Die Zeiten, in denen man von reinen Männerberufen sprach, sind glücklicherweise Geschichte. Und dennoch gibt es Berufsbilder, in denen Männer die mit Abstand größte Gruppe der Beschäftigten stellen.
Das ist teils so auf dem Bau oder im Maschinenbau. Und auch das Herstellen von Bier war lange Zeit eine Männerdomäne. Doch diese bröckelt.
Giulia Nebel ist 32 und seit vier Jahren Braumeisterin bei der Cölner Hofbräu Früh in Köln. Ein knappes Dutzend ihrer Zunft arbeitet bei dem Traditionsunternehmen. Unter denen mit dem Titel Braumeister ist sie die einzige Frau. Ist das ein Problem? "Ich würde sagen, dem wird nicht viel Beachtung geschenkt, jeder macht hier seine Aufgabe. Darum geht es", sagt Nebel. In Köln-Feldkassel leitet sie das siebenköpfige Team der Qualitätssicherung der Früh-Brauerei.
Erst Zellbiologin, dann Bierbrauerin
Der Weg zu diesem Beruf hatte einen großen Umweg. Die gebürtige Norddeutsche studierte zunächst Biologie, genauer gesagt Zellbiologie, in Münster. Anschließend war sie in der Tumorforschung tätig. Das ist gut für die Menschheit, aber sicherlich nicht jedermanns Sache. "Man sitzt da stundenlang vorm Computer und wertet Bilder aus. Ist sicher eine wichtige Arbeit, aber auch sehr eintönig. Ich brauche Abwechslung und Bewegung. Dies habe ich in der Brauerei gefunden", sagt Nebel. Aber hat Bierbrauen etwas mit Zellbiologie zu tun? "Eher nicht", sagt Giulia Nebel und lacht.
Über einen Kommilitonen wurde sie auf das Brauwesen aufmerksam, im September 2017 machte sie ein Praktikum in der Brauerei. Und stellte fest: "Das ist genau mein Ding".
58 Braumeister und nur zwei Braumeisterinnen im Jahrgang
In Gräfelfing bei München ist eine der Kaderschmieden für Braumeister und Braumeisterinnen – wobei die Männer deutlich in der Überzahl sind. Ohnehin steht das Gendern bei der Ausbildung eher im Hintergrund. Denn im Sprech der Zunft wird man nicht Braumeister oder -meisterin, sondern man "macht den Braumeister". Im Jahrgang von Giulia Nebel waren rund 60 Schüler, "nur zwei davon waren Frauen", sagt sie. Ein Problem sei das nie gewesen, sie sei nicht benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt worden. Neben Braumeistern werden übrigens dort weitere exotische Berufe gelehrt, etwa der des Wassersommeliers.
Als oberste Qualitätsbeauftragte hat Nebel bei Früh jeden Tag andere Aufgaben. Sie nimmt Lieferungen an, kontrolliert Malz und Hopfen sowie die Wasserqualität, verkostet verschiedene Zwischenprodukte und prüft die Klebefähigkeit der Etiketten.

Ob sie ihr Früh-Kölsch aus anderen Bieren herausschmecken kann? Sie antwortet bescheiden und kurz: "Ich denke schon!" Und wie wird der doch recht exotische Beruf im privaten Umfeld aufgenommen? Auch in der Freizeit würde sie viele "Fachgespräche" führen. "Fast jeder Biertrinker hat sich ein gewisses Fachwissen angeeignet", sagt Giulia Nebel leicht amüsiert. Und was trinkt man im Feierabend, wenn man ohnehin den ganzen Tag mit Bier zu tun hat? "In meiner Freizeit trinke ich wenig Alkohol, aber wenn, dann natürlich Bier." © Kölner Stadt-Anzeiger