Innenstadt in Wiesbaden: Nach der Pandemie kommen wieder mehr Besucher in die Innenstädte, aber sie geben weniger Geld aus. Der Citymanager in Wiesbaden blickt dennoch positiv in die Zukunft.
In den sozialen Netzwerken kommt Wiesbaden bisweilen schlecht weg. Da werden zu viele Leerstände und eine Eintönigkeit des Angebots ebenso beklagt wie die vermeintlich mangelnde Sauberkeit, die mangelnde Sicherheit und mangelnde Attraktivität der Landeshauptstadt.
Repräsentative Befragungen von Passanten ergeben aber ein anderes Bild. Mehr als 70 Prozent der Besucher fühlen sich in der Innenstadt wohl, und nur fünf Prozent sind rundum unzufrieden. Ein Vergleich der Umfrageergebnisse der Jahre 2024 und 2021 zeigt sogar, dass sich der Anteil derer, die sich sehr wohl in der Innenstadt fühlen, nahezu verdoppelt hat. Entsprechend halbiert hat sich der Anteil der Unzufriedenen.
Ein bemerkenswertes Ergebnis, das Peter Becker vom Amt für Statistik anlässlich einer ersten Bilanz des neu geordneten Citymanagements vorgelegt hat. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hatte Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger (Die Grünen) diese Neuordnung in Angriff genommen und ein ganzes Team um den neuen Citymanager Jens Ackermann verpflichtet. Die neue Stabsstelle im Wirtschaftsdezernat ist mit einem eigenen Budget ausgestattet.
Mehr als drei Millionen Euro stehen bereit
Das große Ziel aller Anstrengungen: den vorliegenden Masterplan Innenstadt sukzessive zu realisieren. Einschließlich der finanziellen Mittel aus dem Bundesprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren" stehen laut Hinninger insgesamt mehr als drei Millionen Euro für die Revitalisierung der City bereit.
Dass die Innenstadt von Wiesbaden trotz eines gravierenden Wandels des Konsumverhaltens noch immer attraktiv ist, zeigen nicht nur die Befragungen von Geschäftsleuten und Passanten, sondern auch die Frequenzmessungen. Demnach hat Wiesbaden die schwere Delle der Corona-Pandemie recht gut überstanden und zählt im historischen Fünfeck aktuell monatlich rund zehn Millionen Besucher.
Viele von ihnen empfinden die Wiesbadener Innenstadt als eher "schön" und "elegant". In der Summe notieren die kommunalen Statistiker seit der Corona-Zeit erstaunlich positive Veränderungen in der Wahrnehmung der Stadt. Wiesbaden werde heute als "eher sicher und geordnet sowie vertraut, anregend und einladend" empfunden.
Allerdings deuten Einstufungen wie "ärmer" auch darauf hin, dass mehrere markante Leerstände wie die Kaufhof-Filiale und die "Sportarena" sowie mehr sichtbare Obdachlose in der Innenstadt bei den Besuchern nicht unbemerkt bleiben. Die Aufenthaltsdauer sei aber stabil, berichtete Becker.
Mehr Busse, mehr Parkplätze und schönere Plätze gewünscht
Die Besucher wünschen sich nach den Ergebnissen der Erhebungen gleichwohl mehr Sauberkeit in der Innenstadt, mehr Gastronomie und ein besseres Busangebot sowie mehr Parkplätze für die Anreise mit dem Auto. Und etwa jeder Sechste verlangt nach höherer Aufenthaltsqualität durch mehr Grün, mehr Bänke, mehr Pflanzen und mehr schön gestaltete Plätze. Beklagt wird bei den Befragungen der Geschäftsleute unter anderem die Höhe der Gebühren und der kommunalen Abgaben in der Stadt.
Zwar kommen nach Überwindung der Corona-Pandemie wieder viele Besucher in die Stadt. Die Befragung der Geschäftsleute ergibt aber ein heterogenes Bild. Für fast 40 Prozent haben sich die Umsätze seither wieder stark verbessert, während für rund ein Viertel die Umsatzzahlen etwa auf dem Corona-Niveau verblieben sind und rund 30 Prozent sogar weniger Geld einnehmen als in der Krise. Vor allem Waren des täglichen Bedarfs werden immer häufiger online gekauft, hält Statistiker Becker fest.
Der Anteil derjenigen Bürger und Besucher, die grundsätzlich nicht im Netz einkaufen, geht deutlich zurück. Der Strukturwandel in der Innenstadt werde sich daher weiter fortsetzen, lautet die Erwartung der Fachleute. Das sieht Citymanager Ackermann nicht anders. Er hat das erste Jahr im Amt vor allem genutzt, um ein Netzwerk zu knüpfen, sich bekannt zu machen und in die Verwaltung hineinzuwirken. In diesem ersten Jahr sei einiges erreicht worden, bilanziert Ackermann.
Nun gehe es darum, den Masterplan Innenstadt fortzuschreiben und die Ergebnisse von Bürgerbeteiligungen aufzugreifen. Das alles mit dem Ziel, die City als attraktiven, lebendigen und wirtschaftlich erfolgreichen Einkaufs- und Erlebnisraum weiterzuentwickeln: "Der Schlüssel zur Stärkung der Wiesbadener City ist ihre Nutzungsvielfalt", sagt der Citymanager. Attraktive Innenstädte integrierten neben Handel und Gastronomie verstärkt Wohnen und Arbeiten, Freizeit und Kultur. Auch der Klimaschutz sei eine zu stemmende Aufgabe. Bis Ende 2025 kann Ackermann auf finanzielle Mittel aus dem Bundesförderprogramm zugreifen, um innovative Konzepte und Strategien zur Bewältigung des Strukturwandels auszuprobieren.
Zu solchen Experimenten gehörten in diesem Jahr unter anderem ein Spielcontainer auf dem Schlossplatz und ein Wasserspielplatz auf dem Luisenplatz. Letzterer fand so viel Zuspruch, dass an eine Wiederholung gedacht ist, auch wenn Wiesbaden in den Reisinger-Anlagen im nächsten Jahr einen 1,7 Millionen Euro teuren Wasserspielplatz einrichten will. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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