Frankfurts Bildungsdezernentin: Sylvia Weber ist seit acht Jahren das Gesicht der Schulpolitik in Frankfurt. Viele ihrer Baustellen hat sie geerbt, andere sind hausgemacht. Nun kämpft sie vor Gericht.

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Im Umgang mit aufgebrachten Eltern, verärgerten Schulleitern und wütenden Tagesmüttern nutzt Bildungs- und Baudezernentin Sylvia Weber (SPD) eine Methode, die man als Umarmungsstrategie bezeichnen könnte. Wenn es im Ausschuss für Bildung und Schulbau wieder einmal hoch hergeht, weil sich eine Schulsanierung verzögert, Hortplätze fehlen oder Tagesmütter schlecht bezahlt werden, dann lächelt Weber verständnisvoll und sagt sinngemäß: "Es ist gut, dass Sie zu uns in den Ausschuss gekommen sind. Ich verstehe Ihren Ärger, ich verstehe Ihre Wut." Und dann erklärt sie mit tiefer Stimme, warum die Dinge im Argen lägen und weshalb es bald besser werde.

Es ist erstaunlich, wie gut das funktioniert. Weber schafft es immer wieder, die Wogen zu glätten und den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Womöglich liegt das auch daran, dass die Betroffenen nur ein einziges Mal oder höchst selten in den Ausschuss kommen und deshalb nicht merken, dass Verzögerungen an der Tagesordnung sind.

Kaum ein Schulbauvorhaben ist im Zeitplan und wird pünktlich fertig. Das kann man nicht nur der Dezernentin anlasten. Aber für die Betroffenen ist Weber nun einmal diejenige, die sie mit dem Schulbau assoziieren. Denn die Sozialdemokratin ist das Gesicht der Schulpolitik in Frankfurt. Und wenn es im Schulbau nicht gut läuft, ist sie diejenige, die damit in Verbindung gebracht wird.

Webers Entschuldigung verliert an Überzeugungskraft

Immerhin ist sie auch schon seit 2016 für das Bildungsdezernat verantwortlich. Sie hat viele Versäumnisse von ihren Amtsvorgängerinnen geerbt: Die Investitionen in die Schulgebäude wurden in Frankfurt jahrzehntelang vernachlässigt. Zusätzlich zu den immensen Aufgaben im Neubau – der Schulbau ist unter Weber deutlich vorangekommen, hält mit dem Bevölkerungswachstum aber nicht Schritt, denn jedes Jahr kommen rund 1000 Schüler hinzu – hat sich ein riesiger Sanierungsstau gebildet.

Innerhalb von acht Jahren kann man eigene Akzente durchaus erwarten. Zumal Weber seit 2021 auch noch das Baudezernat leitet. Ihre alte Entschuldigung, dass sie erst seit kurzer Zeit auch für die Liegenschaften der Stadt zuständig sei, verliert immer mehr an Überzeugungskraft, je länger sie schon beide Ressorts führt.

Sie macht das auf eine Weise, die ihre Kritiker in Kommunalpolitik und Stadtverwaltung als eigenwillig, ja starrsinnig beschreiben. Sie berichten, dass sie Sitzungen vorzeitig verlasse, wenn sie nicht bekomme, was sie wolle. Dass sie Mitarbeiter im Gespräch unter Druck setze. Dass sie fachliche Einwände der städtischen Ämter missachte. Und dass sie ihr Dezernatsbüro aufgebläht und zu einer Nebenverwaltung ausgebaut habe.

Gerade dieser Punkt scheint nun zum größten Problem ihrer Amtszeit zu werden. Für ihren Stab wollte sie ohne Zustimmung des Magistrats Büroräume mieten, nahm dafür schon den Schlüssel entgegen und unterzeichnete das Übergabeprotokoll. Sogar das Schild, das auf ihr Dezernat hinweist, wurde bereits am Eingang angebracht. Da es aber ein unabgestimmter Alleingang war, kam der Mietvertrag nie zustande. Weber sieht sich jetzt mit einer Schadenersatzklage konfrontiert, die sie und die Stadt teuer zu stehen kommen könnte.

