die das Rathaus künftig für alle Mainzer und deren Gäste interessant machen sollen, gehören ein lichtdurchflutetes Forum, eine Bürgerdach genannte Aussichtsplattform und ein zusätzliches Gastronomieangebot direkt an der Rheinpromenade.
Ob es denn, wie schon länger diskutiert, darüber hinaus eine zum Fluss führende breite Freitreppe zwischen Rathaus und Rheingoldhalle geben kann, wird wohl erst der geplante städtebauliche Wettbewerb zur Umgestaltung des Jockel-Fuchs-Platzes zeigen.
Bei der Frage, wie die bis dato trist und ungastlich wirkende Betonwüste am besten in einen attraktiven Aufenthaltsort verwandelt werden kann, sollen Anfang des nächstens Jahres auch die Bürger gehört werden. Erklärtes Ziel ist es laut Haase jedenfalls, bei diesem sensiblen Thema "die Wünsche und Ideen der Bürgerschaft aktiv in die Planungen mit einfließen zu lassen". © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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