In den Niederlanden hat vor wenigen Wochen der Prozess im Fall des getöteten Zülpichers Fabian Esser begonnen.

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Angeklagt sind der 50-jährige belgische Staatsangehörige Mateo Z. und – in Abwesenheit – dessen 31 Jahre alter Sohn Daniel P. Sie stehen unter dem Verdacht, mehrere Überfälle und Betrügereien begangen zu haben. Bei einem dieser Betrugsversuche war Esser am 23. Juni 2022 in der niederländischen Grenzstadt Kerkrade ums Leben gekommen.

Zwei Männer, die sich als Investoren aus Luxemburg ausgaben, hatten damals vorgegeben, dem Zülpicher eine Wohnung abkaufen zu wollen. Die Anfrage über ein Immobilienportal diente offensichtlich aber nur dem Zweck, mit dem Anbieter in Kontakt zu kommen. Denn gleichzeitig hatten sie mit Esser ein Tauschgeschäft vereinbart: Die Täter gaben an, den Betrag von 100.000 Euro in kleinere Scheine umtauschen zu wollen, weil 200-Euro-Scheine nicht in allen Geschäften akzeptiert würden.

Überwachungskameras hielten in Kerkrade dramatischen Tatverlauf fest

Esser ließ sich auf den Handel ein und reiste in Begleitung seines Onkels mit einer Geldtasche nach Kerkrade. Bei dem Treffen am Fußballstadion der Grenzstadt entrissen die beiden Männer dem 33-Jährigen aus Zülpich die Tasche mit dem Geldbetrag und fuhren mit einem grünen Mercedes-Coupé davon. Esser wollte die Männer aufhalten, hielt die Tasche fest umklammert, wurde von dem flüchtenden Wagen zuerst mitgeschleift, dann überrollt und tödlich verletzt. Verschiedene Überwachungskameras zeichneten Bilder des dramatischen Vorfalls auf.

Die Ermittlungen der niederländischen Behörden führten zu zwei Tatverdächtigen: Ein Familienmitglied glaubte, das Duo auf den Kamerabildern vom Tatort, die auch in einer Fernsehsendung gezeigt wurden, erkannt zu haben, und informierte die Polizei. Einer der Verdächtigen, Mateo Z., wurde Ende 2022 in Bulgarien festgenommen. Der andere wurde bislang nicht gefunden und ist weiter auf der Flucht.

Nach Angaben von Polizei und Justiz liegen jedoch genügend Beweise gegen das Vater-Sohn-Gespann vor: Die Ermittlungen ergaben, dass die beiden auch in insgesamt fünf weitere, ähnliche Fälle verwickelt sein sollen. Die Taten wurden zwischen 2020 und 2022 in Kerkrade, Maastricht, Urmond und zweimal in Valkenburg begangen. Dabei seien in einem Fall auch Rolex-Uhren gestohlen worden, heißt es in der Anklageschrift. Leidtragende waren jeweils deutsche Staatsbürger, die von den Tätern geködert worden waren. Insgesamt sollen die beiden Angeklagten rund eine halbe Million Euro bei diesen Straftaten erbeutet haben.

Prozess in Maastricht am ersten Verhandlungstag unterbrochen

Zum Prozessauftakt forderten die Anwälte der beiden Angeklagten eine Vertagung des Verfahrens, weil sie die Dokumente über die Identifizierung der Verdächtigen weiter prüfen lassen wollten. Nach Angaben des niederländischen Justizministeriums, so argumentierten die Strafverteidiger, liefere die Identifizierung anhand von Fotos und Kamerabildern zwar Hinweise, sei aber letztlich kein schlüssiger Beweis. Die Staatsanwaltschaft konterte, dass es weitere Beweise für die Täterschaft der beiden Angeklagten gebe: "Telekommunikationsdaten, Zeugenaussagen, ein gefälschtes Alibi, und die anderen Opfer haben die Verdächtigen erkannt", so ein Vertreter der Anklagebehörde.

Das Gericht gab dem Antrag statt: Das Niederländische Forensische Institut (NFI) soll nun die Bilder einer Überwachungskamera vom Fall in Kerkrade mit neueren Fotos des festgenommenen Verdächtigen vergleichen.

Festnahme im Gerichtssaal: Meineid für ein Alibi

Noch im Gerichtssaal kam es gleich am ersten Verhandlungstag zu einer weiteren Festnahme: Yordana P., die ebenfalls 50 Jahre alte Lebenspartnerin des Hauptverdächtigen Mateo Z., wurde vorläufig festgenommen, weil sie verdächtigt wurde, Urkundenfälschung begangen zu haben, um ihrem Partner ein Alibi zu verschaffen.

Der Angeklagte Z. bestreitet, an dem Vorfall, bei dem Fabian Esser ums Leben kam, beteiligt gewesen zu sein. Er gab an, sich an diesem Tag nicht in Kerkrade, sondern in Kroatien aufgehalten zu haben. Dafür gibt es laut Staatsanwaltschaft aber keine Beweise: Zwar habe eine Rechnung eines Hotels in Kroatien vorgelegen, sie habe sich bei der Überprüfung jedoch als Fälschung herausgestellt.

Die Lebensgefährtin von Z. wurde im Gerichtssaal festgenommen, nachdem sie als Zeugin zu der vorgelegten Rechnung gehört worden war. Als die Frau damit konfrontiert wurde, gab sie eine eidesstattliche Aussage ab, die Mateo Z. ein Alibi verschaffte. Damit hat sie nach Ansicht der Staatsanwaltschaft einen Meineid begangen. Niederländische Medien berichten, dass Yordana P. jedoch nach insgesamt 43 Tagen wegen eines Verfahrensfehlers wieder aus der U-Haft entlassen wurde.

Familie des Opfers tritt im Prozess als Nebenklägerin auf

Sebastian Esser, der Bruder des getöteten Fabian Esser, sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass sich die Familie dazu entschlossen habe, sich nicht öffentlich zu dem Prozess zu äußern. Die Familie tritt in dem Fall aber als Nebenklägerin auf und wird im Prozess von der niederländischen Opferrechtsorganisation "Namens de Familie" (vergleichbar mit dem "Weißen Ring" in Deutschland) unterstützt. "Für die Familie ist es eine sehr belastende Situation", sagt Jeroen Baardemans, Medienberater der staatlich finanzierten Hilfsorganisation.

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Wegen der anstehenden forensischen Untersuchungen zur Identität der Tatverdächtigen wird damit gerechnet, dass der Prozess erst im neuen Jahr fortgesetzt wird. "Wir hoffen, dass die Ergebnisse bis zum Sommer 2025 vorliegen und der Prozess dann weitergeführt wird", so Baardemans: "Vielleicht ist bis dahin ja auch der zweite Tatverdächtige gefasst."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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