Beatsteaks in Offenbach: Die Berliner Band Beatsteaks hat ihr Publikum in der Offenbacher Stadthalle in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt. Dass von ihr ausgesprochene Handyverbot hatte damit nichts zu tun.
Arnim Teutoburg-Weiß lässt lasziv die Hüften kreisen. Seine Botschaft verheißt indes wenig Erotisches. Gehüllt in kurze Trainingshosen, Fußballerkniestrümpfe zu Sneakers, ein schwarzes Halloween-Oberteil mit weißer Skelettstruktur sowie einem flotten Urlauberhütchen auf dem Haupt, erklärt der 50 Jahre alte Sänger und Gitarrist dem Publikum: "Wir sind heute Abend Offline, Offenbach! Was wollt ihr gucken, die Nachrichten? So etwas nervt doch nur! Jetzt heißt es zwei Stunden: Beatsteaks wie früher!".
Bei ihrem Nachholtermin in der ausverkauften Offenbacher Stadthalle besteht die Berliner Formation Beatsteaks darauf, dass die Smartphones ausgeschaltet bleiben. Im emotionalen Ausnahmezustand befindet sich die Besucherschar aber schon zum Einstieg mit "Jane Became Insane". Entflammt hat sich diese Euphorie am fröhlichen Punk-Power-Pop der Vorband Shirley Holmes, des Berliner Trios mit Drummer Chris und zwei singenden Frontfrauen: Gitarristin Mel und Bassistin Ziggy.
Shirley Holmes als exzellente Vorband
Dass sich die Beatsteaks in ihrem 29. Karrierejahr als Support so eine exzellente Konkurrenz engagiert haben, spricht für die noch immer aufrichtige Mentorenfunktion des Quintetts. Dynamisch steuert die mit Sologitarrist Bernd Kurtzke, Schlagzeuger Thomas Götz, Bassist Torsten Scholz sowie Rhythmusgitarrist und Pianist Peter Baumann komplettierte Formation durch einen kompakten Querschnitt mit mehr als zwei Dutzend Songs aus neun Studioalben. Wobei der Fokus auf dem aktuellen Werk "Please" (2024) liegt. Mehrheitlich elektrisierender Stromgitarren-Rock im Stadion-Modus mit allerlei Querverweisen in Richtung Punk, Reggae, Pop, Soul und Disco kennzeichnen den Bandsound.
Prinzipiell werden die Beatsteaks seit ihrer Debüt-LP "48/49" (1997) ja als Jungs-Konsensband gelesen. Also eine Truppe, bei deren Konzerten überwiegend männliche Zeitgenossen im Moshpit ihre angestauten Aggressionen abbauen möchten. Allerdings setzte im Lauf der Dekaden eine analoge Entwicklung wie bei den Kollegen von den Ärzten und den Toten Hosen ein. Strömen doch längst auch viele Frauen in die überfüllten Konzerte.
"What’s Coming Over You" bringt den schönsten Moment des Abends
Beim Rockkracher "Summer" steigt die Besucherschar textsicher ein und stößt perfekt eingepasst immer wieder den Bandnamen aus. Von da an lässt Arnim Teutoburg-Weiß wiederholt den Satz "Ich fühle mich so gut in Offenbach!" fallen. Stilistische Vielfalt bestimmt den weiteren Verlauf: "French Disko", auf Deutsch gesungen, gelingt live weit weniger gestelzt als im Studio und wesentlich verrockter. Zwischen Reggae und EBM oszilliert "Automatic". "Let Me In" und "Cut Off The Top" dürfen als Reminiszenz an die Londoner Punk-Revolution 1977 gewertet werden.
Beim Eminem-Cover "The Way I Am" zeigt Arnim Teutoburg-Weiß wie exakt er den US-Rapper zu imitieren versteht. Als lupenreiner Power-Pop empfiehlt sich "Milk & Honey". Für Abwechslung am Mikrofon ist auch gesorgt: Multiinstrumentalist Peter Baumann singt die melancholische Ilona-Schulz-Interpretation "Hey Du", Sologitarrist Bernd Kurtzke haut mit "Frieda und die Bomben" ordentlich auf die Zwölf, im Original stammt die Songgranate von der US-Band Fu Manchu.
Bevor die Beatsteaks zum Abschied mit "Atomic Love" phonstark detonieren, liefern sie einen der schönsten Momente des Abends: Beim balladesken "What’s Coming Over You" gönnt Arnim Teutoburg-Weiß seinen Stimmbändern Entspannung, lediglich begleitet von Peter Baumann am Klavier. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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