Sie hätte gewarnt sein müssen

Anhänger der Dezernentin versuchen, den Vorgang als Versagen des gesamten Magistrats darzustellen, denn die übrigen Stadträte stimmten dem Geschäft wegen starker Bedenken der Kontrollämter nicht zu und verweigerten damit auch die zweite Unterschrift, die unter dem Mietvertrag nötig gewesen wäre. Weber selbst beklagt, dass die Kontrollämter ihr gegenüber besonders kritisch eingestellt seien: Derartige Verträge zu einer vergleichsweise niedrigen Miete würden anderen Stadträten bewilligt, während ihr Steine in den Weg gelegt würden.

Die Stadtregierung hat sich mit dem Vorgang nie befasst. Weber glaubte dennoch, mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen durchzukommen. Dabei hätte sie gewarnt sein müssen. Denn schon 2017 stand sie wegen eines Mietvertrags in der Kritik. Damals war sie für Bildung und Integration zuständig und verhandelte darüber, ein Gebäude an der Mainzer Landstraße in der Nähe der Galluswarte für ein "Zentrum für interkulturelle Bildung" zu mieten. Der zu dieser Zeit für Liegenschaften zuständige CDU-Stadtrat Jan Schneider fühlte sich hintergangen, kritisierte die Konditionen und unterschrieb den Mietvertrag nicht. Das übernahm dann – obwohl nicht zuständig – der damalige Oberbürgermeister Peter Feldmann.

Mit dem mittlerweile aus der SPD ausgetretenen früheren Stadtoberhaupt hat Weber einiges gemeinsam. Anders als viele ihrer Genossen unterstützte sie Feldmanns Abwahl nicht, betonte vielmehr, sie habe immer gut mit ihm zusammengearbeitet. Ihr Politikstil ist ähnlich: erratisch, selbstbezogen, beratungsresistent. Aber auch inhaltlich steht Weber, die dem linken Flügel der SPD zuzurechnen ist, dem ehemaligen Oberbürgermeister nahe. Sie spricht lieber mit Hausbesetzern als mit Vertretern der Immobilienbranche.

Bemerkenswert tief in den Details

Schon als die heute 61 Jahre alte Weber 2016 ihr Amt als hauptamtliche Stadträtin antrat, war sie nicht unumstritten. Bei der Wahl im Stadtparlament durch die damalige Koalition aus CDU, SPD und Grünen erhielt sie die wenigsten Stimmen aller SPD-Dezernenten.

Für das Bildungsressort empfahl sich die Wirtschaftsinformatikerin als langjährige bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Römer. In dieser Funktion kritisierte sie regelmäßig die frühere Bildungsdezernentin Sarah Sorge (Die Grünen), der sie schließlich im Amt nachfolgte. Seit der Bildung der aktuellen Koalition von Grünen, SPD, FDP und Volt ist Weber auch für das Bauressort zuständig.

Ihre Aufgaben und die Zahl ihrer Mitarbeiter sind immens. Weber ist für die meisten städtischen Immobilien zuständig, also nicht nur für die Schulen und Kitas, sondern auch für so schwierige Objekte wie den Paradieshof und das städtische Weingut. Angesichts dieser Fülle steckt sie bemerkenswert tief in den Details.

Mangelnden Fleiß wirft ihr niemand vor. Aber es gibt immer wieder Klagen darüber, dass wichtige Projekte im Dezernat hängen blieben und sich verzögerten. Die Erwartungen an die neue Schulbauoffensive, mit der Weber Neubau und Sanierungen beschleunigen will, sind hoch. Ob sie tatsächlich zu einem Befreiungsschlag wird, lässt sich erst in einigen Monaten beurteilen.

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Die erste Verhandlung über die Schadenersatzklage ist für März angesetzt. Weil die Stadt kein Interesse daran haben kann, einem Vergleich zuzustimmen, ist es wahrscheinlich, dass das Verfahren auch im Kommunalwahlkampf noch eine Rolle spielen wird.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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