Sopranistin Nombulelo Yende: Wer Karriere machen will, muss das Land verlassen: Die südafrikanische Sängerin Nombulelo Yende hat an der Oper Frankfurt ein neues Zuhause gefunden und singt ihre ersten Hauptrollen.

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Die hohen Holzwände sind tückisch. Ein falsches Anlehnen und man plumpst ins Leere. Das Bühnenbild, das Karoly Risz für Tilmann Köhlers Inszenierung von "Le Nozze di Figaro" geschaffen hat, ist ein genauso gut gebautes Spiel wie Mozarts Oper selbst.

Bis in den Januar hinein wird Nombulelo Yende am vorderen Ende der Spielfläche Platz nehmen, um die große Liebeskummer-Arie der Gräfin zu singen. Es ist der nächste Schritt in der noch jungen Karriere der Südafrikanerin, die neu im Ensemble der Oper Frankfurt ist: in der Wiederaufnahme eine große Repertoirerolle auszufüllen, Abend für Abend.

2021 ist Yende nach Frankfurt in das 2008 gegründete Opernstudio gekommen und schätzt hoch, was sie dort gelernt hat, stimmlich, persönlich, künstlerisch. Nun wird sie auch ihren ersten Liederabend als Ensemblemitglied bestreiten, und es hat sich so gefügt, dass die drei Sängerinnen des Abends geradezu ein Spiegel des Opernstudios sind: Yende singt mit Clara Kim, die als Opernstudio-Absolventin demnächst wieder in Frankfurt gastieren wird, und Cláudia Ribas, die aktuell Mitglied des Studios ist.

Obwohl auch Yende, die hier und da Workshops nutzt, bisweilen immer noch das Gefühl hat, zum Studio zu gehören. "Für mich war das Studio eine Transition. Ich hatte Zeit, mit meiner Stimme zu arbeiten, zu lernen, indem ich die Bühne mit einigen der größten Stars im Geschäft teilen durfte", sagt Yende. Für sie habe es gut geklappt, sich von kleineren zu größeren Rollen zu arbeiten. Mittlerweile hat sie als Micaela in "Carmen" und Tatjana in "Eugen Onegin" debütiert. "Es war das, was ich gebraucht habe." Studiojahre müsse nicht jeder haben, setzt sie hinzu – für sie sei es sehr gut gewesen.

Enges Verhältnis zur Familie

Eigentlich hätte sie schon 2020 anfangen sollen, nachdem Intendant Bernd Loebe sie beim Wettbewerb "Neue Stimmen" eingeladen hatte. Doch dann kam Corona – und Yende saß in Südafrika fest. "Natürlich waren wir in Sorge, ob die Opernhäuser je wieder normal öffnen würden", sagt sie. "Aber das Gute war: Ich konnte zu Hause sein. Wir haben ein enges Verhältnis als Familie."

Etwas, das sie vermisst hatte, als sie nach der Highschool an das Opernstudio der University of Cape Town ging, die Sängerschmiede Südafrikas, 1500 Kilometer von Mkhondo in der Provinz Mpumalanga im Nordosten entfernt, wo Yende 1991 geboren und aufgewachsen ist.

Ein Vorbote des Schicksals, das sie mit vielen südafrikanischen Künstlerinnen und Künstlern teilt. "Mindestens 40 Prozent von uns sind verstreut in Europa, Großbritannien, Amerika", sagt sie über ihren Jahrgang. "Ich wünschte, wir hätten mehr Theater in Südafrika, eine bessere Ausstattung. Nicht jeder ist dafür gemacht, zu gehen."

Cape Town Opera tue, was sie könne, sagt Yende, und das sei viel. Aber angesichts der wenigen Theater und begrenzten Mittel bedeute das: "Wir haben gar keine Wahl." Man müsse versuchen, zu internationalen Vorsingen und Wettbewerben zu kommen, die Chancen nutzen. Viele junge Studenten suchten Rat – ein Alumninetzwerk wäre gut, findet sie.

