Thomas Knod schuftet. Er stemmt schwere farbige Rollen und platziert sie hoch oben in einem Regal. Dann geht er auf die Knie, um weitere Gewichte ganz unten einzuräumen.

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Schließlich schiebt er einen schwer beladenen Handwagen durch den Raum, eine Runde nach der andern. "Auf der faulen Haut liege ich hier nicht", keucht der 57-Jährige, der an den Spätfolgen eines Motorradunfalls leidet, und lacht.

Schieben, klettern, bücken

Was nach harter Arbeit aussieht, soll ihn wieder fit machen für seinen Alltag als Filialleiter eines Supermarkts in Waldbröl, denn da muss auch der Chef ran, wenn es gilt, Waren abzuladen und einzuräumen. Dann heißt es schieben, auf die Leiter klettern, sich bücken, Kisten schleppen. Deshalb nimmt er zurzeit an einer beruflich orientierten Reha (MBOR) in der Dr.-Becker- Rhein-Sieg-Klinik teil, und dabei geht es neben der "normalen" Reha ganz gezielt um die Wiedereingliederung in Beruf und Arbeitsleben.

Oft mit Erfolg: Gerade hat die Klinik im Bereich Neurologie im landesweiten Vergleich der Deutschen Rentenversicherung (DRV) von 165 Einrichtungen am besten abgeschnitten.

Wir können hier mit modernen Geräten und Methoden praktisch sämtliche Arbeitsplatzanforderungen abbilden.

Ulrich Häussermann, Leiter des Therapiezentrums

In Nümbrecht wurde vor zwei Jahren für die MBOR ein spezieller Therapieraum eingerichtet. Da gibt es Rohrleitungen, um die Arbeit einer Installateurin zu simulieren, Bildschirmarbeitsplätze, eine deckenhohe, blanke Magnetwand, an der in unterschiedlicher Höhe verschiedene Formen angebracht werden können, die aber auch für den rekonvaleszenten Fensterputzer mit Hilfe eines Wischers zur "Glasscheibe" umfunktioniert werden kann. "Wir können hier mit modernen Geräten und Methoden praktisch sämtliche Arbeitsplatzanforderungen abbilden", erklärt Ulrich Häussermann, Leiter des Therapiezentrums. Meist trainieren hier fünf Patienten und Patientinnen gleichzeitig, sowohl aus der Orthopädie wie der neurologischen Abteilung der Klinik.

Während es bei Thomas Knod vor allem darum geht, seine Schmerzen im zerstörten Knie in den Griff zu bekommen und erträglich zu machen, soll das Gerät "Armeo" der Schlaganfall-Patientin helfen, ihren beeinträchtigten rechten Arm zu trainieren. Der ist in einen Roboterarm eingespannt. Wenn sie ihn hebt oder senkt, steuert sie damit auf ihrem Bildschirm einen Aufzug in einem virtuellen Haus. Ein großes Glas mit smartie-bunten "Therapiebohnen" steht für Übungen der Feinmotorik bereit. Heike Oppenberg, die Bereichsleiterin der Ergotherapie, demonstriert an einem riesigen Touchpad, wie auf spielerische Weise Konzentration gefördert wird, während Ulrich Häussermann zeigt, was es heißt, über Kopf in einem Kasten dünne Schrauben mit kleinen Muttern zu befestigen.

Manchmal braucht es Überzeugungsarbeit.

Heike Oppenberg, Ergotherapeutin

Die Anforderungen sind enorm vielfältig, ob nun eine Lehrerin kommt, ein Dachdecker oder eine Kassiererin. Dabei komme es auf das richtige Maß an. "Zu viel ist auch nicht gut, dann bleibt oft die Motivation auf der Strecke und die Erholung kommt zu kurz." Vor Beginn des Programms wird mit einem Screening getestet, welcher Therapieschwerpunkt für den jeweiligen Patienten sinnvoll ist. Auch ob es um die Rückkehr in den Beruf geht oder ob eine allgemeine Arbeitsfähigkeit angestrebt wird. Darauf wird das Trainingsprogramm individuell zugeschnitten.

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Ob alle Patienten und Patientinnen von ihrer beruflich orientierten Reha so begeistert sind wie der Waldbröler Filialleiter Thomas Knod? "Manchmal braucht es Überzeugungsarbeit", räumt die Ergotherapeutin schmunzelnd ein.

"Wir haben manchmal junge Patienten, zum Beispiel mit einem Schädel-Hirn-Trauma nach einem Verkehrsunfall, oder auch mit Long Covid, die von Anfang an gut mitmachen. Aber die meisten sind zwischen 55 und 60 Jahre alt, haben schon eine ,normale' Reha hinter sich, manche sind seit über einem Jahr krankgeschrieben und freuen sich eigentlich schon auf die Rente", weiß Ulrich Häussermann. Aber dann helfe oft der Hinweis, dass es auch für die Bewältigung des Alltags sinnvoll ist, wenn durch das Training verloren geglaubte Fertigkeiten wieder erlangt werden und am Ende freuen sich auch Skeptiker über den Erfolg.

Thomas Knod hofft, dass er in den nächsten Tagen wieder echte Kisten schleppen und Regale einräumen kann, statt in Nümbrecht bunte Attrappen zu stemmen.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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