Das Verhalten im Feld: Der Hochtaunuskreis in Hessen hat ein Heft voller Selbstverständlichkeiten herausgegeben, so sollen Kinder lernen, wie sie sich in Wald und Wiese zu verhalten haben. Sinnlos ist das nicht – und heute wichtiger denn je.
Kennen Sie Nordy? Falls ja, kennen Sie auch Norderney, und zwar ziemlich gut. Mit dem Seehund lässt sich die ostfriesische Insel im Pixi-Buch-Format erkunden, in einer ganzen Serie. Nordy ist kein Einzelfall. Viele Verbände und Kommunen nutzen die Möglichkeit, Kindern eine Gegend, einen Beruf, eine Botschaft nahezubringen. Was macht eigentlich ein Bürgermeister? Wer gehört alles zur SPD Frankfurt? Wie mach ich’s richtig zwischen Feldern und Wiesen?
Denn genau dazu gibt es jetzt auch ein Heft. Herausgegeben hat es das Amt für den ländlichen Raum beim Hochtaunuskreis. Es trägt den Titel "Kids Knigge". Alliterationen sind ja immer gut, aber ob die englisch-urdeutsche Wortkombination auch die Zielgruppe erreicht? Wahrscheinlich suchen Kinder sich zum Vorlesen lieber Nordy aus. Eltern könnten enttäuscht sein, falls sie auf Tipps für Tischmanieren hofften, auf dass der Nachwuchs eine erfolgreiche Zukunft hat. Oder fürs perfekte Parlieren auf welchem Parkett auch immer.
Denn dieser Knigge beschreibt Verhaltensregeln außerhalb geschlossener Räume. Beim ersten Durchblättern entsteht der Eindruck: Das Heft reiht eine Selbstverständlichkeit an die nächste. Tüten und Flaschen sind giftig für Pflanzen und Tiere. Also in die Tonne damit! Obstpflücken ist wie Stehlen. Grillt nicht im Wald, sondern zu Hause. Wenn ein Traktor kommt, mit dem Fahrrad bremsen. "Lasst den Traktor vorbeifahren. Winkt ihm zu! Er winkt euch auch!" Hoffentlich halten sich auch alle Landwirte zwischen Grävenwiesbach und Steinbach dran.
Wird der "Kids Knigge" also bei den Hochtaunus-Kindern beim Vorlesen immer Figuren wie Conni, Bobo Siebenschläfer und Nordy den Vortritt lassen müssen? Wahrscheinlich schon. Aber es wird ja auch nicht jedes an sich sinnvolle Buch zum Bestseller. Denn sinnvoll ist das Bändchen allemal. Weil die Regeln, auch wenn sie selbstverständlich erscheinen, ständig gebrochen werden, oft schon im Kleinen. Die Folge eines Feuerchens muss nicht ein Waldbrand sein, nicht jeder ausgespuckte Kaugummi kostet einen Igel das Leben. Aber die Gefahr ist da.
Darüber hinaus geht es um Respekt. Daher wäre es gut, wenn Eltern und Erzieherinnen das Buch nutzen, um mit Kindern darüber zu reden, wie Menschen mit der Natur umgehen sollten. Und miteinander. Das ist gerade zur Zeit besonders wichtig, eine Investition in eine Gesellschaft mit Benimm. In allerbester Knigge-Tradition. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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