Wäre sonst Ärztin geworden

Sie klingt nicht bitter, nur realistisch. Und überhaupt ist Nombulelo Yende im Gespräch ungeheuer gesammelt und präzise. So strukturiert, wie sie ihre Arbeit angeht. Jeden Morgen je eine Stunde Gräfin im "Figaro", dann Kuma in "Die Zauberin", so sieht derzeit ihr Pensum aus. Im Februar wird sie in der Titelrolle in die Fußstapfen von Asmik Grigorian treten. Nach der Arbeit geht sie nach Hause, spaziert, relaxt – das kläre den Kopf, und das Gedächtnis beginne, vertieft an der Partie zu arbeiten.

"Ich bin jeden Tag in der Oper und arbeite", sagt sie, fünf, sechs Stunden in jedem Fall. "Ich war schon immer so", sagt sie und lacht. Vielleicht liege das an ihrer Position als mittleres Kind, mutmaßt sie. Zwei jüngere Brüder hat sie, in der Familie ist immer viel gesungen worden, niemals aber klassische Musik. Hätte es mit der Gesangskarriere nicht geklappt, sie wäre sicher Ärztin geworden, sagt Yende.

Schon im Alter von vier Jahren sang sie im Kirchenchor Gospels, wie Mutter und Großmutter väterlicherseits. Ihre beiden Brüder sind heute als DJs unterwegs und machen Popmusik, ihre eigene Initiation in die Oper verdankt sie ihrer älteren Schwester, der Starsopranistin Pretty Yende. Als deren Lehrerin begann, sie zu fördern, stellte sich heraus, dass auch die "Kleine" eine Stimme hat, die ideal für die klassische Schulung ist. Die Timbres der Schwestern unterscheiden sich, etliche Rollen haben sie beide erarbeitet.

"Wir haben so großartige Komponisten in Südafrika"

Konkurrenz? Im Gegenteil, sagt Nombulelo. Sie sei stolz und habe das Glück, jemanden fragen zu können, dem sie vertraue. Vertrauen ist ein Wort, das oft fällt, wenn Yende über ihren Beruf spricht. "Vertrauen ist mir enorm wichtig. Ich fühle mich hier sicher, ich vertraue den Menschen am Haus und schätze, dass ich die Gelegenheit habe, zu wachsen und Rollen auszuprobieren", sagt sie. Und dann – mal sehen.

Die "sichere Blase", in der sie nun sei, um sich zu entwickeln, schätze sie sehr, sagt sie. "Ich brauche das, bevor ich weiter in die Welt gehe." Und nun, da sie wisse, dass sie etwas länger bleibe, komme sie auch ganz in Frankfurt an. Die Stadt gefalle ihr gut, nur für den Hauptbahnhof und das Bahnhofsviertel findet sie ein höfliches "interesting", das mehr sagt als tausend Worte.

Was sie in ihrer Freizeit macht? Bloß keine Musik hören! Filme schauen, spazieren, lesen. In ein kleines Buch, das sie geschenkt bekommen hat, schreibt sie jeden Tag etwas auf Deutsch. "Im Alltag spreche ich fast nur Deutsch", sagt sie. In der Oper sei das nicht machbar: "Hier sind so viele Menschen mit unterschiedlichen Sprachen, da landen alle immer beim Englischen."

Für ihren Liederabend hat sie, wie Clara Kim mit einem koreanischen Beitrag, auch zwei Lieder aus ihrer Heimat ausgewählt: Musik zeitgenössischer Komponisten, Mbeki Mbali und Sibusiso Njeza. "Das wollte ich schon immer. Wir haben so großartige Komponisten in Südafrika."

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Und da gibt es noch mehr auf ihrer Wunschliste, für später. Die Violetta, auch Norma und natürlich die Mimì, mit deren Arie aus dem ersten Akt von "La Bohème" sie anlässlich der jüngsten Operngala das Publikum begeisterte. Puccini, das fühle sich wunderbar in der Stimme an, sagt Yende. Aber mit der Gräfin kann sie jetzt schon eine Rolle unter ihren absoluten "Top Five" singen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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