Performing Arts & Digitalität: Stiller Zuhörer oder aktiver Spieler: Das Festival "Performing Arts & Digitalität" setzt auf die Partizipation der Besucher und die Zukunft der KI in der Kunst.

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Aus dem Holzhäuschen in verschneiter Landschaft tritt eine Figur. "I am Thomas, a ghost of my former self." Auf Englisch fragt er nach: "Hast du eine Idee, wie es für uns weitergeht?” Auf diese Weise begrüßt ein KI-Doppelgänger des österreichischen Autors Thomas Köck die Spieler und Zuschauer von "The Weird & The Eerie".

Der Theaterregisseur Michael von zur Mühlen erklärt, dass Figuren in der Installation als Doppelung echter Menschen funktionieren. Die Avatare seien mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet, die mit echten Erinnerungen ihrer Originale trainiert worden sei. Neben der KI stammt der Text der Performance von Köck, die musikalische Komposition von Andreas Spechtl. In der Installation, die zugleich Basis der gleichnamigen Performance ist, können Spieler sich mit den Avataren unterhalten und ihre Welt erforschen. "Das Besondere ist, dass wir kein Projekt über Künstliche Intelligenz geschaffen haben, sondern mit Künstlicher Intelligenz", betont von zur Mühlen.

"The Weird & The Eerie" ist eine vieler Installationen und Performances, die das Festival "Performing Arts & Digitalität" (PAD) zum diesjährigen Thema "KI – Interaktion und Partizipation" zu bieten hat. Das Festival der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste in Bensheim findet zum ersten Mal in Wiesbaden statt. Die "wunderbare" Zusammenarbeit mit dem Staatstheater Wiesbaden an anderen Projekten sei der Auslöser für den Ortswechsel gewesen, erzählt Daniela Ginten, Geschäftsführerin der Akademie und Festivalleiterin. "Und auch die Stadt Wiesbaden hatte sofort ein offenes Ohr für uns."

An insgesamt sieben Orten der Stadt sind während des Festivals insgesamt 16 Inszenierungen, Installationen und Erfahrungen zu sehen und hören. Ein Audiowalk namens "Eingang für Zuhörer" dreht sich rund um das Alte Gericht in Wiesbaden, heute als Coworking-Space und Kulturstätte "Heimathafen" genutzt. Hier geht es um die Kunst und Kultur des Zuhörens.

Stationen in und außerhalb des Gebäudes werden von den Aufnahmen vieler Stimmen aus Südamerika, Südostasien und Südafrika begleitet, die im Rahmen des Projekts "Listening to the World – 100 Jahre Radio" aufgenommen wurden. "Im Projekt geht es darum, wer sprechen darf, wer zuhören muss und was das mit Macht oder Gehorsam zu tun hat", sagt die künstlerische Leiterin Natalie Singer: "Das passte auch gut zu dieser Location des Alten Gerichts."

Im Heimathafen laden weitere spielerische Installationen rund um Künstliche Intelligenz und virtuelle Realitäten zum Spielen und Verweilen ein. Das KI-Kunstprojekt "ANA" erforscht Empathie in gemeinsam mit Besuchern erzählten Geschichten und kratzt mit diesem dialogischen Erzählen an der Verbindung des Menschen zur "intelligenten" Maschine.

Mit drei vom Besucher vorgegebenen Wörtern beginnt ANA zu erzählen: "In der schwindelerregenden Höhe eines Mastbaums balancierte Theodor, ein furchtloser Akrobat, auf einem ozeanblauen Schiff." Dieser Protagonist Theodor findet an Deck eine Badewanne voller Teegeschirr. Ihm fällt ein, dass es für eine Teezeremonie gedacht ist. Dann erzählt der Besucher weiter: Durch eine Welle landet ein goldener Fisch an Deck, der sich in einen Menschen verwandelt. Ihn macht ANA zum Gott Poseidon, der mit Schwert und Rüstung an Deck steht: "Theo, mein Junge, du hast mich beeindruckt. Deine Akrobatikfähigkeiten und dein Engagement für die Teezeremonie haben mich dazu gebracht, mich zu zeigen." Und damit verschwindet er.

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Christian Ziegler, künstlerischer Leiter des Projekts, erklärt, dass ANA über Facetracking die Emotionen des Gegenübers analysiere und auf sie reagiere. Dabei sei es ihm und seinen Kollegen wichtig gewesen, dass ANA den Geschichten eine echte Dramaturgie gebe und einen Spannungsbogen schaffe, anstatt nur Textelemente aneinanderzureihen. Partizipation wie im Dialog mit ANA oder im Spiel mit Avataren wird, ganz entlang des Jahresthemas, beim PAD-Festival gelebt – so wird ein Besuch mehr als nur ein Ausstellungsbesuch.

Performing Arts & Digitalität Bis 27. Oktober, Wiesbaden. Weitere Informationen und Karten unter performingarts.digital © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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